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Teilweise wird hemmungslos abkassiert. Örtliche Handwerker kennen das Spiel.

Villingen-Schwenningen - Beim Hinausgehen mal eben nicht aufgepasst. Wumms! Die Tür fällt ins Schloss. Der Schlüssel steckt innen. Für viele Villingen-Schwenninger beginnt der Ärger aber erst danach: Schlüsseldienste zocken Kunden in Not hemmungslos ab.

"Dr. Google" weiß bekanntlich vieles. Doch wer in einem solchen Notfall nach "Schlüsseldienst Villingen-Schwenningen" im Internet sucht, gerät schnell an die Falschen.

Unlängst etwa musste eine Villingerin tief in die Tasche greifen, um ihre Wohnungstür öffnen zu lassen: 800 Euro blätterte sie für die schnelle Hilfe hin. Der Fachmann vor Ort hätte das für einen Bruchteil der Summe hinbekommen.

Peinlich, dieser fiesen Masche überhaupt aufgesessen zu sein? "Nein, die Leute sind nicht dumm, wir haben den Anwalt der genauso beschissen wird wie sie", stellt Matthias Bauer, rechtlicher Berater bei der Verbraucherschutzzentrale Baden-Württemberg für den Bereich Bauen, Wohnen und Energie unmissverständlich klar. Er weiß, mit welch ungeheuren Methoden die Betrüger zu Werke gehen – häufig inklusive einer "Nötigungskomponente". Und auch unsere Redaktion staunte nicht schlecht darüber, was im Laufe unserer Recherche passierte.

"Tür zu? Villingen-Schwenningen 10 Euro – Schlösser Öffnung ohne Schaden" – das Angebot klingt unverfänglich. Das Geschäft ist scheinbar vor Ort. "Schlüsseldienst Villingen-Schwenningen" titelt die Homepage. Schon für zehn Euro sollen Türen geöffnet werden. Den Schlüsseldienst mit 0800-Nummer telefonisch kontaktiert, bestätigt die Dame am anderen Ende: "Ja, da sind Sie bei uns richtig. Wir sind ortsansässig". Einen Preis könne sie nicht nennen, das mache ihr Mitarbeiter vor Ort, sagt sie und will schnurstraks ins Geschäft kommen: "Name? Postleitzahl? Straße?" Die Informationen seitens der Redaktion fließen spärlich, und schnell wird klar, die Dame vom angeblich ortsansässigen Schlüsseldienst hat nicht die Spur einer Ahnung, wo genau die Wöschhalde liegt, und will bis dorthin gar 20 bis 50 Minuten Anfahrtszeit einkalkulieren.

Dem Veto wegen angeblicher Ortsansässigkeit widerspricht sie: "Doch, wir sind vor Ort, aber wir haben noch andere Aufträge." Widerwillig rasselt sie auf Nachfrage die Preise herunter: 16,80 Euro pro angefangene Viertelstunde und 35 Euro Betriebskostenpauschale würden fällig. Anfahrtszeit ist Arbeitszeit. Wir winken ab.

Doch auch beim nächsten Versuch – bei selbstverständlich wieder ortsansässigem Unternehmen trotz Standort in Bremen laut Impressum – staunen wir über saftige Preise: 29,90 Euro soll hier sogar jede angefangene Viertelstunde kosten, die Betriebskostenpauschale liegt bei 49 Euro, Anfahrtszeit ist Arbeitszeit und sagt das erst vor Ort erstellte Angebot zur Türöffnung dann doch nicht zu, müsste man "nur 99 Euro" für die Anfahrt bezahlen. Laut Homepage macht dieser Schlüsseldienst sogar glauben, dass er in Schwenningen beheimatet ist. Und auch hier geht’s rasend schnell zur Sache, ehe wir am Ende dann doch abwinken.

Nur schwarze Schafe im Internet? Der dritte Versuch belehrt unsere Redaktion eines Besseren: Unter der Handynummer von Notdienst-blitz.de nimmt "Ali" ab. Er verspricht im Internet: keine Anfahrtkosten, faire Preise, die sofort am Telefon genannt werden, und Tag und Nacht bereit zu sein – möglichst binnen 30 Minuten vor Ort.

Flugs erkundigt er sich nach der Beschaffenheit unserer Tür und macht sein Angebot: 70 Euro für eine Ein-Falz-Tür, 95 für eine Doppel-Falz-Tür. Als wir uns zu erkennen geben, erzählt Ali Ilkitoglu, seit 19 Jahren im Geschäft und mit einer Schlüsseldienstfiliale im Bad Dürrheimer Kaufland ansässig, von Erfahrungen seiner Kunden mit besagten schwarzen Schafen: "Die lügen ohne Ende."

Auch David Kaupe von Sprissler Sicherheitstechnik kann davon ein Liedchen singen. Immer wieder hört er haarsträubende Geschichten aus Villingen-Schwenningen – der Bekannte, der 1450 Euro hinblätterte und von "zwei Muskelprotzen mit ruppigem Auftreten" zur sofortigen Zahlung genötigt worden ist, dann zwar mit geöffneter, aber völlig demolierter Türe dastand, oder die Hausfrau, welche 900 Euro bezahlen musste und dieselbe Leistung von ihm für 68 Euro erhalten hätte – all das sei in Villingen-Schwenningen bei weitem kein Einzelfall.

Besagte Türöffnung im Redaktionstestfall hätte bei ihm am Freitag tagsüber zwischen 50 und 70 Euro gekostet, erzählt er, je nach Aufwand und Zeit. Die Anfahrt wird nach Kilometern berechnet, "dann ist es fair" – pro Kilometer zwei Euro. "Wir stimmen uns auch mit der Handwerkskammer ab und fragen nach, ob unsere Preise in Ordnung sind", gesteht Kaupe.

Info Zum Schutz

Matthias Bauer von der Verbraucherschutzzentrale Baden-Württemberg weiß: Das Vorgehen der schwarzen Schafe unter den Schlüsseldiensten "hat System". Im Internet werde den Kunden "Ortsnähe vorgetäuscht", der Anruf geht ins Callcenter und von dort werden die Aufträge verteilt. Ihr Netzwerk ist gut. In der Regel, so Bauer, hätten die herbeigerufenen Schlüsseldienste dann etwa eine Stunde Anfahrtszeit. Das böse Erwachen aber kommt mit der Bezahlung – häufig bauten Betrüger dann eine regelrechte Drohkulisse auf und zwingen die Kunden zur Zahlung vor Ort. Deshalb rät er: Immer tatsächlich ortsansässige Firmen bevorzugen – im nächtlichen Notfall ist selbst die Nacht im Hotel meist billiger als der Wucherpreis, zwei bis drei Angebote einholen, Zahlung erst bei Abnahme ("Hier handelt es sich um einen Werksvertrag!"), Auftragsumfang und Preis vorher genau festlegen.