Ob Hess-Anleger Schadensersatz von Banken erhalten, bleibt offen / Prozess in Konstanz

Von Jonas Schreijäg

Villingen-Schwenningen/Konstanz. Die Entscheidung ist vertagt. Erst am 22. September will das Landgericht Konstanz sein Urteil in der Klage von Geldanlegern der Hess AG gegen die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) und das Bankhaus M.M Warburg verkünden. Gestern sagten die Entlastungszeugen der LBBW aus. Sie wiesen Kenntnis von Bilanzfälschungen von sich.

Der Villinger Leuchthersteller Hess steht seit geraumer Zeit im Verdacht, beim Börsengang die Firmen-Bilanzen im Wertpapierprospekt beschönigt zu haben. Die beiden Banken, die den Börsengang begleiteten (LBBW und Warburg), wurden von mehreren Anlegern auf Schadensersatz verklagt. Der Vorwurf: Die Institute hätten trotz Kenntnis von Ungereimtheiten nichts unternommen.

Gestern verhandelte die zweite Zivilkammer des Landgerichts Konstanz den Fall. Zwei zentrale Fragen standen zu Beginn der Verhandlung im Raum. Erstens: Wurde der Wertpapierprospekt der Hess AG tatsächlich frisiert? Zweitens: Wussten die Banken von den Fälschungen und handelten damit fahrlässig?

Aus Sicht des Richters sei es unmöglich, die Frage der Fälschung jetzt zu klären. Da bisher nur "Parteigutachten" vorlägen, müsste dazu ein unabhängiges Gutachten erstellt werden. Dieses wäre aber enorm zeit- und kostenaufwendig. Aus pragmatischer Sicht solle daher in einer Zeugenbefragung zunächst die Frage nach der Banken-Mitwisserschaft geklärt werden. Die Logik: Wenn die Banken keine Kenntnis der möglichen Bilanz-Fälschungen hatten, wird auch die Schadensersatzforderung hinfällig. Ein unabhängiges Gutachten über die möglichen Bilanz-Fälschungen sei dann für die Schadensersatzforderung in diesem Prozess gar nicht mehr notwendig.

Der Richter machte zu Beginn der Verhandlung deutlich, dass die Banken nach seiner Gesetzes-Auffassung der sogenannten Prospekthaftung nicht dazu verpflichtete seien, die Bilanzen des Börsengängers selbst zu kontrollieren. Das Geldinstitut habe lediglich zu prüfen, "ob der Wertpapierprospekt vollständig und plausibel" sei. Die konkrete Kontrolle der Zahlen könnten die Banken – wie im Fall Hess – an externe Wirtschaftsprüfer übergeben.

"Die Bank ist nicht der Prüfer der Prüfer", sagte der Richter. Ausnahme seien allerdings konkrete Verdachtsmomente. Wenn Bank-Mitarbeiter auf Ungereimtheiten stießen, müssten sie diesen nachgehen.

Ob es solche Mitwisserschaft oder Verdachtsschöpfungen bei den Landesbank- oder Warburg-Mitarbeitern gegeben hat, versuchte das Gericht über eine Zeugenbefragung zu eruieren. Vier beteiligte Landesbank-Mitarbeiter wurden geladen, alle vier wiesen die Vorwürfe zurück. Man habe sich "auf die renommierten Wirtschaftsprüfer verlassen", sagte eine Landesbank-Mitarbeiterin. Unter anderem die Anwaltskanzlei McDermott und die Wirtschaftsprüfer der BDO hätten die Kontrollen übernommen, und man habe regelmäßig Rücksprache gehalten. "Verdächtig war gar nichts", sagte ein Mitarbeiter, der den Hess-Börsengang auf Seiten der Landesbank begleitete.

Die Übernahme der Firma "Emdelight" habe man zwar wegen deren Geschäfte in Katar besonders genau überprüft. Am Ende hätten die externen Partner aber auch dieses Geschäft für sicher befunden.

Ob das Gericht den Ausführungen der Bank-Mitarbeiter Glauben schenkt, zeigt sich am 22. September. Dann will das Landgericht seine Entscheidung verkünden.

Während der Kläger-Anwalt Sebastian Rosenbusch-Bansi den Ausgang des Verfahrens für "offen" hält, ist der Warburg-Verteidiger Franz Wallner überzeugt, dass die Klage zurückgewiesen wird. "Eine Bank muss die Bilanzen eben nicht prüfen", sagte er nach der Verhandlung.