Andreas Schwab Foto: Kienzler Foto: Schwarzwälder-Bote

Interview: Europaabgeordneter Andreas Schwab gegen Populismus / Vorsicht mit einfachen Antworten auf schwierige Fragen

Der Europaabgeordnete und CDU-Kreisvorsitzende Andreas Schwab steht nach den Entscheidungen der Wähler in den USA und dem Brexit vor Herausforderungen. Im Gespräch wendet er sich gegen Populismus und betont Unterschiede zwischen den USA und Europa.

Die Wähler in den USA und zuvor die Briten haben sich deutlich dafür ausgesprochen, dass ihr eigenes Land wichtiger sein soll als globale Trends. Überall auf der Welt hat man die Globalisierung anscheinend satt, auch in Deutschland. Hat sich die Politik zu sehr vom Volk entfernt?

Im Hinblick auf ihre Schlussfolgerungen aus dem Ergebnis der Wahlen in den USA rate ich zur Vorsicht. Trump hat weniger Wähler als frühere Kandidaten der Republikaner erreicht. Clinton hat am Ende mehr Stimmen als Trump erzielt. Das Wahlergebnis in den USA ist also denkbar komplex, aber richtig ist, dass bei den Republikanern ein politischer Trend nach rechts zu beobachten ist, und ohne diesen Trend ist die Wahl von Donald Trump sicher nicht zu erklären. Man muss aber vorsichtig sein mit einfachen Antworten auf schwierige Fragen. Für mich überwiegen nach wie vor die Unterschiede zwischen den Entwicklungen in den USA und Europa. Die Automatisierung der Arbeitswelt, die wirtschaftliche Globalisierung und jetzt die Digitalisierung stellen unsere Gesellschaft vor immense Herausforderungen. Und gleichzeitig geht es uns in Deutschland so gut wie nie zuvor. Aber durch die zunehmende Individualisierung und das veränderte Medienverhalten der Menschen wird der Wohlstand zunehmend abgekoppelt betrachtet von den immensen Veränderungen. Beides muss aber zusammen gesehen werden.

Aber es gibt ja eine klare Stimmung gegen die "Eliten" und Populismus. Sind die Politiker eigentlich noch bei Ihren Wählern?

Ich glaube, dass jedenfalls die CDU so eng wie möglich bei den Wählern ist. Aber die CDU ist keine populistische Partei, sondern wir suchen in all den vielen Problem nach konkreten Lösungen. Jeder Bürger, der seine Meinung dazu einbringen möchte, ist herzlich eingeladen, aber wir sehen, dass politisches Engagement leider heute weniger Interesse weckt als früher. Und letztlich kann die Politik in Deutschland, so allgemein muss ich das sagen, darauf verweisen, dass wir einen Anteil daran haben, dass es in unserem Land in vielen Bereichen besser läuft als in anderen Ländern um uns herum. Klar, Politik muss bürgernah gestaltet werden. Aus meiner Sicht ist die Lage in Großbritannien mit dem Brexit aber ein gutes Beispiel dafür, wie wir es gerade nicht machen sollten. Die Forderung nach Austritt aus der EU war in Großbritannien sicher sehr populär, auch noch so abstruse "Versprechungen" wurden bejubelt. Nun herrscht allerdings Katzenjammer: die Regierung weiß nicht wirklich, wie sie aus der EU aussteigen soll. Der Staatshaushalt steht vor schwierigen Entscheidungen. Es gibt Ankündigungen von Unternehmen in die eine oder andere Richtung, aber kurz gesagt: bislang ist nichts "besser" geworden. Man muss also immer auch zu Ende denken, in welche Sackgassen der Populismus führen kann.

TTIP: Kaum jemand in Deutschland wollte das außer den Großkonzernen und nun stellt sich heraus, dass die US-Bürger das auch nicht wollen. Hat man also über Dinge gesprochen, die niemand versteht und niemand will?

Nein, ich habe seit jeher darauf hingewiesen, dass es auch in den USA Kritik an TTIP gibt, übrigens aus ähnlichen Gründen wie in Europa. Manche Sektoren müssten mit TTIP mehr Wettbewerb akzeptieren, und das will nicht jeder. Gerade im Schwarzwald haben sich die mittelständischen Unternehmer aber klar für TTIP ausgesprochen, hier sehen viele bessere Exportchancen. Mit Großkonzernen habe ich darüber nicht gesprochen, es ist eine populäre Vorstellung, dass sie daran ein Interesse hätten. Mich wundert das immer etwas, denn Siemens und Daimler sind doch schon längst drüben in den USA präsent. Egal ob Kanada (CETA) oder TTIP (USA): Wenn wir die Globalisierung gestalten wollen, wenn wir unsere Werte Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Gleichberechtigung erhalten wollen, dann geht das nur über derartige Vereinbarungen, die nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politisch-strategische Bedeutung haben.

Wie wird sich die Präsidentschaft Donald Trumps auf die EU, die Nato und Deutschland auswirken?

Nicht alles können wir davon heute schon absehen. Aber schon Obama hatte die Europäer zu mehr eigenem Engagement im Bereich der Sicherheit aufgefordert. Wir werden uns nicht länger an der starken amerikanischen Schulter anlehnen können. In der Zukunft wird die EU und auch Deutschland mehr Verantwortung übernehmen müssen. Dieses sind aber keine neuen Entwicklungen, sondern haben sich durch die Krisen um uns herum bereits vor einiger Zeit abgezeichnet. Durch eine effektive Zusammenarbeit auf europäischer Ebene können wir den Herausforderungen begegnen.

Müssen die EU und Deutschland Geld für eine europäische Armee ausgeben? Müssen wir Angst um unsere Sicherheit haben?

Zunächst einmal ist eine engere Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten der EU schon seit Jahren vereinbart. Leider ist man dabei nicht weit vorangekommen, weil die Partner natürlich merken, dass eine stärkere Zusammenarbeit ihre Flexibilität einschränkt. Dennoch sehen alle, dass es so auch nicht weitergehen kann. Die NATO wird als Sicherheitsgarant erhalten bleiben, aber die Europäer müssen eine eigene Antwort auf die veränderte Sicherheitslage in Europa geben. Und diese Lage hat sich in den vergangenen Jahren dramatisch verändert. Wir leben leider nicht mehr in Zeiten, wie in den neun Jahren, als alle glaubten, der liberal-demokratische Staatsgedanke habe sich weltweit durchgesetzt.

Kommt man mit der Dämonisierung der Rechtsbewegungen wirklich weiter? Wie sollten wir mit diesen Bewegungen umgehen?

Eine Dämonisierung ist sicher nicht zielführend und findet in meinen Augen auch nicht statt. Nur müssen wir auch ganz deutlich machen, dass diese Bewegungen "postfaktisch" argumentieren, dass also das eigene Gefühl für die Beurteilung der Lage wichtiger ist als die Fakten. Wir haben ja auch keinen "fairen Wettbewerb" in der politischen Arena. Es entspricht nicht meinem Verständnis von Demokratie und Kritikfähigkeit die Presse von Nominierungsparteitagen auszusperren.

Zwar kommen nach dem Brexit vermutlich mehr Banken nach Frankfurt, aber anscheinend wollen sich mehr Silicon-Valley-Unternehmen nach der Trump-Wahl in London ansiedeln. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Spekulieren hilft nicht. Den Großteil der Auswirkungen können wir zurzeit einfach noch nicht absehen, aber es deutet vieles auf einen harten und vollständigen Austritt der Briten hin. Die internationalen Banken werden den Zugang zu unserem großen Binnenmarkt für ihre Geschäfte auch künftig benötigen. Deutschland kann hier, glaube ich, in einer großen Bandbreite attraktive Unternehmen aus Großbritannien anziehen. Aber London wird eine attraktive Stadt bleiben, sorgen müssen sich vielmehr die kleineren und mittleren Städte in Großbritannien machen. An ihnen droht die wirtschaftliche Entwicklung künftig vorbeizugehen.  Die Fragen stellte Felicitas Schück