Gleitschirmflieger-Pilot will Weltpremiere feiern und mit einem "Passagier" mehrere Loopings drehen

Villingen-Schwenningen (spr). Die Idee ist verwegen, das Ziel ambitioniert, die Technik außergewöhnlich – "also ein typisches U-Turn-Projekt", grinst Firmenchef Thomas Vosseler. Teampilot Pal Takats will mit einem "Passagier" eine Weltpremiere feiern und jede Menge Loopings mit einem Tandemschirm drehen."Das ist, als ob man mit einem LKW beim Formel-1-Grand-Prix in Monaco mit vollem Tempo mitfahren will", sieht Vosseler dem Ereignis gespannt entgegen.

Bis vor wenigen Jahren galt es als unmöglich, mit einem Gleitschirm einen echten Looping zu fliegen. Denn die Gesetze der Aerodynamik sprachen dagegen. Eigentlich. Ein Gleitschirm sorgt wie eine Tragfläche beim Flugzeug für Auftrieb, weil der Luftstrom zum größeren Teil unter dem Profil und zum geringeren Teil darüber geleitet wird, was für Über- beziehungsweise Unterdruck sorgt. Die Stabilität des Profils, also des hauchdünnen Stoffes, wird durch den Staudruck der Luft erzeugt. Deshalb war für Flieger und Theoretiker lange Zeit klar: Ein echter Looping mit dem Gleitschirm – keine Chance. Das ginge nur mit starren Flügeln.

Bis U-Turn-Chefkonstrukteur Ernst Strobl mit dem G-Force einen Schirm entwickelte, dessen Dynamik alles bislang Gekannte in den Schatten stellte – und mit dem Loopings möglich waren. "Bis heute kann das nur ein Dutzend Piloten weltweit", so Vosseler. Pal Takats, der aktuell führende im Acro-Weltcup, gehört dazu. Er schafft mehr als 100 Loopings am Stück. In der Fachsprache wird die Figur Infinity Tumbling genannt.

Jetzt hat Strobl mit dem neuem Acro-Schirm Thriller zwei weitere, bahnbrechende Innovationen eingeführt: Eine spezielle Verstärkung der Profilnase am Schirm und zusätzliche Belüftungsklappen am Obersegel verbessern die Stabilität so weit, dass sich die besten Piloten der Welt nicht nur trauen, das eigentlich unmögliche Manöver anzugehen, sondern Pal Takats als erster dieses sogar mit einem Passagier an Bord. "Der Looping kann geflogen werden, weil der Spezialschirm extrem leicht und dynamisch ist, gleichzeitig aber auch extrem resistent gegen Druckverlust", erläutert Strobl.

Doch ein Tandemschirm muss größer, schwerer und stabiler gebaut werden. Schließlich hängen zwei Passagiere samt Ausrüstung in den Millimeter dünnen Leinen. "Das ist eben wie LKW zu Rennauto", verdeutlich Strobl. Die Belastungen wachsen im Quadrat zur Geschwindigkeit. Bis zu zwölf G, also das Zwölffache der Erdanziehung, müssen die Leinen und vor allem die Anknüpfungspunkte am Schirm aushalten, haben Simulationsrechnungen ergeben. "Aber dennoch muss alles in extremer Leichtbauweise ausgeführt werden, denn die Dynamik des Schirms darf nicht verloren gehen."

Am 6. August nun wird Takats am Schweizer Walensee starten, um das eigentlich Unmögliche möglich zu machen. "Wenn es mit einem Schirm geht, dann mit der XXL-Version des Thrillers", befindet der Weltklassepilot. Als Passagier nimmt er Gabor Kezi mit, der ebenfalls zur Weltspitze der Acropiloten zählt. Das könnte deshalb wichtig werden, weil zur Ausleitung aus der Flugfigur immenser Kraftaufwand an der Steuerleine notwendig sein wird. "Der Pilot muss beim Ein- und Ausleiten sehr schnell bis zu 50 Kilogramm Widerstand überwinden", schätzt Takats. Kezi wird bei Bedarf über eine spezielle Verbindung mitlenken. "Der Infinity Tumble ist die aktuell schwierigste Acro-Figur mit der höchsten Belastung für Schirm und auch Piloten", erläutert Takats. "Der Schirm ist sehr groß, und damit sind die Leinen länger. Das heißt, es ergibt sich ein längerer Weg, um um den Schirm herumzupendeln, das braucht mehr Zeit, und damit gibt es mehr Beschleunigung mit noch höheren ›G-Kicks‹ am untersten Punkt." Die schätzt Takats auf bis zu sieben G – also das, was Kampfjet-Piloten mit Druckanzügen aushalten. An den Verknüpfungen Leine-Schirm können bis zu zwölf G auftreten. "Die ganze Ausrüstung ist schon sehr aufwändig", berichtet Takats. Überhaupt muss "alles einfach perfekt klappen. Wenn etwas schief geht, man kann auch direkt im Tuch landen..."

u Aufmerksamkeit garantiert Kommerziell wird ein Tandemschirm, mit dem man auch Loopings fliegen kann, nie ein Erfolg werden, einfach weil es nur ganz wenige Piloten gibt, die den Schirm überhaupt in den Grenzbereich fliegen können. Das weiß U-Turn-Chef Vosseler natürlich. "Hier geht es darum, die Grenzen des technisch Machbaren auszuloten. U-Turn steht für absolutes High-Tech in der Fliegerszene, und mit dieser Aktion wollen wir die Grenzen wieder ein Stück weiter hinausschieben."

Jede Menge Aufmerksamkeit ist bereits garantiert. Wie schon bei vorherigen Aktionen, etwa dem Sprung von der Europabrücke oder dem ersten Absprung aus einem Zeppelin, haben zahlreiche TV-Stationen weltweit Interesse an der Ausstrahlung einer Reportage zugesagt. Deshalb wird der Versuch mit drei Helikoptern, Fernsehteam und jeder Menge Fotografen dokumentiert.

"Das wird spannend", fiebert Vosseler dem Tag entgegen, während Takats ganz cool bleibt: "Ich bin sicher, dass wir das schaffen. Gabor und ich, wir sind ein gutes Team, und mit dem Schirm haben wir das beste denkbare Fluggerät für das Vorhaben."