In Deutschland ist in Städten mit mindestens 35.000 Einwohnern legal, was in Frankreich verboten und in der Schweiz sündhaft teuer ist: Prostitution. Foto: Gina Sanders – stock.adobe.com

SPD packt im Wahlkampf heißes Eisen an. Schnelle Nummer für Schweizer und Franzosen.

Villingen-Schwenningen - Schweizer und Franzosen kommen nach VS und wollen vor allem Eines: billigen Sex. Dass Sextourismus hier ein Thema und das seit Anfang Juli gültige Prostitutiertenschutzgesetz keine große Hilfe ist, das machte die SPD am Mittwoch bei einer etwas anderen Wahlkampfveranstaltung deutlich.

In Deutschland ist in Städten mit mindestens 35.000 Einwohnern legal, was in Frankreich verboten und in der Schweiz sündhaft teuer ist: Prostitution. Villingen-Schwenningen als grenznahe Stadt entsprechender Größe wird zunehmend zum Sammelbecken für Sextouristen aus beiden Ländern – auch wenn das Milieu mit vier FKK-Clubs, zwei Laufhäusern, einigen privaten Etablissements und einschlägigen Massagestudios nicht übermäßig prall bestückt sei, wie Brigitta Schäfer sagt. Die SPD-Gemeinderätin muss es wissen – als Anwältin vertritt sie die Opfer, "die geschlagen, missbraucht und vom Menschenhandel betroffen" sind. Als Mitarbeiterin des Vereins "Frauen helfen Frauen" greift sie ihnen auch ganz praktisch unter die Arme bis hin zum Platz im Frauenhaus.

OB wegen Krankheit verhindert

Und auch für die SPD-Landesvorsitzende Leni Breymaier ist die Prostitution ein Leidenschaftsthema. Der SPD-Ortsvereinsvorsitzende Nicola Schurr hatte die Genossin als Wahlkampfunterstützung für den Bundestagskandidaten Jens Löw am Mittwoch nach Villingen-Schwenningen geholt und damit an einen Ort, wo ihr Herzensthema auf den Nägeln brennt. "In Frankreich und der Schweiz wird massiv für Angebote hier geworben", beklagte Löw im Gewölbekeller des Abt-Gaisser-Hauses vor rund 30 Zuhörern. "Niedrige Preise, alles möglich, genau das wird im Internet beworben." Eine zweifelhafte Werbung – "wenn ich eingebe ›Gewinnerregion‹ habe ich mit Sicherheit keine französische Seite mit so vielen Details", so Löw weiter. "Das zeigt, wofür Villingen-Schwenningen in diesen Kreisen steht." Dagegen müsse man etwas tun. Oberbürgermeister Rupert Kubon, der ebenfalls auf dem Podium hätte Platz nehmen sollen, konnte dazu nicht Stellung nehmen, er war kurzfristig wegen Krankheit verhindert.

Ein Verbot würde helfen, ist sich Leni Breymaier sicher. Das verabschiedete Prostituiertenschutzgesetz aber sei "definitiv keine Hilfe". Weder eine Altersgrenze sei darin verankert, noch ein Weg zu einer ordentlichen Krankenversicherung, immerhin aber die Kondompflicht. Selbst dass die Prostituierten ihre Tätigkeit anmelden müssen ändere an einem nichts: 85 bis 95 Prozent der Prostituierten seien, so Breymaier, Zwangs- und Arbeitsprostituierte – also Opfer wie jene, die vor wenigen Jahren bei Großrazzien in VS in den Bordellen gefunden wurden.

Der Rotlichtkönig Almir Culum, genannt Boki, hatte sich der Justiz damals zwar entziehen können, er soll nun bekanntlich in Bosnien leben, im Hintergrund aber immer noch hiesige Strippen ziehen. "Das, was hier gewesen ist, als man überall gesucht hat, das wurde ja alles wieder neu aufgebaut", sagte Schäfer im Podium. 60 bis 80 Frauen schafften derzeit in Villingen-Schwenningen "offiziell" unter der Woche an, "am Wochenende entsprechend mehr". Über die Hälfte seien Frauen aus Rumänien. Dass eine von ihnen sich freiwillig verkauft, "habe ich noch nicht erlebt".

Eine Frage des Preises ist die käufliche Liebe offenbar längst nicht mehr, so Breymaier. Im Gegenteil: Einmal Verkehr in allen Öffnungen für 30 Euro, "es geht sogar billiger", Flatrates und Hochschwangerensex seien Alltag im Milieu. Der Preisverfall sei riesig. Für ihr Zimmer müssten die Frauen etwa 150 Euro löhnen, also fünf Freier bedienen, "und nichts gegessen". Für Zuhälter aber gehe es "um richtig viel Geld". Sie rechnet vor: "Ein Zimmer für 150 Euro am Tag, zehn Zimmer für 45 000 Euro im Monat." Gesetzlich ist in Deutschland alles wunderbar geregelt? Die Landesvorsitzende lacht bitter: "Die Wahrheit ist: Wir haben in Deutschland keine 50 Frauen, die als Prostitutierte gemeldet sind."