Kendrion Geschäftführer Bernd Gundelsweiler hat bei Kendrion das Projekt Industrie 4.0 angepackt, jede Firma muss dafür jedoch individuelle Lösungen finden. Foto: Schwarzwälder-Bote

Industrie 4.0: Es gibt keine Pauschallösungen für Unternehmen / IT-Abteilung muss gut ausgestattet sein

Industrie 4.0 – ein Schlagwort, das beschäftigt. Darunter versteht man die Optimierung von Produktionsabläufen durch Digitalisierung, um Kosten einzusparen. Viele Firmenchefs wissen jedoch nicht ganz genau, wie sie es anpacken sollen, welche Vorteile es bringt und welche Gefahren lauern.

VS-Villingen. Kendrion in Villingen befindet sich mittendrin in diesem Entwicklungssprozess. "Industrie 4.0 muss kaufmännisch durchdacht und sinnvoll vernetzt sein", sagt Bernd Gundelsweiler, Geschäftsführer der Kendrion GmbH in Villingen, und: "Jeder muss es für sich selbst übersetzen." Ziel bei Kendrion ist es, die Produktivität und die Qualität zu steigern. In der Entwicklung, die bei den Villingern unter dem Schlagwort Industrie 4.0 stattfindet, werden viele Daten erhoben, doch im Gespräch mit dem Geschäftsführer wird klar: Bei Kendrion werden Daten nicht erfasst, nur weil man sie erfassen kann. Sie werden gefiltert, ausgewertet und verarbeitet, denn nicht alles was erfasst wird oder werden kann ist zielführend.

Es gäbe Angebote von Beratungsfirmen, die Industrie 4.0 Kits für wenige tausend Euro anbieten und dabei erhebliche Produktivitätssteigerungen versprechen. "Eigentlich müsste da jeder Firmenchef zugreifen", so Bernd Gundelsweiler, "aber das ist unrealistisch." Alles was unter dem Schlagwort läuft, trägt dazu bei, die Produktivität zu steigern und die Qualität zu verbessern, jedoch im normalen Rahmen. Hinzu kommt, dass mit den jetzigen Maßnahmen die Grundsteine für die Unternehmensentwicklung in den nächsten Jahren, vielleicht sogar Jahrzehnten gelegt wird, das wird um so klarer, wenn der Kendrion Geschäftsführer über Industrie 4.0 in seinem Unternehmen erzählt. Zu Beginn bestand eine Verunsicherung zu dem Thema Industrie 4.0 und es musste ein Startpunkt gefunden werden.

Prozesse optimiert

Vor allem in den vergangenen drei Jahren wurde intensiv an der Optimierung von Prozessen und Abläufen gearbeitet. Bei Kendrion investiert man vor allem in den Produktions- und Beschaffungsablauf, beide sind untrennbar miteinander verbunden, denn ohne Rohmaterial keine Produktion.

So bekamen die Zulieferer alle eine Onlineverbindung zur Abfrage des Lagerbestand. Bei entsprechend niedriger Menge wird automatisch die Nachlieferung initiiert. Diese Optimierung führt zu einer Reduzierung des Umlaufbestands, es ist somit weniger Kapital gebunden. Dieses freie Geld kann für Neuentwicklungen und weiteres Wachstum eingesetzt werden.

Im Produktionsablauf wird Rohmaterial aus dem Lager an die entsprechenden Produktionsmaschinen gebracht – im Moment noch von Hand, bald fahren im Kendrionlager in Villingen mannlose Flurförderfahrzeuge – ebenfalls eine Auswirkung von Industrie 4.0.

Die Einzelkomponenten werden zu Unterbaugruppen und dann zu fertigen Elektromagneten verarbeitet. Aufgrund der Verpflichtung, dass die Endprodukte rückverfolgbar sein müssen, bekommt ein fertiges Bauteil eine Kennzeichnung mit einem Data-Matrix-Code, der die teilespezifischen Eigenschaften beinhaltet. Wird über dieses Label gescannt, sind die Informationen über jede einzelne Komponente lesbar, die in diesem Bauteil verarbeitet sind. Geht das Bauteil zum Kunden, wird es dort meist in eine weitere, größere Baugruppe eingebaut – diese bekommt wieder eine erweiterte Kennzeichnung, die neben den Kendrion Daten die weiteren Folgebaugruppendaten beinhaltet. Dabei wird das Datenpaket immer größer. Gesammelt werden diese Daten in einer Datenbank auf einem Zentralrechner. Die eingehenden Daten werden auf ihre Relevanz gefiltert und die Nutzer können sie dort, wo es sinnvoll und notwendig ist, abrufen.

Ein weiterer Punkt bei Kendrion ist das Energiemanagement. Dabei werden die Maschinen der Produktion und die Prüfsysteme überwacht. So kann beispielsweise verändertes Energieverbrauchsverhalten auf anstehende Maschinenreparaturen hindeuten und eine vorbeugende Wartung herbeiführen. Am Standort gibt es zudem zwei Blockheizkraftwerke. Auch diese sind im Energiemanagement eingeschlossen. Die Energie werde genau dann erzeugt, wenn sie für die Produktion erforderlich ist, so Gundelsweiler. Mit der bei der Stromproduktion entstehenden Wärme wird die Klimatechnik bedient.

Wappnen gegen Attacken

"Wo Chancen sind, bestehen auch Risiken", ist sich der Geschäftsführer bewusst. Eines der größten Risiken, gegen die sich die Firma schützen muss, sind Cyberattacken auf das Firmennetzwerk. Die firmeneigene IT-Abteilung sei jedoch hier gut aufgestellt und im Rahmen des Machbaren gerüstet. Doch zeigt sich Bernd Gundelsweiler überzeugt, dass viele Mittelständler hier noch nicht weit genug seien.

Kürzlich hatte man das Innovationsnetzwerk Schwarzwald-Baar zu einem Symposium im Haus. Hier sieht es der Kendrion-Geschäftsführer als notwendig an, dass man sich gegenseitig austausche. Im Hause Kendrion ist sich die Führungsmannschaft jedoch in einem einig: Man muss sich beim Projekt Industrie 4.0 fokussieren und darf nicht zuviel auf einmal machen wollen.