Uwe Spille und Karin Pittner brillieren in dem Stück "Dementieren zwecklos" gegen das große Vergessen. Foto: Heinig Foto: Schwarzwälder-Bote

Karin Pittner und Uwe Spille brillieren in der szenischen Darstellung "Dementieren zwecklos"

Von Birgit Heinig

VS-Schwenningen. "Dementieren zwecklos" – wer die Diagnose "Alzheimer" bekommt, dem bleiben nur zwei Möglichkeiten: entweder zu verzweifeln oder das Leben so zu gestalten, wie es Heinz und Irene schaffen.

Karin Pittner und Uwe Spille zeigen in ihrem szenischen Theaterstück, wie das gehen könnte. Die beiden Schauspieler des Brennpunkttheaters spielten im Schwenninger Bürgerheim und rührten ihr Publikum zu Tränen – vor Lachen und Weinen.

"Wen trifft es als nächsten?" Jeder Dritte 65-Jährige kann statistisch gesehen eine vaskuläre Demenz bekommen. Mit einer Mischung aus Spielszenen und dokumentarischen Moderationen führten Pittner und Spille in unterschiedlichen Rollen ihre Zuschauer behutsam in die Unabänderlichkeit des "großen Vergessens". Ist das überhaupt eine Krankheit? Ist es der Preis für hohes Alter oder eher ein soziales Konstrukt? 1,7 Prozent der Deutschen, das sind 60 000 Menschen, leiden an der vaskulären Demenz, die nach Alois Alzheimer benannt wurde. Der Psychiater beschrieb 1906 nach dem Tod der verwirrten 51-jährigen Auguste Deter deren dramatisch verändertes Gehirn. Intelligenz scheint davor nicht zu schützen, wie prominente Beispiele beweisen. Studien sagen, dass ein religiöses, spirituelles oder philosophisches Grundverständnis aber dafür sorgen kann, besser damit zurechtzukommen.

"Ich doch nicht" – Irene reagiert nach der Diagnose ihres Arztes, wie viele andere es auch tun würden. Gerade hat sie als Zehnjährige noch mit ihrem Vater über die Oma gesprochen, die so "komische Dinge" tut. Trotzdem ist die 80-Jährige noch topfit im Sockenstopfen. Inzwischen hat Irene Heinz an ihrer Seite und ist 66 Jahre alt. In einer psychiatrischen Institutsambulanz – "da gibt es in Deutschland nur zehn, und wir haben eine", moderiert Karin Pittner – hat sie sich dem "Minimentalstatustest" unterzogen und erfahren, dass unbemerkte Schlaganfälle ihr Gehirn verändert haben.

Die Demenz schreitet bei Irene fort, doch Heinz geht liebe- und verständnisvoll damit um. "Ich hab’s schon wieder vergessen" – die verzweifelte Irene macht er wieder zu einer glücklichen, indem er mit ihr einen Beatlessong aus ihrer Jugendzeit singt. Den kann sie auswendig. Medikamente, die für das Unheilbare was auch immer bringen sollen, verträgt Irene nicht und setzt sie ab. Das Paar zieht mit der Familie seines Sohnes in ein Mehrgenerationenhaus. Dort kann Heinz seine Irene stundenweise von Nachbarn betreuen lassen, um wieder Kraft für sie zu sammeln. Der Sohn plädiert im Interview für diese Wohnform: Sieben Parteien, eine Gästewohnung – "die Baugenossenschaft ist eingestiegen".

Schließlich lernt Heinz eine andere Frau kennen, mit der er Freizeit verbringt und seine Bedürfnisse befriedigt, verlässt Irene aber nicht. Das Geschwätz der Leute überhören alle drei. Ihre Beziehung ist für jeden von ihnen ein menschlicher Gewinn. "Ich bin so froh, dass ich bei dir vergessen darf", sagt Irene. Und Heinz sagt: "Ich habe Glück mit ihr."

Als "Utopia" bezeichnen Pittner und Spille das Land ihres Stückes. Doch Peter Graf zu Dohna vom Arbeitskreis Demenz, der das Stück in Auftrag gab, äußerte am Schluss die Hoffnung, dass es vielen Menschen helfen möge, eine Haltung zur Demenz zu entwickeln, die das Leben auch mit demenziellen Angehörigen lebenswert machen.