Traute sich zu Beginn des Abends kaum jemand, zu den flotten Rhythmen der Trommlergruppe "Afringen", eine Kurzform für Afrika und Villingen-Schwenningen, auf die Tanzfläche, so saß am Ende der Veranstaltung kein Schüler mehr auf seinem Stuhl. Foto: Hennings Foto: Schwarzwälder-Bote

Bildung: Zehntklässler der Realschule am Deutenberg veranstalten Themenabend / Eritreer stellt sich Fragen

Von Andreas Hennings

Die reine Theorie zum Flüchtlingsthema war den Realschülern der Klasse 10b des Schulverbunds Deutenberg nicht genug. Sie haben auf eigene Initiative einen umfassenden Themenabend auf die Beine gestellt – und Flüchtlinge mit eingeladen.

VS-Schwenningen. So schildert Biniam, ein junger Mann aus Eritrea, den Schülern, Lehrern sowie Eltern in der Mensa die Situation in seinem Heimatland und seine dramatische Flucht. Weil er als Christ verfolgt wird, hatte er sich entschlossen, nach Europa aufzubrechen. Zu Fuß und mit dem Auto kämpfte er sich durch Äthiopien, den Sudan mit der tags so heißen und nachts so kalten Sahara sowie Libyen – wo er als Christ ebenfalls Verachtung erfuhr. Der studierte Agrarwirt erzählt, wie Menschen in Betonmischer geworfen werden und dass es täglich viele Tote gebe.

Jugendliche backen gemeinsam mit Flüchtlingskindern

Über das Mittelmeer in Italien angekommen, war er auch hier nicht willkommen: Flüchtlingen, so berichtet er, werden Knochen gebrochen, damit sie Fingerabdrücke abgeben. Biniam bekam einen Schlag aufs Ohr. Als er im März 2014 Deutschland erreichte, er aber bald darauf nach Italien zurückkehren soll, kann dies mithilfe eines Rechtsanwalts und der Organisation Refugio verhindert werden. Inzwischen hat Biniam Asyl für drei Jahre erhalten, er paukt die deutsche Sprache und absolvierte in Schwenningen ein dreimonatiges Praktikum als Altenpfleger. "Und jetzt ist Weihnachten 2015, und ich darf hier sein. Ich bin sehr glücklich", so der Eritreer, der für diese Worte lautstarken Applaus erhielt – auch als Zuspruch, hier willkommen zu sein.

Berichte wie diese waren es, die das Publikum und auch die Schüler selbst nachdenklich machten. Die Zehntklässler hatten sich zwei Monate lang intensiv mit dem Thema Flüchtlinge auseinandergesetzt: sich dazu bei Passanten umgehört, einen Film in den Vorbereitungsklassen der Schule gedreht, mit 14 Flüchtlingskindern gebacken und einen Eritreer namens Haben besucht, der auf seiner Flucht sieben Monate lang ins Gefängnis musste, inzwischen in Schwenningen lebt und wohl bald eine Ausbildung zum Zimmermann beginnt.

"Dieser Abend ist natürlich etwas anderes, als wenn ich im Unterricht über das Dublin-Abkommen spreche", lobte Lehrer Arnim Emmert, dessen 28 Schüler auch darüber aufklärten, welche Fluchtursachen es gibt, welche Stationen Flüchtlinge in Baden-Württemberg durchlaufen, bis sie möglicherweise Asyl erhalten, oder was eine Duldung ist.

Der Themenabend bildete den Abschluss eines Projekts, mit dem die Jugendlichen an einem Wettbewerb des Kultusministeriums zum Thema Kulturvielfalt teilnehmen und bei dem sie Geld für die Klassenkasse oder eine Klassenfahrt gewinnen können. Ob das klappt oder nicht, wird sich erst zeigen. Der größte Gewinn für die Schüler selbst, so eine Erkenntnis dieses Abends, dürfte aber sowieso das Projekt an sich gewesen sein. Arnim Emmert: "Es hat sich gezeigt, dass die Schüler, die direkt mit Flüchtlingen zu tun hatten, jetzt ein ganz anderes Bild von ihnen und auch eine andere Meinung zu den vielen Vor- urteilen haben."