Mit viel Liebe zur historischen Baustubstanz sanierte Andreas Flöß das Kulturdenkmal. Foto: Spitz

Gebäude in Bickenstraße 5 ist 2,80 Meter breit, 21 Meter lang und hat unendlich viel Geschichte.

VS-Villingen - Das schmalste Haus der Villinger Innenstadt, das Gebäude in der Bickenstraße 5, wurde saniert. Nur 2,80 Meter Breite an der schmalsten Stelle, 21 Meter Länge – in dem Haus, das Villinger Baugeschichte erzählt, steckten gewaltige Herausforderungen für den Architekten Andreas Flöß.

Er nahm sie gerne an. Andreas Flöß kaufte das Haus 2011, 2012 startete eine nunmehr fünfjährige Bauphase in dem denkmalgeschützten Gebäude, das im Kern aus dem 13. Jahrhundert stammt. Jetzt wurde die Sanierung vollendet. Am kommenden Samstag, 29. April, öffnet Flöß für alle interessierten zur Besichtigung die Tür des schmalen Häuschens.

Nach "Häuschen" jedoch sieht innen nichts mehr aus. Über sechs Stockwerke bis zur Lichtdurchfluteten Galerie unter dem Dach erstrecken sich sage und schreibe 280 Quadratmeter Wohn- oder Gewerbefläche über dem kleinen Blumenladen im Erdgeschoss – je nachdem, welche Nutzung das Kleinod finden wird. Wer hier einmal lebt, erlebt Villinger Baugeschichte. Seine Liebe zur Architektur und der Villinger Innenstadt gab den Anstoß dafür, dass Flöß das Gebäude gemeinsam mit dem Bauforscher Burghard Lohrum unter die Lupe genommen hat. Und mit beinahe jedem Zentimeter, den die Sanierung voranschritt, folgten neue Erkenntnisse.

Gipskarton und Rauhfaser, Retrotapeten und alte Teppiche wurden entfernt. Schicht für Schicht lüftete das Kulturdenkmal in seinen 80 Zentimeter dicken Innenmauern neue Geheimnisse. Hier eine Wandnische, in die eine kleine metallene Schublade mit Schloss eingelassen ist – vielleicht lagerte hier vor vielen Jahren einmal ein Bewohner seine Reichtümer? Dort hübsche Vertäfelungen in der Brüstung und da ein Holzboden aus wunderschönen Dielen von ganz unterschiedlicher Breite. Und zur Krönung hoch oben, im fünften Geschoss, ragt aus der Stein-wand sogar der rote Giebel des ersten Hauses hervor, das es einmal gewesen ist.

Unzählige, winzige Details wie diese geben immer wieder Aufschluss, nicht nur über die Entstehung dieses Hauses, wie es im Laufe der Epochen Stück für Stück gewachsen ist und wohl um 1706 einmal gebrannt hat, sondern auch über Villinger Baugeschichte. Da lassen der beim Bau verwendete Buntsandstein oder ein Laubengang im Innenhof Rückschlüsse auf die Stadtmauer zu oder verrät der fehlende eingetiefte Keller, wie hoch der Grundwasserspiegel in der Villinger Innenstadt doch ansteht.

Das Holz der alten, freigelegten Treppenstufen knarrt zwar nicht mehr, aber es erzählt auch so ganz viel. Es ist von Hand behauen, nicht gesägt, und dürfte etwa aus dem 18. Jahrhundert, einer Zeit vor der maschinellen Bearbeitung solcher Bauelemente, liegen.

Mit mindestens ebenso viel Fingerspitzengefühl musste saniert werden. "Als Architekt kannst Du Dich hier nicht austoben, Du musst nehmen, was Dir das Haus bietet – und es bietet so viel", schwärmt der Architekt und deutet auf eine weitere Besonderheit: die mit einer Rottweiler Holzmanufaktur in kleiner Serie restaurierten 140 Jahre alten Fenster mit den kleinen Lüftungsflügeln und den so schlanken Profilen. An einigen Ecken und Kanten ist der Lack ab – aber nein, er ist nicht ab, hier ist er nie gewesen, hier darf er gar nicht sein, denn nur so, dank dieses "denkmalbedingten Mehraufwandes", wie es fachmännisch heißt, ist nachvollziehbar, wie kunstvoll das Fenster geschaffen ist.

Sein Wissen teilt Flöß mit den Besuchern in jedem Geschoss. Überall hängen Tafeln mit Bildern und Infos zur Historie des Gebäudes, das einmal ein "Resteladen" gewesen ist. Dank ihnen darf der Besucher die fünfjährige Sanierung nacherleben – er sieht den Rohzustand, blickt in die Sondage, ein viereckiges Loch in der Decke eines Raumes, gebohrt, um Aufschluss über das zu geben, was darüber liegt und er verfolgt auf Bildern die Probebohrungen ins Gebälk des Dachstuhls, die verraten, dass das verwendete Fichtenholz wohl aus den Jahren 1705 und 1706 stammt – eine Reise in die Vergangenheit über sechs Geschosse.

Weitere Informationen: Tag der offenen Tür, Bickenstraße 5 in Villingen am Samstag, 29. April, 8 bis 15 Uhr.