Kultur: LTT Tübingen bringt den Sandmann in Villingen auf die Bühne

VS-Villingen. "Der Sandmann" von E. T. A. Hoffmann wurde im Theater am Ring aufgeführt. Es bot mehr als Jugendtheater – schade, dass es nur von wenigen Schulklassen besucht war.

Schreckliche Kindheitserinnerungen plagen den Studenten Nathanael: Immer wieder zog sich der Vater mit dem geheimnisvollen Coppelius zurück, um mit ihm zu experimentieren. Dieser Partner, als Sandmann bezeichnet, drohte, dem Jungen die Augen zu rauben. Bei einer Explosion kam der Vater ums Leben, und dann war der geheimnisvolle Coppelius verschwunden. Vergeblich versucht Nathanael, im Briefwechsel mit seiner geliebten Verloben Clara und im Gespräch mit seinem Freund Siegmund die Erinnerungen loszuwerden.

Jetzt, Jahre später, erschreckt ihn der italienische Optiker Coppola – wie ähnlich sieht seine dämonische Gestalt dem früheren Coppelius! Er verkauft Nathanael ein Fernrohr, und darin erblickt der die schöne Tochter seines Physik-Professors Spalanzani, ist gefesselt vom Anblick des seltsam starren Mädchens, das stets nur sprachlos am Fenster sitzt. Vergessen ist seine Clara, er erklärt Olimpia seine Liebe, will sie heiraten. Sie antwortet "Ja; ich liebe dich!" Da kommt Coppola im Streit mit Spalanzani: Er machte die Augen der Puppe, sie gehört ihm, er trägt sie davon. Nathanael verfällt in Wahnsinn, wird in eine psychiatrische Klinik gebracht. Nach langer Krankheit scheinbar genesen, geht er mit Freund Siegmund und Clara durch die Stadt, steigt auf einen Aussichtsturm. Dort schaut er durchs Fernglas – das Glas, das er von Coppola erhielt. Ein Blick dadurch zeigt ihm Olimpia – er erleidet einen neuen Wahnanfall, will Clara vom Turm stürzen. Mit Mühe kann Siegmund, der in letzter Sekunde dazukommt, Clara retten. Nathanael stürzt sich in den Abgrund.

Dem LTT Tübingen und der Regie von Michael Miensopust gelang es, das Schauermärchen "Der Sandmann" überzeugend auf die Bühne zu bringen. Gelungen das Bühnenbild, desen Wände Holzpaneelen zu sein scheinen und doch durchlässig sind für Gestalten der Erinnerung und des "normalen" Lebens.

Der schmächtige Henry Braun spielt sehr lebendig den Nathanael, hört Stimmen, sieht seine Eltern, seinen Freund und seine Verlobte durch die Wände seines Zimmers treten, er erleidet Tobsuchtsanfälle; wenn er eben noch seine Clara liebkoste, kann er sie im nächsten Augenblick brutal von sich stoßen.

Furchteinflößend der übergroße Rupert Hausner als Sandmann-Gespenst Coppola mit Sonnenbrille; Hausner spielt auch den Spalanzani, spricht etliche Passagen italienisch. Siegmund (Andreas Laufer) und Clara (Angelina Berger) verkörpern normale vernünftige Menschen, die zu retten versuchen, aber machtlos sind gegenüber der dämonischen Schizophrenie. Phantastisch immer wieder die Wirkung der Schatten.

Im Abspann sitzen Siegmund und Clara traulich vereint im bürgerlichen Idyll – für sie kann es keine wahnhaften Dämonen geben. Doch aus dem Hintergrund ertönt als Gegenbeweis schauerlich das Hohngelächter Coppolas.