Thorsten Portele gibt als Dirigent donnerstags in Villingen den Ton an: Zunächst  beim Frauenchor "Just for Femmes" des Sängerkreises und zwei Stunden später  beim Männerchor 1887. Foto: Wider Foto: Schwarzwälder-Bote

Angehender Lehrer: "Singen ist mein Steckenpferd"

VS-Villingen (vh). Gibt es eine Renaissance des Singens? Zu dieser Frage hat Thorsten Portele seine Zulassungsarbeit an der Musikhochschule Trossingen geschrieben. Er wertet die vielen Kinder- und Schulchöre, die sich landauf landab bilden, als positives Zeichen. Und sagt über sich: "Singen ist mein Steckenpferd."

Zunächst hatte der 27-Jährige überlegt, nach dem Studium der Schulmusik noch  ein Jazz- und Pop-Aufbaustudium draufzusetzen. Inzwischen studiert Portele, der aus Karlsruhe stammt, in Freiburg Mathematik. Er will Lehrer werden. In VS gibt er den Takt für die Wiedergeburt des gemeinsamen Singens vor. Im Mai 2014 hat er die Leitung des neu gegründeten Frauenchors "Just for Femmes" beim Männergesangverein Sängerkreis Villingen übernommen. In diesem Kreis mit Frauen zwischen 32 und 72 Jahren haben sich genau die Jahrgänge gefunden, die den  etablierten Sängerchören mit einem Durchschnittsalter von 70 plus fehlen.

Nach einer zweiten Werbeaktion besuchen seit Dezember rund 30 Frauen, zum Teil mit Chorerfahrung, die Proben. Portele studiert mit ihnen donnerstags ab 18 Uhr im Fidelisheim Lieder für ein Latin-Projekt ein. Bereits seit Oktober 2012 dirigiert Portele den 1887 gegründeten Männerchor Villingen, der mit seinen 60 Sängern bei Konzerten mit dem 1895 entstandenen Sängerkreis und dessen derzeit 38 Aktiven  kooperiert.

"Man kann in jedem Alter mit dem Singen anfangen, auch wenn man vorher noch nie gesungen hat", sagt Portele. Man müsse natürlich üben. Das Singen auszuprobieren und zu schauen, was innerhalb eines halben Jahres passiert, ist  nach Ansicht des Dirigenten ein   "ehrgeiziges Projekt". Nicht allein aus diesem Grund und im wahrsten Sinne des Wortes bringt er den Frauenchor immer wieder ins Staunen. Dann rollt der dunkelhaarige Tenor und Zwei-Tage-Bartträger mit den Augen, reißt sie weit auf und lässt die Frauen ein "Oh" in mehreren Tonstufen nachformen. Er fordert sie Zum-auf-der-Stelle-treten auf, lässt sie hecheln, so dass sich manche an den Geburtsvorgang ihrer Kinder erinnern. Da schieben schon mal die  gleichzeitig tätigen Bühnenbildmaler für die Fasnet im Fidelisheim neugierig den Vorhang zur Seite.

Locker machen  gehört  dazu. "Singen hat sehr viel mit Persönlichkeit zu tun", ist Portele überzeugt. Er meint, wer sich überwindet, vor anderen Leuten zu singen, steigere sein Selbstbewusstsein. Je besser man seine eigene Stimme kennenlerne, desto besser lerne man sich selbst kennen, "weil Stimme viel mit Persönlichkeit zu tun hat". Wer ständig unter Stress stehe, bekomme stimmlich Probleme. Wer sehr entspannt sei, müsse dagegen Übungen machen, die körperlich aktivieren. Er selbst singe nahezu täglich, nicht unter der Dusche, aber durchaus im Auto. Das sei zwar nicht optimal, weil man abgelenkt sei.

Klassische Musik nennt er  als Lieblingsmusik, besonders das deutsche Liedgut aus dem 19. Jahrhundert. Gesangsunterricht hat er selbst erst zwei Jahre vor Aufnahme seines Studiums gehabt, brachte aber durch Cello spielen ab sechs Jahren, Klavier ab 18, zusammen mit Chorerfahrung einiges mit. Portele stammt aus einer musikalischen Familie, der Vater spielt Geige und Orgel, sein Bruder ist Dirigent eines Kirchenchores.

Mentalitätsunterschiede zwischen Chören im Raum Spaichingen und VS will er nicht festgestellt haben. Ganz klar benennt er jedoch, dass Frauen "sich viel mehr Sorgen machen". Der Männerchor vertraue ihm. Das Projekt verlaufe so, wie er es sage. Da komme  niemand mit einer Frage auf ihn zu. "Die überlassen das mir, und das funktioniert auch ganz gut." Nun sei das ein eingespielter Chor, räumt Portele auf Nachfrage ein, aber auch in Spaichingen seien die Frauen skeptischer gewesen als die Männer.  Vielleicht seien sie "perfektionistischer oder engagierter", sucht Portele nach einer Erklärung.  Dennoch gibt zweifelsohne er  beim Latin-Projekt "Un poquito cantas" (Ein paar Lieder) mit Aufführungstermin am Samstag, 18. April, im Fidelisheim den Ton an. Bis dahin  kann er noch einiges bewirken, damit am Ende die Frauen ihn und die Besucher zum Staunen bringen.