Mit einfachen Griffen sind erste Posen möglich. Foto: Müller Foto: Schwarzwälder Bote

Die heiße Trendsportart ist ein ganzheitliches Körpertraining

von Anna Hahnel

Durch den Hype auf Internetplattformen bin ich vor ein paar Monaten auf die Trendsportart "Pole Dance" gestoßen. Der Tanz an der Stange hat mich sehr angesprochen, da er ästhetisch und elegant wirkt und die Tänzer zudem ein hohes Selbstbewusstsein ausstrahlen. Hier war für mich klar – das will ich auch. Natürlich sehen die Figuren besonders sexy aus, gerade dann, wenn die Tänzerinnen knappe Kleidung tragen, doch deshalb muss man den Sport noch lange nicht mit Striptease in einen Topf werfen – das ist meine Meinung.

Pole Dance ist noch nicht gänzlich als Sport akzeptiert, gewinne in Deutschland jedoch immer mehr an Popularität, gerade durch Shows, wie beispielsweise "Deutschland sucht das Supertalent", sagt Cynthia Bull, eine der Inhaberinnen des Gymdance in Villingen. Auf meine Frage, wie sie dazu stehe, dass Pole Dance in den Köpfen vieler Leute häufig mit Striptease und nackt sein’ verbunden werde, äußert sich Cynthia insofern, dass Striptease "Go-Go Dancing" sei. Pole Dance hingegen sei etwas ganz anderes, das man damit nicht vergleichen könne. Man müsse die Sportart ausprobieren, um zu erkennen was für ein enormes Fitnessworkout dieses Training an der vertikalen Stange sei.

Ich persönlich kann mir vorstellen, dass die Vorurteile auch gerade wegen der knappen Kleidung der Tänzer entstehen. Zu Beginn der Stunden würden die Mädels immer lange Kleidung tragen, je länger sie aber trainierten, desto weniger Kleidung werde es, dies gehe bis hin zum Bikini. Kurze Kleidung sei vor allem wegen des besseren Haltes bevorzugt, erklärt Susanne, die Trainerin des Kurses.

Was ist Pole Dance überhaupt? Pole Dance sei Leidenschaft! – Love it or leave it! Der Tanz an der Stange sei viel mehr als manche Vorurteile vermuten lassen und gelte als absolutes powervolles, umfassendes Ganzkörper-Workout das laut Cynthia Spaß mache. Das Training verbessere die Körperhaltung, stärke die Muskulatur und Beweglichkeit, außerdem wirke der Tanz stark auf den Geist, das eigene Auftreten und stärke Selbstvertrauen wie auch Selbstbewusstsein. Pole Dance lässt sich frei mit "Stangentanz" übersetzen. Der Name verrät schon, worum es hierbei geht – an einer Stange werden Figuren und Bewegungen ausgeführt. Voraussetzungen benötige man hierfür keine, vorteilhaft wäre natürlich eine Portion Fitness und eine tänzerische Ader. Der Tanz sei aber für Jedermann geeignet, ob Jung oder Alt, Mann oder Frau, für jeden seien diese Übungen machbar, so Cynthia. Sie selbst habe in ihrem Kurs auch zwei Jungs, die den Tanz sogar in hohen Schuhen beherrschen würden. Es gibt also kaum Grenzen. Neben dem ersten Tanzstudio in Niedereschach gründeten die beiden Schwestern Cynthia und Nina Bull der Kapazitäten wegen im Januar 2017 das neue Studio in der Vockenhauser Straße in Villingen und bieten zusammen mit den Trainerinnen Susanne Hoffmann und Giovanna Laufer Pole-Kurse an.

Die ersten Eindrücke Vor Beginn des Kurses bin ich mir durchaus bewusst, dass ich Schwierigkeiten beim Tanz an der Stange haben werde. In vielen Videos, die ich im Vorfeld angeschaut habe, ist schnell erkennbar, dass die Tänzer sehr viel Kraft und Körperspannung benötigen. Trotz alledem bin ich bis kurz vorher der Meinung, dass ich das schon schaffen werde. Wenige Stunden vor dem Kurs bin ich sehr nervös. Das legt sich jedoch bei Ankunft im Studio. Der Tanzraum ist mit sieben glänzenden Edelstahlstangen ausgestattet, für die richtige Atmosphäre sind passende Leuchten installiert, die an eine Art Discolampe erinnern. An einer Wand hängt ein Spiegel, der sich über mehrere Meter erstreckt. Ich fühle mich bei der Trainerin und den anderen Teilnehmerinnen gleich wohl. Man wird freundlich begrüßt, zieht sich um, bespricht, was gemacht wird, und legt dann direkt los. Zum ersten Mal umgreife ich solch eine Stange und habe promt ein ungutes Gefühl. Sie wirkt sehr fremd auf mich, Respekt ihr gegenüber entsteht. Der Gedanke, dass ich das schon schaffen werde, verschwindet schnell. Dass sich die Stange noch dazu selbst dreht, also eine "Spinning Pole" ist, verunsichert mich zusätzlich. Jedoch sind bereits nach der ersten Übungsstunde Figuren machbar, und diese sehen tatsächlich gut aus – das habe ich selbst feststellen können. Die Basics, die bereits in Schnupperstunden geübt werden, sind die sogenannten "Spins" wie beispielsweise der "Feuerwehrmann", der "Chair", der "Back Hook", "Front Hook", "Basic Climb" und "Pole Seat".

Die Sicherheitsvorkehrungen Für den optimalen Halt wird die Stange vor der Nutzung mit einem Handtuch abgerieben. Zu Beginn ist die Stange sehr kalt, sie wärmt sich aber nach ein paar Übungen schnell auf. Beginnen die Hände zu schwitzen, wird die Stange mit einer alkoholhaltigen Flüssigkeit besprüht. Bei späteren, schwierigeren Übungen verwendet man für die Hände eine flüssige Gripmischung. Eine Matte werde für Übungen, die beispielsweise aus einem Kopfstand resultieren, benötigt, erklärt Susanne.

Die ersten Übungen In den 75 Minuten, in denen ich versuche, allmählich mit der Pole vertraut zu werden, lerne ich den sogenannten "Walk", ein Gang um die Stange, auf Zehenspitzen, möglichst sexy ausgeführt. Das klappt, sieht aber alles andere als sexy aus. Nach einer Umdrehung zeigt mir Susanne die zweite Übung, eine Variante der Spins. Hier versuche ich mit meinem äußeren Bein einen Zirkel zu ziehen, und während ich dies tue, gehe ich in die Hocke. Hört sich sehr einfach an, ist aber aufgrund der Spinning Pole mit etwas Mut verbunden. Den Zirkel schaffe ich ohne Probleme, doch es braucht einige Anläufe bis ich mich traue, in die Hocke zu gehen. Susanne erklärt, dass es sich hierbei um ganz einfache Physik handle. Je weiter ich mich mit meinem Körper von der Stange entferne, desto langsamer wird die Umdrehung. Umklammere ich die Stange enger, so wie ich das aus Angst mache, werde die Umdrehung schneller. Die dritte Übung ist der "Back Hook", also das "zurück haken" oder "rückwärts einhaken". Hierbei ziehe ich keinen Zirkel nach vorne, sondern nach hinten. Mit meiner inneren Hand umgreife ich die Pole auf Wangenhöhe, den äußeren Arm lasse ich lang oben an der Stange. Mein inneres Knie hake ich vorn an der Stange ein, lasse mich nach hinten fallen und ziehe meinen äußeren Fuß mit nach oben, so dass meine Beine hinten ein Dreieck bilden. Während der Übung lasse ich mich hinunter auf den Boden gleiten. – Auch eine Übung, bei der ich anfangs zu ängstlich bin, so dass diese erst nach vielen Anläufen machbar ist.

Beim Pole Dance werden viele Muskeln trainiert. Das konnte ich durch meinen Muskelkater am Tag darauf sehr deutlich spüren. Hauptsächlich schmerzten meine Arme. Aber auch meine Bauchmuskulatur machte sich bemerkbar. Der Tanz an der Stange trainiere besonders den Bizeps, Trizeps und die Bauchmuskulatur sowie den Trapezius (ein Muskel der oberen Wirbelsäule) und den Latissimus (der breite Rückenmuskel). Bei Kletterübungen werde natürlich auch die Beinmuskulatur beansprucht, erklärt Cynthia.

Im Internet findet man häufig die beiden Begriffe "Pole Dance" und "Pole Fitness". Die Inhaberin des Studios erklärt, dass bei ihnen in den Kursen hauptsächlich Pole Fitness betrieben werde. Dieses unterscheide sich vom reinen Pole Dance lediglich darin, dass der Tanz durch ein Workout ergänzt werde, also eine elegante Kombination aus Fitness und Tanz. Beim Pole Dance hingegen wird es bei einer Choreographie belassen.

Resultat des Selbsttests Dadurch, dass ich schon seit längerem mit dem Gedanken spiele, mich bei solch einem Kurs anzumelden und ich jetzt schon sehr viel Spaß und kleine Erfolge hatte, werde ich mir die Teilnahme als eines der Ziele für das neue Jahr setzen. Bereits die wenigen Übungen haben mir Selbstbewusstsein geschenkt, denn ich kann die Bilder von mir guten Gewissens auch in der Zeitung publizieren, da ich selbst finde, dass die Übungen sehr schön aussehen. Pole Dance macht Spaß, sieht unglaublich gut aus und trainiert den ganzen Oberkörper. Da aber auf Kraft in den Beinen keinesfalls verzichtet werden kann, fällt der Tanz in die Kategorie des ganzheitlichen Körpertrainings. Ich kann mir vorstellen, dass es weiterhin Menschen geben wird, die die Sportart oder die Tänzer belächeln. Ich jedoch weiß nun, dass dies völlig unbegründet ist.

C’est la vie – Eure Anna