Ingo Espenschied zieht das Publikum in seinen Bann. Fotos: Eich Foto: Schwarzwälder-Bote

story VS: Ingo Espenschied zieht mit Vortrag und Podiumsdiskussion in den Bann

Von Cornelia Spitz

Villingen-Schwenningen. Mit seiner Vortragsreihe story VS entführte der Medienprofessor Michael Hoyer die Besucher schon um die ganze Welt. Doch gestern Abend betrat er Neuland – mit Deutschland, genauer: mit einer Multivisionsshow zum Thema "25 Jahre Deutsche Einheit, Deutschland in Europa". Nachmittags für 160 Schüler des Leistungskurses Geschichte am Romäusring-Gymnasium, abends für das Publikum von story VS.

Noch nie gab es ein politisches Thema, das bei story VS in einem audiovisuellen Vortrag aufbereitet wurde. Dass die Neue Tonhalle nicht ausverkauft war, wie es bei der Eventreihe gewöhnlich der Fall ist, war sicher dieser Premiere und dem augenscheinlich eher unspektakulären Thema geschuldet. Aber es geschah völlig zu unrecht: Die Veranstaltung hätte ein volles Haus verdient. Jene, die gekommen waren, bestätigten das in einem lang anhaltenden Beifall.

Dieser galt allen voran dem Politologen und Referenten Ingo Espenschied. Er verstand es wie kein anderer, die deutsch-deutsche Geschichte packend zu erzählen. Plötzlich war sie wieder da. Die Berliner Mauer. 43,1 Kilometer lang zwischen Ost- und Westberlin. Teil der 167,8 Kilometer langen, schwer bewachten Grenzanlagen Richtung West-Berlin. Mitten auf Großleinwand in der Neuen Tonhalle. Und auch das rückblickende Entsetzen über die legendäre Lüge "Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten" aus dem Mund des DDR-Staatschefs Walter Ulbricht flammte im Publikum plötzlich wieder spürbar auf.

Geschickt verwob Espenschied unbeschreibliche Bilder aus der so jungen, aber für viele schon so fernen deutschen Geschichte mit Film- und Tonaufnahmen. Und um zu erläutern, wie es so weit hatte kommen können, nahm er das Publikum mit zurück in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Schließlich waren es die Siegermächte, die der deutschen Wiedervereinigung am Ende ihren Segen geben mussten. Und auch, dass dies bei weitem keine selbstverständliche, logische Schlussfolgerung nach dem Aufstand der DDR-Massen oder dem zuvor erfolgten Mauerfall war, machte Espenschied deutlich.

Mit ihm hatte Hoyer einen der gefragtesten Referenten für politische Themen in Deutschland gewonnen. Er wurde diesem Ruf einmal mehr gerecht. Eine Diskussionsrunde im Anschluss machte den Abend perfekt. Auf dem Podium: Oberbürgermeister Rupert Kubon, der Chefredakteur und Geschäftsführer der Schwarzwälder Bote Redaktionsgesellschaft Hans-Peter Schreijäg, die weltreisende Motorradjournalistin Ramona Schwarz und die Vorstandsvorsitzende des Freundeskreises Zittau Marianne Kriesche. Allesamt Zeitzeugen der Wiedervereinigung, "Ossis wie Wessis". Wie haben sie den Osten, den Westen oder die Wiedervereinigung erlebt? Ramona Schwarz, ursprünglich aus dem Osten, erinnerte sich beispielsweise noch gut an ihren Schulkameraden Robert, der gläubig war – im Osten, wo das verpönt war. Robert wurde von der Lehrerin nach vorne zitiert und sollte sagen: "Es gibt keinen Gott." Aber er sagte es nicht. "Das hat mich sehr beeindruckt", erinnerte sich Schwarz. Oder Marianne Kriesche, die als gebürtige Ostdeutsche nicht "linientreu" genug war, um mit ihrem sehr guten Abitur auch studieren zu dürfen – "ich war weder in der FDJ noch in der SED". Sie ging in den Westen, um zu studieren. Kubons Leben mit beruflichen Stationen im Osten wurde durch den Mauerfall "komplett verändert". Und Hans-Peter Schreijäg, hoffte 1988 als Teilnehmer einer Gruppe junger Studienreisenden in den Osten, dass sich die Klischees über den Osten dort nicht erfüllen würden. Doch: Das Einschüchterungsgebaren an der Grenze, die wenig gastfreundlichen Gaststätten, der Grauschleier über den Städten – das gab es dort ja tatsächlich.

Eines hingegen, was keiner von ihnen je für möglich gehalten hatte, trat schließlich ein: die Wiedervereinigung.

Eine Geschichtsstunde par excellence!