Gegenseitig bereits sehr gut kennengelernt haben sich (von links): Johanna Himmelsbach, Dative Nakabonye und Anne Ibl. Möglich macht den europäisch-afrikanischen Austausch das Programm BWS plus der Baden-Württemberg Stiftung. Foto: Trenkle Foto: Schwarzwälder-Bote

Kooperation: Start des Austausch-Projekts der Dualen Hochschule Schwenningen mit Hochschule in Ruanda

Schwenningen – Ruanda und umgekehrt: Beim europäisch-afrikanischen Austausch lernen teilnehmende Studenten das jeweilige Gastland und die Menschen dort kennen. Und, dass nicht alles so ist, wie es auf den ersten Blick scheint.

VS-Schwenningen. "Deutschland ist ein sehr schönes Land", meint Dative Nakabonye und lacht sympathisch. Im Rahmen des Kooperationsprojekts der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) mit dem "Protestant Institute of Arts and Social Science" (PIASS) weilt die ruandische Studentin mit ihren kunstvoll geflochtenen Haaren derzeit in Schwenningen.

Der Austausch mit dem Institut in Ruanda ist auf zwei Jahre angelegt. Es ist ein Projekt im Rahmen des Baden-Württemberg-Stipendiums für Studenten – BWS plus, ein Programm der Baden-Württemberg Stiftung. Unterstützt wird das Projekt mit einer Summe von 35 000 Euro.

"Die Menschen sind sehr offen und herzlich"

Johanna Himmelsbach und Anne Ibl, sie studieren Soziale Arbeit, waren im Rahmen des Projekts von Januar bis März in Ruanda. Ihr allererster Eindruck dort: Vieles geht chaotisch zu und Infrastruktur ist kaum vorhanden. Die weiteren Erfahrungen öffneten dann stark den Blick. "Die Menschen sind sehr offen und herzlich", sagt Himmelsbach. "Vieles, was zuerst völlig chaotisch erscheint, ist es dann letztlich doch nicht." Weitaus weniger Bürokratie und die gegenseitige Hilfsbereitschaft machen dort scheinbar Unmögliches möglich. "Bei uns regen sich viele bereits über Kleinigkeiten auf. Dort scheinen die Menschen das Leben mehr zu genießen", schildert Ibl.

"Ich ging erst einmal von einer Unterkunft mit 6-er Zimmern und Plumpsklo aus", erzählt die junge Frau mit Studienschwerpunkt Menschen mit Behinderung. Dem war aber nicht so: die Unterkunft sei durchaus komfortabel gewesen und die Menschen hätten sich um das Wohlbefinden ihrer Gäste bemüht. "Was mich unglaublich beeindruckte, war, dass so gut wie jeder der Menschen dort durch den Bürgerkrieg Schlimmstes erlebt hat und trotzdem eine unglaubliche Kraft vermittelt."

Johanna Himmelsbach, deren Studien-Schwerpunkt auf Sozialraumarbeit liegt, betont ebenfalls die Lebensfreude. "Ich arbeitete dort in einem Haus für Waisen und Straßenkinder. Die Menschen freuten sich über kleine Aufmerksamkeiten. In Deutschland wäre das nicht möglich. Eigentlich haben wir hier keinen Grund, traurig oder ängstlich zu sein."

Die ernsten Gesichter in Deutschland fallen auch Dative als einer ihrer ersten Eindrücke ein. Und die perfekte Infrastruktur. "Ich konnte mir Deutschland gar nicht richtig vorstellen und wusste nicht, dass es hier Wälder gibt", lacht die Studentin der Entwicklungs- und Friedensarbeit. Und: "Bei uns sind die Bewohner im Durchschnitt sehr jung. Hier sieht man sehr viele ältere und alte Menschen."

In Ruanda scheint es Dank vieler Projekte zur Aufarbeitung des Bürgerkriegs tatsächlich zu gelingen, die tiefen Wunden stärkster gegenseitiger Verletzungen zu heilen. Nur so kann ein Land wieder zusammenwachsen. Auch Dative Nakabonye hat vor zwei Jahren eine eigene Initiative gestartet. Mit der offiziell von der ruandischen Regierung unterstützten "Family circle live lab organisation" (FCLLO) versucht sie Frauen zu helfen, die der vielfach vorkommenden sexuellen und häuslichen Gewalt ausgesetzt waren oder sind. "Über die sexuelle Gewalt wird offen kaum gesprochen, aber sie ist bei uns vorhanden", erzählt die ruandische Studentin.

Austausch wird fortgesetzt

In Schwenningen nimmt sie derzeit an unterschiedlichen Studienangeboten teil und berichtet auch ihrerseits Interessierten über das Leben in Ruanda. Insbesondere über die dort so notwendige Friedensarbeit. So beispielsweise auch in einem öffentlichen englischsprachigen Vortrag auf dem Schwenninger Campus. Das Thema lautete: "Conflict-Management, Reconciliation and Peacebuilding in Rwanda, Africa". Im Juni reist die Afrikanerin zurück in ihr Heimatland.

Im Wintersemester 2017/18 wird der Austausch fortgesetzt. Maßgeblich betreut wird das Projekt durch Karin E. Sauer, Professorin an der DHBW in Villingen-Schwenningen. Sie ist Leiterin des Studiengangs Soziale Arbeit – Menschen mit Behinderung und wissenschaftliche Leiterin des Masterstudiengangs Soziale Arbeit in der Migrationsgesellschaft. Zustande kam der Kontakt mit Vermittlung ihres Professoren-Kollegen Jürgen Grass über den Schwenninger Pfarrer im Ruhestand, Dieter Brandes, der seit vielen Jahren im Auftrag des Weltkirchenrats ein weltweites Netz ökumenischer Friedens- und Versöhnungsinitiativen aufbaut (wir berichteten).

Weitere Informationen: Zum Baden-Württemberg-Stipendium auf der Homepage www.bw-stipendium.de und zur Baden-Württemberg Stiftung unter www.bwstiftung.de