Kämpft vor Gericht um seine Pensionszahlungen: Jürgen G. Hess. Foto: Archiv/Bäckermann

Ex-Seniorchef zieht vor das Arbeitsgericht. Es geht um über zwei Millionen Euro und Vorrang vor Gläubigern.

Villingen-Schwenningen - Nach dem Bilanzskandal bei Hess hat Insolvenzverwalter Volker Grub dem früheren Aufsichtsrat und Seniorchef Jürgen Georges Hess den Geldhahn zugedreht. Der will sich das aber nicht gefallen lassen und zog nun vor das Arbeitsgericht in Villingen, um seine Rentenbezüge zu erstreiten.

Es geht um Geld. Viel Geld. Neben der monatlichen Pensionszahlung in Höhe von 17.000 Euro steht laut Beklagtenseite eine gewichtigere Summe im Raum: zwei Millionen Euro. Diese Summe aus dem Vermögen der Hess AG soll Jürgen G. Hess – notariell beglaubigt – verpfändet worden sein zur Sicherung seiner Pensionsansprüche im Alter. Aus Sicht des Insolvenzverwalters besonders prekär: Wenn der ehemalige Seniorchef diese Ansprüche erfolgreich geltend macht, könnte er sich aus dem Topf des insolventen Unternehmens vor allen anderen Gläubigern vorrangig bedienen.

Gestern nun war Tag eins im Streit vor der Villinger Kammer des Arbeitsgerichts Freiburg. Rechtsanwalt Norbert Strehl von der Kanzlei Blessing und Berweck, der den Kläger Jürgen G. Hess vertritt, bahrte dicke Aktenordner vor sich und seinem Mandanten auf. Auf der Gegenseite nahm Rechtsanwalt Volker Muschalle von der Stuttgarter Kanzlei Grub Brugger des Insolvenzverwalters Volker Grub Platz. Und dann wurden die Messer gewetzt und gab es einen Vorgeschmack darauf, wie sehr es bei einem möglichen Strafprozess rund um den Bilanzskandal zur Sache gehen dürfte.

Fassungsloses Kopfschütteln bei Volker Muschalle: "Herr Strehl, ich bitte Sie! Ich habe mich ohnehin schon gewundert, dass Sie zum Angriff übergehen. Ich habe hier Untreuevorwürfe erhoben, und Sie sagen, die sind maßlos übertrieben – das heißt im Umkehrschluss: Ein bisschen Untreue ist richtig, oder wie?!" Strehl konterte: "Das sind vollmundige Worte, die durch nichts belegt sind. Seit Herr Hess aus dem operativen Geschäft ausschied", habe sein Mandant mit dem normalen Geschäft bei dem Leuchtenhersteller nichts mehr zu tun gehabt. Eine Steilvorlage für Muschalle: "Die Geschäfte wurden alle vom Aufsichtsrat genehmigt. Da frage ich mich: Wie will ich Geschäfte genehmigen, die ich gar nicht verstanden haben will?"

Auf eine so detailreiche Diskussion mochte sich der Klägeranwalt nicht einlassen. "Wir wissen nicht, was an den Vorwürfen dran ist", so Strehl. All das bleibe abzuwarten.

Und wird vermutlich vor einem anderen Gericht geklärt werden müssen – vor dem Arbeitsgericht jedenfalls beantragte Muschalle gestern die Klageabweisung. Knackpunkt: "Wir haben eine Versorgungszusage der GmbH und einen Dienstvertrag mit der AG, das ist ein ganz erhebliches Problem", so Richter Thomas Gluns. Die GmbH habe für die AG nicht den Vertrag treffen können, das hätte der Aufsichtsrat tun müssen.

Sei der Dienstvertrag also nichtig, so Gluns, falle damit auch die Versorgungszusage von 2007. Für diesen Fall gerüstet, wollte sich Jürgen G. Hess auf eine ältere Pensionszusage aus dem Jahr 2000 berufen. Diese jedoch wurde vom Insolvenzverwalter Volker Grub widerrufen, "und daran halten wir auch fest", so Muschalle. Und weil Jürgen G. Hess zu dieser Zeit nicht Arbeitnehmer, sondern Geschäftsführer war, wäre auch das kein Fall für das Arbeitsgericht.

Das Urteil der Kammer Villingen-Schwenningen wird in den nächsten Tagen erwartet. Wahrscheinlich ist, dass der Streit um die Pension für den Seniorchef noch andauert. Das jedenfalls prophezeite der Richter: "Es ist uns natürlich allen klar, dass dieses Verfahren nicht in der ersten Instanz zum Abschluss kommt."