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Polizeipräsident Gerhard Regele im Interview: Konzentration des Präsidiums an einem Ort sinnvoll.

Schwarzwald-Baar-Kreis - Gerhard Regele, seit vergangenem Jahr Polizeipräsident in Tuttlingen, äußert sich im Interview zu aktuellen Fragen der Sicherheit und nimmt Stellung zu der politischen Diskussion über den Präsidiumsstandort.

Wie gefällt es Ihnen im Polizeipräsidium Tuttlingen?

Mir gefällt es außerordentlich gut. Ich habe mich sehr gut eingelebt und freue mich, dass ich hier bin. Seit Dezember habe ich einen zweiten Wohnsitz in Nendingen. Eigentlich komme ich aus dem Rhein-Neckar-Kreis. Wenn möglich fahre ich am Wochenende nach Hause zu meiner Familie.

Wie lange wollen Sie das Amt des Polizeipräsidenten ausfüllen?

Ich bin mit Leib und Seele Polizeibeamter. Auch mein Vater war Polizist. Ich halte es nach wie vor für richtig, dass Polizeibeamte zurzeit mit aktuell 60,5 Jahren in den Ruhestand gehen können. Denken Sie nur an den extrem belastenden Schichtdienst. Man kann aber auch länger arbeiten. Ich möchte die nächsten Jahre Polizeipräsident bleiben, vorausgesetzt die Gesundheit spielt mit.

Im Schwarzwald-Baar-Kreis wünscht man sich eine Verlagerung des Polizeipräsidiums nach Villingen. Was sagen Sie dazu?

Die Evaluation der Polizeireform läuft noch. Alle Mitarbeiter hatten die Gelegenheit, sich zu äußern. Die Befragung bedarf einer genauen Auswertung. Auch Experten wurden befragt. Ende März wird die Evaluation vorliegen, dann kann man über Konsequenzen reden.

Tuttlingen wurde als Standort gewählt, weil die Räumlichkeiten dort angeblich ausreichen. Jetzt heißt es, das Tuttlingen doch zu klein ist und es soll angebaut werden. Die Pläne liegen allerdings auf Eis .

Tuttlingen war noch nie groß genug. Es lag auf der Hand, dass angebaut werden muss. Es ist sinnvoll, dass diese Pläne jetzt auf Eis liegen. Erst muss das Ergebnis der Evaluation klar sein.

Wäre es denkbar, eine "Außenstelle" in Villingen-Schwenningen aufzumachen?

Nein. Ich halte es für sinnvoll, dass das Präsidium an einem Ort konzentriert wird. Wenn das Polizeipräsidium in Tuttlingen bleibt, sollte in Tuttlingen angebaut werden.

Was sagen Sie zum Argument, dass VS als Kriminalitätsschwerpunkt und polizeitaktisch besser als Standort geeignet wäre?

Polizeitaktisch ist es wichtig, dass die Reviere entsprechend besetzt sind, so dass die Polizei ihre Aufgaben erfüllen kann und die Bürger ihre Polizei nahe bei sich haben. Es ist nachrangig, wo der Standort des Präsidiums ist. Tuttlingen kann die Aufgaben erfüllen, obwohl es nicht im Mittelpunkt des Präsidiumsbereiches liegt. Ich möchte nicht über mögliche Ergebnisse der Evaluation spekulieren. Bleiben die Zuschnitte, bleibt das Präsidium in Tuttlingen. Werden Zuschnitte geändert, stellt sich möglicherweise die Standortfrage.

Im Schwarzwald-Baar-Kreis ist das Sicherheitsgefühl der Bürger zurückgegangen, seit hier kein Präsidium mehr ist.

Das subjektive Gefühl der Sicherheit leitet sich ab von der Tatsache, wie viel Polizei präsent ist. Unser Ziel ist es, möglichst viele Beamte auf die Straße zu bringen. Ich versuche, in allen Landkreisen präsent zu sein, eine Konzentration auf einen der fünf Landkreise verbietet sich.

Haben Sie schon mit Landrat Sven Hinterseh gesprochen?

Ja, ich habe ihn in diesen Tagen besucht. Wir haben regelmäßige Treffen vereinbart.

Wie ist das Polizeipräsidium auf den islamistischen Terror vorbereitet?

Laut Innenministerium leben 550 Gefährder unter uns. Die größte Anzahl wohl in den Ballungsräumen. Wir haben aber auch hier welche auf dem Radar. Auch im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Tuttlingen leben Personen, die als Gefährder eingestuft sind.

In Villingen-Schwenningen soll es eine Salafistenszene geben?

Es gibt überall Salafisten, auch im Schwarzwald-Baar-Kreis. Die erste Frage ist: Zeigen Sie sich als solche oder verhalten Sie sich konspirativ? Bekennen sie sich zur Gewalt, um ihre Ziele zu erreichen? Falls ja, sind dies unsere Zielpersonen. Unser Staatsschutz wird jedenfalls erheblich personell verstärkt, um den gestiegenen Herausforderungen gerecht zu werden.

Was halten Sie von der elektronischen Fußfessel für Gefährder?

Die Fußfessel ist kein Instrument, das alle Probleme lösen kann. Die Fußfessel kommt nur dann in Betracht, wenn wir offen vorgehen, das heißt, dem Gefährder ist bekannt, dass wir ihn als solchen verdächtigen. Davor benötigen wir bei einigen einen gewissen Zeitraum, in welchem wir verdeckt ermitteln müssen. In dieser Phase hilft uns die Fußfessel nicht weiter.

Was müsste verbessert werden, um den Informationsaustausch bei Gefährdern zu optimieren?

Grundsätzlich benötigen wir Informationssysteme, bei denen Erkenntnisse dezentral eingegeben und auch dezentral abgefragt werden können. Bei Amri hat es weniger an den Informationen über diese Person gefehlt als vielmehr an den Konsequenzen aufgrund der vorhandenen Erkenntnisse.

Sollte es eine bundesweite Zentrale geben?

Polizei ist Ländersache und sollte Landessache bleiben. Ich bin ein Verfechter des Föderalismus. Ob wir uns im Bereich des Verfassungsschutzes neu aufstellen müssen, sollten wir ergebnisoffen diskutieren.

Könnte ein Anschlag wie in Berlin hier auch geschehen?

Ich glaube, dass wir als Anschlagsziel deutlich weniger im Fokus sind als die Bundeshauptstadt. Aber letztlich werden wir bei jeder Veranstaltung prüfen, welcher Schutz angemessen und erforderlich ist. Einen Anschlag hier in der Region explizit auszuschließen, wäre in meinen Augen vermessen.

Wie viel Zeit investieren Sie als Polizeipräsident in die Bekämpfung des Terrorismus?

Das ist schon ein erheblicher Teil meiner Arbeit, weil wir die Sicherheit der Bevölkerung garantieren wollen. Der Bekämpfung des Terrorismus ist momentan ein Schwerpunkt ähnlich wie in den 70-er-Jahren als wir in Deutschland von den Terrorakten der RAF heimgesucht wurden. Dazwischen gab es andere Schwerpunkte. Es kann durchaus sein, dass der islamistische Terror in drei, vier Jahren kein Thema mehr ist, aber ich bezweifle dies.

Wie wollen Sie Veranstaltungen im Präsidiumsbereich vor Anschlägen schützen?

Große Veranstaltungen wie zum Beispiel das Southside-Festival, den IHK-Empfang und einige Brauchtumsveranstaltungen werden wir gezielt schützen. Wir analysieren jede Veranstaltung und entscheiden, welche Maßnahmen erforderlich sind. Wir fordern dazu auch andere Kräfte an, beispielsweise vom Polizeipräsidium Einsatz und von anderen Präsidien sowie vom LKA BW. Danach werden Einsatzbefehle und Maßnahmen festgelegt. Wir sind sehr sensibel.

Werden Sie die Videoüberwachung verstärken?

Die Videoüberwachung ist wie die Fußfessel ein Instrument, um Sicherheit zu gewährleisten. Aber es gibt rechtliche Vorgaben, die erfüllt werden müssen.

Was werden Sie in Villingen während der Fasnet machen?

Wir werden in Villingen wieder die Videoüberwachung nutzen und bei allen relevanten Veranstaltungen mit starken Kräften, nicht nur vom Polizeipräsidium Tuttlingen, verdeckt und uniformiert präsent sein.

Sie selbst wollen dieses Jahr beim Rottweiler Narrensprung dabei sein. Kommen sie auch mal nach Villingen?

Sicher werde ich auch einmal an der Fasnet in Villingen teilnehmen.

2015 hatten die Straftaten weiter zugenommen. Wie wird das 2016 aussehen?

Nach derzeitigem Auswertungsstand gibt es für das Polizeipräsidium Tuttlingen keinen Anstieg der Fallzahlen im Vergleich zum Vorjahr. Die genauen Zahlen stehen allerdings noch aus. Die Wohnungseinbrüche sind 2016 im Bereich des Polizeipräsidiums Tuttlingen deutlich zurückgegangen. Im Schwarzwald-Baar-Kreis gibt es zumindest keine Steigerung. Das liegt daran, dass die Polizei 2016 in diesem Bereich einen Schwerpunkt gesetzt hat. Das wollen wir 2017 fortführen. Dies ist neben der Terrorismusbekämpfung eine weitere große Herausforderung für die Polizei.

Wie sieht es mit dem Personal aus im Präsidiumsbereich?

Wir brauchen dringend mehr Personal, wir warten auf Verstärkung. Die Personaldecke ist auf Kante genäht. Eine Entlastung stellt die Tatsache dar, dass viele Kollegen engagiert sind und über die normale Pensionsgrenze hinaus arbeiten möchten.

Sie fühlen sich in Tuttlingen wohl. Aber was ist, wenn das Präsidium verlegt wird?

Wo ich Dienst mache, ist für mich zweitrangig. Vordringlich ist, dass wir so aufgestellt sind, dass die Sicherheit der Bevölkerung nicht darunter leidet. Im Übrigen weiß ich um die Schönheit des Schwarzwalds und kenne ihn recht gut – dies ist aber eine ausschließlich private Meinung.