Impuls: Oettingers flammendes EU-Plädoyer bei der Sparkasse
Er kam etwas später als erwartet, doch sein flammendes Plädoyer für die Europäische Union, frei und im für ihn typischen Stakkato gehalten, entschädigte die wartenden Zuhörer: Günther Oettinger war gestern Abend Gast der Sparkasse Schwarzwald-Baar in der Neuen Tonhalle.
Schwarzwald-Baar-Kreis. Die Wartezeit überbrückten der Sparkassen-Vorstandsvorsitzende Arendt Gruben und die in Brüssel und Berlin tätigen CDU-Herren Andreas Schwab und Thorsten Frei mit einer Podiumsdiskussion über die täglichen Angriffe aus Europa aus der Türkei.
Dann trat Günther Oettinger ans Rednerpult. Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg von 2005 bis 2010 ist heute EU-Kommissar für Energie, Digitalisierung, Haushalt und Personal und sieht "das europäische Projekt in Gefahr". Andere Regierungsformen wie der Kapitalismus in einigen asiatischen Staaten, die Autokratie wie von Erdogan und Putin verkörpert sowie die Aushöhlung im Innern einiger europäischer Nationen durch Rechts- und Linkspopulisten, dazu eine veränderte Sprache, Verunglimpfungen und Beleidigungen, bedrohen Europa. Als Friedens- und Währungsunion, Werte- und Wirtschaftsgemeinschaft könne Europa neben der USA ("mit sinkendem") und China ("mit steigendem Stern") die dritte Macht im Bunde werden, die die großen Fragen dieser Welt beantwortet. "Ich bitte Sie, lassen Sie uns die Welt von morgen, ein bisschen europäischer gestalten", bat Oettinger sein Publikum.
Deutschland sei als der einstmals "kranke Mann Europas" aus eigener Kraft "oben angekommen, aber wie bleiben wir da?" Mit einem amüsanten Vergleich aus der Fußball-Bundesliga gab Oettinger die Antwort. Seine Wettbewerbsfähigkeit könne man nur halten, wenn man wie Bayern München nachhaltig wirtschaftet und nicht wie der VfB alle 13 Jahre Deutscher Meister wird – "rein rechnerisch müsste das bald wieder soweit sein".
Als Schaltknöpfe für Nachhaltigkeit machte Oettinger nicht nur die Rente mit 70 aus, sondern auch die revolutionierende Digitalisierung in allen Lebensbereichen ("Finanzdienstleistungen brauchen wir, Banken nicht") sowie Investitionen in die Forschung.
Es brauche eine digitale Grundbildung für jeden und mehr Informatiker. Wenn Menschen sich in Sachen Globalisierung, Automatisierung und Digitalisierung abgehängt und als Verlierer fühlen, dann werden sie leichte Beute für Nationalisten und Populisten. Der EU-Kommissar wandte sich noch einmal direkt an die Menschen in der Neuen Tonhalle und bat: "Werden Sie Europa-Botschafter".