Aufbruchstimmung bei den jungen Männern aus Gambia und Nigeria: Die letzten 23 Bewohner haben die Erstaufnahmestelle verlassen und sich begleitet von vielen guten Wünschen der Mitarbeiter auf den Weg in neue Unterkünfte gemacht. Foto: Zieglwalner

Umarmungen und gute Wünsche für die Zukunft. Rückbau der Wohnblocks beginnt.

Villingen-Schwenningen - Herzliche Umarmungen, eine "Goodbye"-Brezel und viele gute Wünsche für die Zukunft mit auf den Weg: Die letzten Bewohner der Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge (EA) in der Kirnacher- und Dattenbergstraße haben am Donnerstag Villingen verlassen. Bis zu 1200 Menschen hatten in den Gebäuden gelebt. 23 junge Männer waren es zuletzt.

"Das war schon eine gigantische Schwarzwälder Leistung", betont Ulrich Manz vom Diakonischen Werk. Zusammen mit dem Quartier auf dem Schwenninger Messegelände seien in den vergangenen zwei Jahren immerhin teils rund 2000 Flüchtlinge in der Doppelstadt untergekommen, denen neben den hauptamtlichen Kräften unzählige ehrenamtliche Helfer zur Seite gestanden seien, stellt der Sozialpädagoge fest.

Um ihn herum herrscht an diesem Morgen eine Menge Trubel im Camp, wie Bewohner und Mitarbeiter die Erstaufnahmestelle nennen. Da kommen die einen mit ihren Koffern und Reisetaschen an, die nächsten machen noch Abschiedsfotos oder danken den Mitarbeitern und Vertretern des Regierungspräsidiums für die Unterkunft in den vergangenen Wochen und Monaten. In der Selbst-Organisierten-Schule (SOS) im Camp haben sie in dieser Zeit viel gelernt, Deutsch ebenso wie Nähen oder Kochen. Denn wichtig sei es, dass sich die junge Menschen mit etwas Sinnvollem beschäftigen statt zum Nichtstun verdonnert zu sein, erklärt Manz. So ist er auch froh, dass es in Villingen-Schwenningen gelungen ist, entgegen der landesweit üblichen Politik auch die jungen Leute, die vorwiegend aus Gambia und Nigeria stammen, in Bildungskurse und Praktika zu vermitteln. Sonst seien diese nur Flüchtlingen mit Bleibeperspektive vorbehalten. "Zum Glück haben wir uns durchgesetzt", unterstreicht Manzl. Das habe dazu beigetragen, dass es kaum Ärger mit der Polizei gab.

Überhaupt ist die Unterteilung von Flüchtlingen erster und zweiter Klasse für ihn ein absolutes No-Go. "Wer da ist, bekommt Hilfe im Rahmen unserer Möglichkeiten", gibt er die Devise aus. Sie da lassen, sie Deutsch lernen und arbeiten lassen, nur das mache Sinn, bringt er seine Botschaft auf den Punkt. Gerade vor dem Hintergrund, dass sie mindestens zwei Jahre in Deutschland sind, bis das Verfahren einer rechtsstaatlichen Rückführung abgeschlossen und in dieser Zeit bereits die Hälfte einer Ausbildung samt Deutschkurs absolviert sei. Die beste Wirtschaftsförderung für Afrika, wenn gut ausgebildete junge Leute zurückkommen, die zudem mit der deutschen Kultur vertraut seien, sieht Manz nur Vorteile einer solchen Regelung.

Deutschkurse und Praktika helfen Perspektive zu gewinnen

"Wenn wir sie nichts lernen lassen, droht ihnen die Dauerarbeitslosigkeit", schildert auch Dmitri Zakharine, der bei der Diakonie mit zuständig für die Sozial- und Verfahrensberatung in der EA ist. Die Deutschkurse und Praktika hätten vielen geholfen, wieder eine Perspektive zu gewinnen. Und manche hätten sich bei der Arbeit unentbehrlich gemacht, gerade in Handwerksbetrieben. So sind sich Zakharine und Manz sicher, dass es mit manchen ein Wiedersehen gibt: Wenn jemand einen Arbeitsvertrag in der Tasche habe, gebe es eine Anfrage an den Landkreis, ob derjenige Aufnahme findet, erläutert Manz das Prozedere.

Der Morgen des Abschieds ist daher für die jungen Männer auch ein Moment des Aufbruchs, verbunden mit der Hoffnung, an ihrem neuen Wohnort Deutschkurse besuchen, Praktika oder Ausbildungen machen und eine Arbeit finden zu können. Über das Regierungspräsidium haben sie die Transferbescheide erhalten, die sie auf ganz Baden-Württemberg verteilen. Mit Zug- und Busticket in der Hand sitzen sie in den letzten Stunden vor der Abreise im Innenhof des Camps, studieren gemeinsam ihre Reiserouten und tauschen Telefonnummern aus. Für Manz ist es keine Frage, dass die Kontakte untereinander wie zu den ehren- und hauptamtlichen Mitarbeitern bestehen bleiben. Von dieser Verbundenheit zeugt auch der Ruf "Papa Uli", der an diesem Morgen immer wieder über den Hof schallt. Manz lacht und freut sich, von "seinen Jungs" diesen Ehrennamen erhalten zu haben.

Wohnungen werden zurückgebaut

Für ihn kehrt nun etwas Ruhe ein. Gemeinsam mit seinen Kollegen arbeitet er die Erfahrungen der vergangenen zwei Jahre auf. Und das Regierungspräsidium baut die ehemaligen Franzosenwohnungen zurück und übergibt sie zum Jahresende wieder an die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA). Offen ist die Frage, wer künftig in den Gebäuden unterkommt. Das Innenministerium will sie als Studentenwohnheim der Hochschule für Polizei nutzen, die Stadt setzt sich dafür ein, dass das Bündnis für Faires Wohnen bezahlbaren Wohnraum schaffen kann.

Die Blocks entlang der Kirnacher- und Dattenbergstraße haben eine lange Geschichte hinter sich. Das Kapitel Flüchtlingsunterkunft ist seit Donnerstag endgültig abgeschlossen.