Eine etwas andere Verhandlung vor dem Arbeitsgericht / Pfleger setzt sich im Prozess zur Wehr

Villingen-Schwenningen (leo). Seine Mutter lag im Sterben, er wollte sie nochmals besuchen und kam dabei mit den Gesetzen des Arbeitsrechts in Konflikt. Er verlor seinen Arbeitsplatz.

So traf man sich vor dem Villinger Arbeitsgericht, denn er wollte mit gutem Gewissen aus der alten Arbeitsstelle ausscheiden. Zum Hintergrund: Es war wohl ein anderer Ablauf einer Verhandlung einer Kündigungsschutzklage vor dem Villinger Arbeitsgericht. Zu Beginn listete der beklagte Arbeitgeber die Kündigungsgründe für die fristlose Kündigung auf. Im Einzelnen waren es wohl bekannte Gründe, die oft zu einer Kündigung führen. Sei es nun ein zu frühes Verlassen des Arbeitsplatzes, ein Zuspätkommen und ein Nichterscheinen zum Arbeitsantritt. Dann gab es noch einen Vorfall, bei dem man dem Mitarbeiter einen Pflegefehler ankreidete.

Als der Richter den Kläger aufforderte, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen, wurde es still im Saal. Der junge Mann mittleren Alters, der schon viele Berufsjahre als Altenpfleger arbeitete, schilderte die Vorkommnisse aus seiner Sicht: Eines Tages wurde seine Mutter sterbenskrank und man rechnete täglich mit ihrem Ableben. Familienmitglieder telefonierten mit dem Sohn und schilderten die schlechte Situation der Mutter. Der Sohn wollte seine Mutter aber noch lebend sehen und suchte verzweifelt einen Ersatz für sich, damit er gehen konnte.

Letztendlich klappte das, aber es blieb eine Lücke von 90 Minuten, in denen auf seiner Station nur ein Azubi, kurz vor Ausbildungsende, sowie eine Nichtfachkraft anwesend waren. Zudem wusste er, dass sein Kollege von der Spätschicht eine Viertelstunde früher zur Arbeit erschien.

Ein andermal sagte er zu einer Kollegin, er könne im Augenblick seinen Dienst nicht antreten, der hinter ihm liegende Besuch bei der sterbenden Mutter drücke ihm auf die Psyche. Als die Mutter gestorben war, wusste der Sohn, dass sie noch zwei Stunden aufbewahrt wurde. Jetzt wollte er seine Mutter noch einmal sehen und ging wieder innerhalb seiner Dienstzeit zu seiner toten Mutter, um sich von ihr zu verabschieden.

Ein dritter Kündigungsgrund war, dass der Mitarbeiter anscheinend einen Pflegefehler gemacht habe. Der beschuldigte Mitarbeiter ging aber in der Zwischenzeit zum Hausarzt seiner zu pflegenden Bewohnerin und erkundigte sich, ob er tatsächlich einen Pflegefehler gemacht hatte. Dieser verneinte es.

Als die Verhandlung sich nur langsam dahin zog, wollte der Richter einen Kammertermin fixieren, weil die Ansichten der Parteien weit auseinander gingen. Da meldete sich der Vater des Klägers zu Wort und sagte, es ginge seinem Sohn nicht um das Recht, sondern er wolle nur, dass sein Sohn seine Arbeitsstelle mit reinem Gewissen verlassen könne, dies im Hinblick auf seine weitere Berufslaufbahn. Diesen Ball fing der Gegenanwalt auf. Er meinte, er würde sich einsetzen, dass diese außerordentliche Kündigung in eine ordentliche Kündigung umgewandelt werde. Der Kläger akzeptierte diese Lösung.