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Die Prominenz fest im Blick/ Volker Müller kommentiert den Fasnetsumzug seit mehr als 20 Jahren

65 verschiedene Narrenzünfte, Spielmannszüge und Musikvereine hat Volker Müller am Fasnetsunntig auf dem Muslenplatz begrüßt. Als Umzugssprecher an der Ehrentribüne hat er immer ein Auge auf die Prominenz gerichtet.

VS-Schwenningen. F ür Volker Müller beginnt der Fasnetsunntig um 11 Uhr beim Zunftmeisterempfang im Rathaus. Mit seinem blauen Bauernkittel, dem roten Halstuch und einem Klemmbrett unter dem Arm mischt sich der 61-Jährige unter die vielen Vertreter der Zünfte.

Zwischen Urviechern, Hexen und Flammenteufeln hält er Ausschau nach Prominenten. Denn als Umzugssprecher informiert er die Zuschauer heute zum 20. Mal über die vertretenen Zünfte und die anwesenden Ehrengäste. Seit 1994 kommentiert er den Umzug bereits – und wie in jedem Jahr hat er im Voraus viel Zeit mit Recherche zugebracht.

Seine Liste mit Anmerkungen zu den 65 Umzugsteilnehmern fasst 16 Seiten. "Einmal habe ich die Notizen verloren, da habe ich gedacht ›jetzt ist es vorbei‹", erinnert er sich lachend, während er in Richtung Muslenplatz läuft. Den Wegesrand säumen bereits die ersten Zuschauer, und immer mehr Hästräger strömen in Richtung Bildackerstraße, um sich für den Umzug aufzustellen.

"Langsam wird es ernst", meint Müller, bei dem von Aufregung trotzdem noch nichts zu spüren ist. Gelassen testet er das Mikrofon, das während der Fasnet schon so manche Pointe verschluckt hat. "Eins, zwei, drei" – heute funktioniert alles einwandfrei.

Zufrieden nimmt Müller seine Position in der oberen Reihe der Ehrentribüne ein. Von dort aus hat er eine gute Sicht auf den Muslenplatz, wo gerade der ehemalige Ministerpräsident Erwin Teufel eintrifft. Passend dazu wird das Lied "Der Teufel ist los und die Stimmung famos" gespielt.

Müller summt leise mit, noch immer wirkt er sehr gelassen. "Der Anflug von Aufregung kommt erst, wenn der Zug um die Ecke läuft", sagt er. "Und richtig aufgeregt bin ich dann, wenn ich mich vertue", ergänzt er lachend.

Zünfte werden mit ihrem eigenen Spruch begrüßt

Auch bei den Zuschauern steigt inzwischen die Vorfreude: An der Umzugsstrecke rennen verkleidete Kinder ungeduldig umher. "So langsam könnte es losgehen" meint Müller gegen 14.20 Uhr und räuspert sich. Ein paar Minuten später sind aus der Ferne dann tatsächlich leise Trommelschläge zu hören. Als der Wagen mit dem goldenen Schlüssel langsam um die Ecke blitzt, fährt Müller hoch und schaltet das Mikrofon an.

Weil die Sonne zwischen den Wolken durchblitzt, verfärben sich die Gläser seiner Brille, als er das Publikum begrüßt: "Passend zum Start unseres Umzuges kommt jetzt die Sonne heraus", ruft er.

Ob bei der Ankündigung der Stadtmusik Villingen – "ein fantastisches Bild" – oder bei der Begrüßung der Zünfte, für seine Kommentare erntet er stets begeisterten Jubel. Nach unzähligen "Narri Narros" schweift sein Blick dann aber immer öfter auf die Liste, die er neben dem Mikrofon in der Hand hält. Schließlich soll das Publikum auch die zugereisten Narrenzünfte mit dem richtigen Spruch begrüßen.

Zungenbrecher wie "Schäufele, Schäufele – hack, hack hack" der "Gartawergla Unternensingen" oder "Ha – Die – Hei" der "Haiberger Bättlblätz" gehen ihm ohne Stolpern über die Lippen. Auch der Konfettiregen der Hexengilde Sauerwasen kann ihn nicht ablenken. Denn seine Aufmerksamkeit gilt jetzt dem Bundestagsabgeordneten Thorsten Frei, den er "mit drei kräftigen Narri Narros" begrüßt. Die lauten Peitschenknälle der Neckar-Fleckle, die "den Winter austreiben", irritieren ihn ebenfalls nicht. Stattdessen hat er die "B-Prominenz" – also Oberbürgermeister Rupert Kubon und Bürgermeister Detlev Bührer – im Blick. "Langsam gehen mir die Promis aus", gesteht er.

Die Gruppen folgen Schlag auf Schlag

Stattdessen kommt ihm immer öfter ein Witz über die Lippen. Der Ruf der Narrenzunft Feuerbach "Was hemma – Bock hemma" sei eine gute Motivation für Arbeitnehmer am Montagmorgen, witzelt er. Doch weil die Umzugsgruppen auf einmal Schlag auf Schlag folgen, bleibt keine Zeit für weitere Pointen.

"Hier kommen schon die nächsten", ruft der 61-Jährige und blickt hastig auf die Liste, auf der für eine Zunft teilweise vier Narrenrufe vermerkt sind. Auch die musikalischen Höhepunkte folgen zügig aufeinander: Gegen Guggen- und Blasmusik muss er trotz Mikrofons laut anschreien.

Als sich die Urviecher aus Bad Dürrheim der Tribüne nähern, neigt sich der Umzug nach zwei Stunden langsam dem Ende zu. "Wenn jemand noch nicht mit Konfetti oder Stroh in Berührung war, sollte er jetzt aufpassen", warnt Müller. Während ich vorsichtig in Deckung gehe, fragt er mich auf einmal unvermittelt: "Willst Du auch mal?" Überrascht verstecke ich mich hinter meinem Notizblock und lehne erst einmal ab. Ich habe Angst, mich vor tausenden Zuschauern zu blamieren. "Du sagst gleich die Narrenzunft an", erwidert Müller, mein Interviewpartner.

Aufgeregt sehe ich zu, wie eine Gruppe nach der anderen vorbei kommt. Meine Kehle schnürt sich immer weiter zu. Dass ich auch nach außen angespannt bin, merke ich erst, als eine Frau mich bittet, doch nicht so herumzuwackeln. Bevor ich einen Fluchtplan durchdenken kann, drückt Müller mir dann auch schon das Mikrofon in die Hand.

"Wir begrüßen den Schwan der Schwenninger Narrenzunft", rufe ich ohne zu überlegen, weil ich den Wagen um die Ecke kommen sehe. Als das Publikum meine enthusiastischen "Narris" mit noch lauteren "Narros" erwidert, spüre ich überrascht, wie das Adrenalin durch meinen Körper fließt und fange an zu strahlen. So muss sich wohl auch Volker Müller während der vergangenen zwei Stunden gefühlt haben.

Weil jetzt hinter den Ehrenzunftmeistern und Ehrenräten immer mehr Schantle und Moosmulle an ihm vorbei laufen, gibt er noch einmal alles. "Die Krönung der fastnachtlichen Schöpfung" – der Schwenninger Hansel – wird von der Stadtmusik begleitet. "Was für ein gigantisches Bild", ruft Müller begeistert. Als schließlich der letzte Hästräger in den letzten Sonnenstrahlen an ihm vorbei gesprungen ist, bleibt ihm nur noch zu sagen: "Schade, dass es schon wieder vorbei ist."