Sirisak Ben Tanlap (von links), Taalay Ismailbekov und Senayit Gebrekidan sind drei von mehreren Altenpflegern im AWO-Seniorenzentrum Am Stadtpark mit ausländischen Wurzeln. Der Leiter Martin Hayer stellt klar: Ohne diese Arbeitnehmer gäbe es in der Pflege von Alten und Kranken große Probleme. Foto: Strohmeier Foto: Schwarzwälder-Bote

Senioren haben keine Berührungsängste / Ideen für die Betreuungseinrichtung zu Hause in Kirgisien

Von Wilfried Strohmeier

VS-Schwenningen. Sie studieren hier oder sind hier aufgewachsen, haben oftmals die deutsche Staatsangehörigkeit, sprechen manchmal hörbar den heimischen Dialekt und kommen ursprünglich aus einem ganz anderen Teil der Welt. Ohne sie würde aber in manchen Unternehmen nichts gehen: Deutsche mit Migrationshintergrund.

Hinter dem sperrigen bürokratischen Begriff Deutsche mit Migrationshintergrund stehen Menschen wie du und ich, mit Träumen, Zukunftsplänen und Familien. Taalay Ismailbekov, Evelyn Chukwuma-James, Senayt Gebrekidan und Sirisak Ben Tanlap sind vier von ihnen, die im AWO Seniorenzentrum Am Stadtpark in Schwenningen arbeiten.

Im Gespräch sind sich alle einig: Die Verständigung in der deutschen Sprache ist sehr wichtig und darauf baut vieles auf. Nun haben ältere Menschen oftmals auch gewisse Berührungsängste, wegen der dunkeln Hautfarbe und dem fremdländischen Aussehen. Doch die Bewohner des Seniorenzentrum "fremdeln" hier überhaupt nicht, erzählen alle übereinstimmend. Auch mit den Familienangehörigen gab es noch nie Probleme, ganz im Gegenteil.

Dankbar für die Offenheit

Senyat Gebrekidan stammt zwar ursprünglich aus Äthiopien, kam aber mit 16 als Flüchtling nach Deutschland. Nach der Schule lernte sie Arzthelferin, ist heute verheiratet, Mutter von drei Kindern und arbeitet seit mehreren Jahren im Seniorenzentrum. "Ich fühle mich bei der AWO richtig Zuhause und bin dankbar für die mir entgegengebrachte Offenheit und Freundlichkeit", erzählt sie. Doch merkt sie auf der Straße, wie die aktuelle Flüchtlingsdebatte die Stimmung verändert. Sie hat das Gefühl, dass manche Menschen sie kritischer anschauen und reservierter wirken.

Evelyn Chukwuma-James aus Nigeria ist eine Kollegin von ihr. Die gelernte Friseurin lebt seit zehn Jahren in Deutschland und will ab Herbst im Seniorenheim ihre zweite Ausbildung zur Altenpflegerin beginnen. Die Katholikin ist froh, der Gewalt ihrer Heimat entkommen zu sein, denn die Terrorvereinigung Boko Haram kämpft für einen muslimischen Staat und so hat sie manche Stunden Angst um ihre Verwandten, die in der Heimat blieben.

Der dritte im Bunde ist Sirisak Ben Tanlap. Er ist 28 Jahre alt und frisch examinierter Altenpfleger, er machte in der Einrichtung auch seine Ausbildung. Als Kind kam er mit seiner Mutter aus Thailand hierher, hat keinen Bezug zu dem Herkunftsland und kann auch kein thailändisch. Nach der Schule lernte er zunächst Dachdecker, nahm vor neun Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft an und leistete seinen Zivildienst ab. Daraus entstand der Wunsch, in diesen Sozialberuf einzusteigen – er setzte den Wunsch in die Tat um und will sich auch weiterbilden. "Ich finde es gut, dass jeder seinen Glauben so leben kann, wie er möchte. Ich selbst bin quasi als Buddhist geboren, habe in der Schule freiwillig den evangelischen Religionsunterricht besucht und sehe mich heute als liberal religiösen Menschen." Der junge Mann identifiziert sich durch und durch mit Deutschland.

Taalay Ismailbekov stammt aus der Kirgisischen Hauptstadt Bischkek. Er studiert seit fünf Monaten an der Hochschule Furtwangen Universtität Internationales Management und wohnt ganz in der Nähe des Seniorenzentrums. Bevor er nach Deutschland kam, war er zwei Jahre in Schottland an der Uni. Sein Studentenjob ist jedoch nicht einfach nur ein paar Stunden Arbeit für ihn, er nimmt auch vieles mit. Denn zu Hause in Kirgisien baut seine muslimische Familie eine Lebensgemeinschaft für erwachsene Menschen mit Behinderungen auf, erst kürzlich war er auf Heimaturlaub. Zu Hause ist alles anders.

Angst um Familie in Nigeria

In dem ehemaligen Sowjet-Staat gibt es keine Pflegeversicherung, Behinderte werden weggesperrt wie in Gefängnissen eine Integrationskultur wie in Deutschland entwickelt sich erst langsam und auch erst seit gut zehn Jahren. Das ganze System müsse reformiert werden, ist der junge Mann überzeugt. Dies will er mit dem, was er hier lernt unterstützen, beispielsweise was Ausbildung und Personalmanagement angeht. Er und seine Familie wollen sich auch für einen engeren Austausch mit Deutschland einsetzen, wobei es hier verschiedene politische Hürden zu überwinden gilt. Und auch wenn er später beruflich irgendwo anders auf der Welt unterwegs sein wird. Die Behinderteneinrichtung zu Hause wird er immer unterstützen.

Zentrumsleiter Martin Hayer äußert sich ganz klar: "Ohne sie und viele anderen Menschen, die ihre Wurzeln in anderen Ländern haben, könnte die Pflege in deutschen Kliniken, Heimen und Haushalten ein-packen."