Die Stimmung am Mittagstisch ist ausgelassen. Mitarbeiter suchen gezielt mit den Bewohnern das Gespräch. Foto: Falke Foto: Schwarzwälder-Bote

Franziskusheim in Schwenningen gewährt Schwarzwälder Boten einen Blick in Alltag / "Wollen kein Gefängnis sein"

Von Madlen Falke

VS-Schwenningen. Jeder möchte gerne bis ins hohe Alter zu Hause bleiben können, und im Idealfall auch dort sterben. Doch die Realität sieht anders aus. Für viele ist ein Platz in einem Seniorenheim unumgänglich. Wir haben uns angeschaut, wie der Alltag heute dort aussieht.

Im Eck steht eine alte Singer Nähmaschine, am großen Esstisch ein Buffet aus früheren Zeiten. Ohrensessel stehen da und laden zum Hineinsitzen ein. Es weht ein Charme von zu Hause durch das Seniorenheim Franziskus in der Schwenninger Neckarstraße. Zum Mittagessen sitzen die zwölf Bewohner, in einer von insgesamt drei Demenzstationen, am Tisch und warten auf das Mittagessen. "Dampfnudeln gibt es heute, lecker mit Vanillesoße", informiert eine Pflegerin den älteren Herr mit der großen Brille und streichelt liebevoll seinen Arm. Der nickt leise. Alltagsbetreuer Uli fragt in die Runde, wer mithelfen wolle, den Essenswagen in der Küche abzuholen? Außer Frau Kraus meldet sich aber keiner. Die Seniorin kennt den Weg bestens und freut sich, wenn sie von Uli eingespannt wird. Er, der schon seinen Zivildienst im Franziskusheim gemacht hat, ist der einzige Mann im Haus, der mit den Bewohnern als Alltags-Begleiter zusammen arbeitet. Dabei ist er nicht für die pflegerischen Aufgaben zuständig, sondern sich gezielt mit den Bewohnern zu beschäftigen. Aktivierungsspiele, Gedächtnistraining und eigentlich am wichtigsten, im Dialog bleiben, ein offenes Ohr haben.

In der großen Wohnküche im Wohnbereich angekommen, schöpft Uli für jeden eine Portion frisch auf den Teller. "Wir haben hier kein Tablett-System, sondern das Schöpfsystem. So gestaltet sich das Mittagessen interaktiver. Es passiert etwas am Tisch. Das schafft Anreize. Ein feiner Geruch stimuliert", berichtet Friedericke Schlachter-Rudolph, die die Pflegedienstleiterin ist. Während des Essens wird auch über Alltägliches gesprochen, alle die können, nehmen ihr Essen selbst zu sich. "Und wenn es mit den Fingern ist. Hauptsache der Mensch bleibt in Aktion und behält sich so lange wie möglich das Selbstwertgefühl, so viel wie möglich eigenständig machen zu können", weiß Schlachter-Rudolph.

Dieser Anspruch zieht sich über alle Ebenen hinweg durch. Der Mensch steht im absoluten Mittelpunkt. Das trifft in allererster Hinsicht auf die Bewohner, aber auch auf die Angehörigen zu. Das Franziskusheim ist ein offenes Seniorenheim. Es kann zu jeder Zeit Besuch empfangen werden. "Wir sind kein Gefängnis, das gilt für Besucher und Bewohner. Wir haben zum Beispiel auch eine Dame, die immer noch selbst zum Wochenmarkt geht, obwohl ihr das schon enorme Kräfte abverlangt. Doch sie möchte das tun. Dann können wir das nicht verbieten, sondern haben den Rollator mit der Adresse versehen, falls doch mal etwas passieren sollte", erzählt die Pflegedienstleiterin aus dem Alltag.

Doch der Wunsch vieler, ihren Lebensabend bis zuletzt Daheim zu verbringen, wird nur noch für ganz wenige wahr. Die meisten kommen immer später in das Franziskusheim, meist dann auch in einem schlechteren Zustand. "Dann, wenn zu Hause eigentlich nichts mehr geht", berichtet Schlachter-Rudolph.

80 Bewohner leben im Seniorenheim Franziskus in der Neckarstraße in Schwenningen. Von den 100 Mitarbeitern, kümmern sich 60 um die Pflege der Senioren. Im Alltag teilen sich zwei Mitarbeiter pro Schicht die Arbeit zwischen Pflegeaufgaben und Präsenzaufgaben. Die Präsenzkraft ist dann dafür da, die Senioren zu motivieren in Aktion zu bleiben, beispielsweise mit einem Gedächtnistraining oder indem sie gezielt Gespräche mit den Bewohnern führt. Pflegedienstleiterin Friederike Schlachter-Rudolph kennt die Anforderung an das Personal in der Branche: "Ohne das große Engagement wäre vieles nicht möglich." Die Vorgaben seien oft extrem. So erstreckt sich der Zeitaufwand pro Person, abhängig von der Pflegestufe zwischen 80 bis 150 Minuten pro Tag. "Wir strampeln uns ab, wie wir dem Menschen gerecht werden können, da sind Zeitvorgaben oft weit weg von der Realität."