Sind Tag für Tag mit den Sorgen und Nöten der Polizeibeamten und den Konsequenzen der Reform konfrontiert: die Gewerkschaftsvertreter Bernd Lohmiller (links) und Jürgen Vogler. Foto: Zieglwalner

Gewerkschaftsvertreter prangern zunehmende Arbeitsbelastung an. Unzufriedenheit bei den Polizisten ist groß.

Schwarzwald-Baar-Kreis - Die Unzufriedenheit bei den Polizisten sei so groß wie noch nie. Notorisch unterbesetzte Dienststellen, eine hohe Zahl an Langzeitkranken wegen der ständig steigenden Belastungen, statt der versprochenen zusätzlichen Stellen ein ständiger Abbau an Arbeitsplätzen: So schildern Vertreter der Gewerkschaften die Auswirkungen der Polizeireform im Land.

Der Frust sitzt tief bei Jürgen Vogler vom Landesvorstand der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) und Michael Müller, Vorsitzender des Kreisverbands Schwarzwald-Baar. Auch Bernd Lohmiller macht seinem Ärger Luft als Vertreter von Thomas Wenzler, Bezirksvorsitzender des Bunds Deutscher Kriminalbeamter. Sind die drei doch Tag für Tag mit den Sorgen und Nöten der Kollegen konfrontiert. "Die Schönrederei der Reform geht den Beamten auf die Nerven", bringt Vogler den Unmut über die offiziellen Äußerungen des Führungsstabs um den Polizeipräsidenten Ulrich Schwarz auf den Punkt.

Denn die Versprechungen der von Grün-Rot auf den Weg gebrachten Reform haben sich für die Gewerkschaftsvertreter nicht erfüllt. Im Gegenteil: In ihren Augen hat sich vieles zum Schlechten entwickelt. Ein Beispiel: Auf dem Plan seien 835 Beamte bei der Schutzpolizei im Präsidium Tuttlingen vorgesehen, zum 1. April 2014 seien 736 und zum 1. Juli 2015 nur noch 710 Stellen besetzt gewesen, nennt Vogler Zahlen.

Auch bei der Kriminalpolizei sehe es nicht anders aus, bringt Lohmiller den nächsten Haken ins Spiel. Vor der Reform, bis Ende 2013, machten mehr als 50 Kriminalpolizisten in Villingen-Schwenningen für die Bürger des Schwarzwald-Baar-Kreises Dienst. Von den zum 1. Januar 2014 versprochenen und auf dem Papier stehenden 30 Kollegen seien tatsächlich nur 18 vor Ort und müssten jetzt noch zusätzlich die Städte Rottweil und Schramberg und die dazugehörenden Gemeinden betreuen. In Tuttlingen, Albstadt/Balingen und Freudenstadt sollten es nach der Reform jeweils noch 15 Kriminalbeamte sein. Aber auch hier seien es weniger Beamte. Dadurch steige die Arbeitsbelastung immer weiter an, betont Müller.

Und der neu eingerichtete und als Gewinn der Reform verkaufte Kriminaldauerdienst habe nicht zu der versprochenen Entlastung geführt, sondern verschärfe die Situation zusätzlich. Diese Einsatztruppe bestehe aus 25 Kräften, um im Schichtdienst im gesamten Gebiet des Polizeipräsidiums rund um die Uhr zur Verfügung zu stehen. Da natürlich immer jemand im Urlaub oder krank sei, ziehe der Kriminaldauerdienst ständig Kollegen aus den anderen Bereichen ab, verdeutlicht Müller. Wenn die für den ganzen Präsidiumsbereich, also für fünf Landkreise, zuständigen Kollegen ausgelastet seien, was schnell einmal passiert sein kann, oder Unterstützung in schwerwiegenden Fällen bräuchten, könne bei jedem zu jeder Tages- und Nachtzeit das Telefon klingeln, verdeutlicht Vogler. Einen vergüteten Bereitschaftsdienst gibt es nicht mehr. "Man erwartet von den Kollegen, dass sie auch an den dienstfreien Tagen und Tag und Nacht erreichbar sind, und das belastet zusätzlich auch die Familien", beschreibt Vogler die für ihn unhaltbaren Zustände – für die er in absehbarer Zeit keine Verbesserung sieht.

Es sei schwer, Nachwuchs zu gewinnen. Außerdem fehle es an Ausbildungskapazitäten. Angesichts der Schließung von Ausbildungsstätten im Zuge der Reform gebe es weniger Plätze und eine geringere Zahl an Ausbilder. Auch die Hochschule für Polizei in Villingen-Schwenningen stoße an ihre Grenzen. "Die Zerschlagung der Bereitschaftspolizei mit ihren Bildungseinrichtungen war betriebsblind", findet Vogler deutliche Worte. Der falsche Weg sei aber die von Polizeipräsident Schwarz angedachte Herabsetzung der Zugangsvoraussetzungen für den Polizeiberuf, wie eine Reduzierung der Mindestgröße oder geringere Anforderungen bei der Rechtschreibung, sind sich die drei einig. "Es sind hohe Rechtsgüter, über die Polizisten entscheiden müssen, da sind geeignete Bewerber und eine fundierte Ausbildung erforderlich", stellt Lohmiller fest.

Für die Gewerkschafter liegt vieles im Argen, ob die schlechten Aufstiegschancen, die Überalterung oder die mangelnde räumliche Ausstattung, um zum Beispiel alle Polizeibeschäftigten räumlich angemessen unterbringen zu können, sind insbesondere in Rottweil und Tuttlingen noch Erweiterungen mit Millionensummen geplant, Geld, das an anderer Stelle fehlt.. "So schlecht wie jetzt war die Stimmung noch nie", fasst Vogler seine Eindrücke aus 44 Jahren als Polizeibeamter und ebenso vielen Jahren in der Gewerkschaft zusammen.

Für ihn ein Grund, weshalb Innenminister Reinhold Gall die von Joachim Lautensack, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, geforderte Umfrage bei den Polizeibeschäftigten meidet. Die würde bestimmt die seit der Reform entstandene große Entfremdung zwischen der Basis und der Führungsspitze und die gewachsene Unzufriedenheit der Beschäftigten zutage bringen, sind sich die drei sicher. Eine Entwicklung, die alle drei zutiefst bedauern, sind sie doch Polizisten aus Überzeugung, wie ihre Kollegen, für die sie eintreten. Und eines stellen sie klar: "Die Polizisten vor Ort sind nach wie vor hoch motiviert, wenn es um den Schutz der Bevölkerung geht."

Ihre Zielrichtung ist eine andere: Das Land hat in ihren Augen seine Fürsorgepflicht als Dienstgeber gravierend vernachlässigt. Die in der Koalitionsvereinbarung versprochene Wertschätzung durch eine angemessene Besoldung mit Einführung der zweigeteilten Laufbahn, die Schaffung von neuen Stellen, die Verbesserung der polizeilichen Präsenz in der Fläche, bessere Aufstiegsmöglichkeiten für Tarifbeschäftigte und Verwaltungsbeamte, Schutz der Polizisten vor tätlichen Angriffen und Aggressionen seien gar nicht oder bestenfalls halbherzig in Angriff genommen geworden.

Wichtiger sei Grün-Rot die Bestellung von Ansprechpartnern für gleichgeschlechtliche Partner oder die Diskussion um die Einführung einer Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte bei Einsätzen gewesen, lauten die Vorwürfe von Vogler in Richtung Landesregierung. Wertschätzung sehe anders aus, so die Gewerkschafter abschließend.