Villingen-Schwenningen - Die alte Stadtkasse soll verkauft werden, das Haus Rietstraße 41 steht ebenso zum Verkauf. Erinnerungen an Bausünden früherer Tage werden wieder wach. Nicht wenige Villinger bangen um den Ausverkauf der historischen Innenstadt.

Wie Günter Rath, langjähriger Vorsitzender des Heimat- und Geschichtsvereins, sehen es viele Bürger, die sich mit Villingens Entwicklung beschäftigen. Der geplante Verkauf der alten Stadtkasse an einen "hochkarätigen Investor" wird zwar als Bereicherung gesehen, so Rath im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten. "Belange des Denkmalschutzes und der Fassadengestaltung müssen aber vertraglich fixiert und durch Bankbürgschaften abgesichert werden". Grundsätzlich vermisst er, "wesentliche Bemühungen der Stadt, die historische Substanz zu schützen".

Was die Vorgehensweise der Verwaltung beim anvisierten Verkauf des prägnanten Gebäudes in der Oberen Straße anbelangt, findet Rath noch deutlichere Worte: "Diese Geheimniskrämerei war kein guter Stil". Bereits der Arbeitskreis räumliche Neuordnung, der sich mit der Immobilie im Zusammenhang mit einer Neunutzung beschäftigte, fühlte sich übergangen. Für den Villinger Architekten Paul Naegele durchaus nachvollziehbar: "Die Ergebnisse des Arbeitskreises hätten abgewartet werden müssen". Allgemein urteilt er: "Es ist schade, dass die Stadt ihre Gebäude wahllos verscherbelt".

Henriette von Preuschen von der Abteilung Denkmalpflege im Regierungspräsidium Freiburg kennt die Sorgen um historische Gebäude im allgemeinen und jene um den "schönen mittelalterlichen Gebäudekomplex" der alten Stadtkasse im besonderen. Die Gangart ist klar: Im Erdgeschoss habe der Investor in spe, der die Flächen weiter vermieten möchte, freie Hand, da dieser Gebäudeteil bereits stark verändert worden: "Veränderungen wird es hier geben". Anders dagegen die oberen Geschosse und die Fassaden, diese sollen "im wesentlichen erhalten bleiben", so von Preuschen. Immerhin stehe Villingen seit 1991 unter Ensembleschutz.

Vor einer Baumaßnahme auf historischem Boden laufen, wie in Villingen demnächst, archäologische Grabungen: Über sechs Monate hinweg soll nachgeforscht werden, ob noch Siedlungsreste wie Fundamente von Fachwerkhäusern zu finden sind, anschließend werde dokumentiert, fotografiert, werden Funde bewertet und falls möglich geborgen. "Das wird sicherlich nicht ganz schmerzfrei ablaufen. Damit das recht schmerzfrei abläuft, ist eine klare Vereinbarung mit der Bauherrschaft notwendig", so von Preuschens Kollege, der Archäologe Bertram Jenisch. Zielkonflikte zwischen Behörde und Investoren gebe es immer wieder. "Die Forderungen der Denkmalpflege", führt er weiter aus, "werden jedoch hoch bewertet".

Die Bedenken vieler Bürger, dass es zu weiteren Stilbrüchen kommt, versucht die Stadtverwaltung zu zerstreuen. "Denkmalschutzauflagen werden im Einvernehmen mit der Höheren Denkmalbehörde (Regierungspräsidium Freiburg) formuliert. Die Auflagen sind einzuhalten". Die Untere Denkmalschutzbehörde, bei der Stadt VS angesiedelt, sei auch für die Überwachung zuständig, hieß es aus dem Referat des Oberbürgermeisters. Mit dem möglichen Investor sei über das sensible Thema gesprochen worden.

Denkmalschutz ja, aber nicht zu jedem Preis. Der Abriss eines denkmalgeschützten Hauses sei dann möglich, merkt Stadtentwickler Henning Keune an, wenn die Kosten von Sanierung und Unterhalt nicht zumutbar seien, die Wirtschaftlichkeit nicht gegeben sei. "Diese Auflagen müssen wirtschaftlich tragfähig bleiben". Auch im Wiebelt-Komplex werden zwei Häuser abgerissen. Mehr zum Stand der Sanierung dieses und des Haux-Komplexes wollte Keune noch nicht sagen.

Seite 2: Ensembleschutz

Ensembleschutz bedeutet, dass auch Objekte die auf Grund ihres historischen Wertes und ihrer Substanz nicht schützenswert wären, im Rahmen eines erhaltenswerten Ensembles ebenfalls dem Denkmalrecht unterliegen. Dies ist im Bereich der Villinger Altstadt regelmäßig der Fall.

Eingriffe in die historische Substanz bedürfen einer denkmalrechtlichen Genehmigung und sind daher mit der Denkmalbehörde abzustimmen. Die Vorschriften des Denkmalrechts sind ungeachtet der Rechtsperson des Denkmaleigentümers oder des Investors einzuhalten.