Bernd Lucke, Vorsitzender der Alternative für Deutschland (AfD) Foto: dpa

Ignorieren oder attackieren? Union und SPD tun sich nach den jüngsten Landtagswahlen im Umgang mit der AfD schwer. In Thüringen bleibt Rot-Rot-Grün mit einem linken Regierungschef eine Option.    

Ignorieren oder attackieren? Union und SPD tun sich nach den jüngsten Landtagswahlen im Umgang mit der AfD schwer. In Thüringen bleibt Rot-Rot-Grün mit einem linken Regierungschef eine Option.

Berlin - Nach dem Erfolg der Alternative für Deutschland (AfD) in Thüringen und Brandenburg suchen Union und SPD Rezepte für den Umgang mit der neuen Partei. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann nannte die AfD eine Gefahr für Deutschland. Sein Unionskollege Volker Kauder (CDU) schloss Koalitionen mit der AfD erneut aus, vom konservativen CDU-Flügel kam die Forderung nach einem Kurswechsel im Umgang mit der rechtskonservativen Partei. Deren Chef Bernd Lucke hielt den etablierten Parteien vor, ihre Strategie funktioniere nicht. „Je mehr sie uns schneiden, desto besser schneiden wir ab.“

In Thüringen will Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) wegen unsicherer Bündnisoptionen neben der SPD auch mit den Grünen reden, um so ihre bisherige schwarz-rote Koalition auf ein breiteres Fundament zu stellen. Rechnerisch möglich ist sowohl eine Fortsetzung der schwarz-roten Koalition in Erfurt als auch das bundesweit erste rot-rot-grüne Bündnis unter Führung eines Linke-Politikers. Die Linkspartei mit ihrem Spitzenkandidaten Bodo Ramelow dringt auf den historischen Machtwechsel.

Kauder rechnet nicht mit Rot-Rot-Grün. „Ich glaube, das werden Sie nicht erleben“, sagte er im ZDF. Dreierbündnisse seien wesentlich schwieriger als Zweierkoalitionen, vor allem bei so knappen Mehrheiten wie in Thüringen.

In Brandenburg bleiben die seit 1990 regierenden Sozialdemokraten an der Macht. Ministerpräsident Dietmar Woidke kann sich aussuchen, ob er mit der Linken als Juniorpartner weitermachen oder ein Bündnis mit der CDU schmieden will. Die SPD bot beiden Parteien Sondierungsgespräche an. Brandenburgs CDU-Spitzenkandidat Michael Schierack warb für ein Bündnis mit der SPD. Es dürften aber harte Verhandlungen werden.

Die AfD sitzt neben dem Europaparlament nun in drei ostdeutschen Landtagen - neben Brandenburg und Thüringen auch in Sachsen. SPD-Fraktionschef Oppermann sagte im ZDF, die AfD wolle raus aus dem Euro, was Hunderttausende Arbeitsplätze kosten würde, sie mache Stimmung gegen Einwanderer, sie sorge für eine soziale Spaltung der Gesellschaft. „Wir müssen aufzeigen, wohin es führt, wenn diese AfD Einfluss in Deutschland bekommt.“ Die AfD fische in allen Gewässern, vor allem die Union habe diese Herausforderung aber bisher nicht angenommen. „Es ist eine Herausforderung für alle, dass am rechten Rand dieser Gesellschaft keine Partei wie die AfD entsteht.“

Kauder gegen AfD-Koalition

Unionsfraktionschef Kauder sagte im ZDF: „Wir haben einen klaren Kurs: keine Koalitionen mit der AfD.“ Die Union müsse sich mit den Themen der AfD auseinandersetzen, nicht mit der Partei. CSU-Chef Horst Seehofer forderte, die Union müsse sich auf ihre Stärken besinnen. „Der beste Schutz gegen die AfD ist eine gute eigene Politik“, sagte er vor einer CSU-Vorstandssitzung in München. Es gebe keine Veranlassung, sich von der AfD treiben zu lassen. Seehofer betonte aber: „Das wird mit der AfD schon eine längerfristige Auseinandersetzung.“ Der konservative Berliner Kreis in der Union forderte nach den AfD-Erfolgen einen Kurswechsel. Die Strategie der Union, die AfD zu ignorieren, sei fehlgeschlagen, bemängelt die Gruppe nach Angaben der „Bild“-Zeitung in einem dreiseitigen Papier. Die Autoren, darunter CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach und Hessens früherer CDU-Fraktionschef Christean Wagner, fordern die Unionsspitze auf, programmatisch auf die konservativen Wähler der AfD zuzugehen.

Laut vorläufigem amtlichem Endergebnis kam in Thüringen die seit der Wende ununterbrochen regierende CDU auf 33,5 Prozent. Die Linkspartei fuhr 28,2 Prozent ein, die SPD 12,4 Prozent. Die AfD schaffte aus dem Stand 10,6 Prozent, die Grünen lagen bei 5,7 Prozent. Die FDP erzielte nur 2,5 Prozent. Damit sind die Liberalen, die 2013 erstmals aus dem Bundestag flogen, nur noch in 6 der 16 Länderparlamente vertreten. Die rechtsextreme NPD kam auf 3,6 Prozent. Daraus ergibt sich folgende Sitzverteilung im Erfurter Landtag: CDU 34, Linke 28, SPD 12, AfD 11, Grüne 6. Nach diesem Ergebnis wären sowohl ein Regierungswechsel zu Rot-Rot-Grün als auch die Bestätigung von Schwarz-Rot knapp möglich (jeweils 46 zu 45 Sitze).

In Brandenburg erreichte die seit 1990 regierende SPD als Wahlsieger dem vorläufigen Ergebnis zufolge 31,9 Prozent und lag knapp unter dem Niveau von 2009. Die mitregierende Linkspartei sackte deutlich auf 18,6 Prozent ab und fiel hinter die CDU zurück, die auf 23,0 Prozent zulegte. Die AfD fuhr aus dem Stand 12,2 Prozent ein. Die Grünen kamen auf 6,2 Prozent, die FDP auf 1,5 Prozent. Die NPD erreichte 2,2 Prozent. Die Mandate verteilen sich wie folgt: SPD 30, CDU 21, Linke 17, AfD 11, Grüne 6, Freie Wähler 3 (ein Direktmandat und zwei Mandate gemäß Stimmenanteilen).

Die Wahlbeteiligung in beiden Ländern war schwach: Sie lag bei enttäuschenden 52,7 Prozent in Thüringen und sogar nur bei 47,9 Prozent in Brandenburg.