Schwarzspecht Foto: Hurm

Herbert Hurm aus Weildorf berichtet von einem seltenen Erlebnis der Tierwelt im Wald: Ein Greifvogel, ihr Todfeind, griff an, klagendes Gezwitscher des Spechts, danach Stille. Was war geschehen?

Herbert Hurm, Naturschutzwart aus Weildorf und bekannt unter anderem durch seine Artikel über die Turmfalken in seinem Haus, hat unserer Redaktion ein weiteres Naturerlebnis zugeschickt. Er schreibt:

„Zur Vorbereitung einer Biotopbegehung mit Vertretern von Landratsamt und Regierungspräsidium Tübingen war ich am Sonntagabend im Wald nahe bei einem ehemaligen Sandsteinbruch. Um mich nicht durchs Fotografieren abzulenken, hatte ich nur die kleine Kamera mitgenommen, was ich aber bald bereuen sollte. Nach erfolgter Kontrolle setzte ich mich mit meiner Frau auf einen Fichtenstamm am Teichrand, um noch ein wenig die Ruhe im Wald zu genießen.

Warnende Schreie des Schwarzspechtes

Dabei hörten wir mehrfach den typischen Ruf eines Schwarzspechts in unserer Nähe, dem kurz darauf ein zweiter von links antwortete. Ich wusste, dass seit vielen Jahren ein Schwarzspechtpaar ein Stück weiter in Richtung meines eigenen Waldes sein Revier hat, habe ihn auch immer mal wieder kurz dort gesehen, was besonders schön war, denn es ist ein imposanter Vogel, der größte Specht Europas. Doch hier stimmte eindeutig etwas nicht. Einer der beiden Spechte rief fortwährend „aufgeregt“, warnend wie mir schien, ähnlich wie es zum Beispiel eine Amsel macht, wenn sie eine Katze oder einen anderen Feind entdeckt hat.

Der andere antwortete. Ich sah mich um, das Fernglas hatte ich glücklicherweise mitgenommen und plötzlich entdeckte ich einen Greifvogel, bestens getarnt dicht an den Stamm einer Fichte geduckt, vermutlich ein Habicht. Selbst die beinahe schwefelgelben Augen konnte ich deutlich erkennen. Natürlich hatten die Spechte ihren Todfeind auch entdeckt, darum wohl das Spektakel.

Und plötzlich Totenstille

Doch dann eskalierte die Situation. Der Specht rechts von uns flog plötzlich los, über den Teich hinweg und direkt über unsere Köpfe, so schnell konnte ihn die kleine Kamera nicht erfassen, man sah später auf dem Foto nur einen großen schwarzen Fleck, in Richtung des Feindes. Dann sah es so aus, als würden beide Spechte den Greifvogel jagen, ein blitzschnelles Hin und Her. Wieder waren über uns nur schemenhaft Schatten zu sehen, sofort wieder verschluckt von den Baumwipfeln, dann ein Rauschen von Flügeln über uns – und plötzlich Totenstille. Jetzt merkte ich, dass ich unwillkürlich die Luft angehalten hatte. Nach einigen Minuten begann wieder einer der Spechte zu rufen, klagend, fast eine halbe Stunde lang, dann beklemmende Stille.

So oft ich auch in den letzten Wochen wieder am „Tatort“ war oder ein Stück weiter oben in meinem Wald gearbeitet habe; kein Ruf eines Schwarzspechts war mehr zu hören.

Ob der Greifvogel den andern auch noch erwischt hat oder dieser das Revier verlassen hat, vermag ich nicht zu sagen. Doch auch wenn die Natur eigenen Gesetzen folgt, muss ich zugeben: Mein Herz hat eher für die Spechte geschlagen und ich vermisse sie. Ein beeindruckendes Erlebnis war es auf jeden Fall.