Der Beschuldigte (Gesicht gepixelt) bespricht sich mithilfe einer Dolmetscherin mit seinem Rechtsanwalt Wolfgang Burkhardt. Foto: Schulz

Schwurgericht: Mordfall in Trossingen wird verhandelt. Angeklagter leidet an paranoider Schizophrenie.

Trossingen - Der brutale Tod einer 45 Jahre alten Frau in Trossingen wird seit Montag vor Gericht verhandelt. Der Täter ist offensichtlich schuldunfähig. Ihm droht die Unterbringung in einer Psychiatrie.

"Für uns alle unfassbar wurdest Du aus dem Leben gerissen. Du warst der Mittelpunkt unserer Familie". Diese Worte stehen über einem Foto der Traueranzeige von Anja B. Die Mutter zweier erwachsener Töchter wurde am Abend des 5. September auf dem eigenen Gartengrundstück ihres Hauses in Trossingen mit mehreren Messerstichen in den Kopf und Brustbereich getötet.

Ihren Täter kannte sie nicht. Mit diesem Überfall konnte sie auch nicht rechnen, ist den Worten von Oberstaatsanwältin Sabine Mayländer zu entnehmen, die vor der 1. Schwurgerichtskammer gestern Morgen im Gerichtssaal des Landgerichts in Rottweil den Tatabend Revue passieren lässt. Sie wirft dem Täter heimtückischen Mord aus Habgier und zur Befriedigung des Geschlechtstriebs vor.

Beschuldigt ist ein 25 Jahre alter Mann russischer Staatsangehörigkeit, der im Herbst vergangenen Jahres unter bislang dubiosen Umständen von Moskau nach Deutschland reiste, um in einer ebenso fragwürdigen Einrichtung in Trossingen seine Rehabilitation voranzutreiben. Die Einrichtung, "Healthy Generation", wurde nach diesem grausamen Zwischenfall geschlossen.

Doch es bleiben Fragen, etwa, wie dieses Reha-Haus funktionierte, wer es bezahlte, woher die Klienten stammten und ob es Hinweise darauf gab, dass mit dem 25 Jahre alten Mann etwas nicht stimmte. Und ob diese Hinweise von den Menschen, die mit ihm zu tun hatten, hätten bemerkt werden können. Vielleicht sogar müssen.

Denn der Mann ist anscheinend an einer paranoiden Schizophrenie erkrankt. Er hatte zu Hause in Russland nach bisherigem Kenntnisstand harte Drogen – Spice und Salze – zu sich genommen, Drogen, die das Gehirn beschädigten, wie es gestern hieß. Aufgrund der psychiatrischen Erkrankung jedenfalls soll der Täter schuldunfähig sein. In dem gestern eröffneten Sicherungsverfahren geht es darum, den Mann, der noch studiert, in einer psychiatrische Klinik unterzubringen.

Schmächtig und fast schüchtern wirkt er, wie er in seinem weinroten Pullover neben seinem Rechtsanwalt sitzt und den Zeugenaussagen fast regungslos folgt. Doch offensichtlich geht von dem unscheinbar wirkenden Mann ein Bedrohung aus. Er wird in Handschellen und Fußfesseln in den Raum geführt, mehrere Polizisten und Sicherheitskräfte sichern den Zugang zum Saal ab und sind während des gesamten ersten Verhandlungstags anwesend.

Als Zeugen sagen vor der Kammer unter dem Vorsitz von Richter Karlheinz Münzer unter anderem der Witwer und die Mutter der Getöteten aus. Sie berichten von den letzten gemeinsamen Stunden. An jenem Samstag hätten sie gemeinsam gefrühstückt, dann sei seine Frau zur Arbeit gegangen. Man habe sich zwischendurch noch einmal gesehen. Zusammen mit seiner Schwiegermutter hat er an diesem Samstag eine Kaffeemaschine gekauft, diese wollte er seiner Frau kurz zeigen. Kurz nach 21 Uhr habe er sie zurückerwartet.

Doch lebend bekommt er sie nicht mehr zu Gesicht. Als er die Schreie von draußen hört, ahnt er schon Böses. An Krücken geht er nach draußen und sieht im Garten seine Frau liegen. Im Bereich des Kopfs blutüberströmt. Neben ihr sitzt der Täter. Still und regungslos. Die Mutter der Frau rennt ebenfalls nach draußen und alarmiert die Polizei.

Die Beamten sagen, dass der Täter nicht ansprechbar war, er habe keine Reaktion gezeigt, ließ jedoch alles mit sich machen. Es ist die wichtigste Frage, die geklärt werden muss: In welchem geistigen Zustand hat der 25 Jahre alte Mann die Frau getötet?