Hier am Landgericht in Rottweil wird die brutale Tat von Trossingen aufgearbeitet. Foto: Nädele

Junger Russe ersticht Frau in Trossingen brutal. Erinnerungslücken bei Zeugen. Hatte Moskau in Vielem das Sagen?

Trossingen/Kreis Rottweil - In einem immer zwielichtigeren Licht erscheint die inzwischen aufgelöste Einrichtung Healthy Generation in Trossingen. Über sie kam der junge Russe nach Deutschland, der Tage später eine Frau brutal umbrachte. Moskau hatte wohl in Vielem das Sagen.

Es ist Tag zwei in dem Prozess um das Sicherungsverfahren gegen einen jungen Mann aus Russland, der Anfang September in Trossingen eine ihm unbekannte Frau mit mehreren Messerstichen in Hals und Kopf umgebracht hat. Es ist ein Tag beinahe zum Verzweifeln für die Prozessbeteiligten. Vor allem den Vorsitzenden Richter Karlheinz Münzer, Rechtsanwalt Mark Stöhr als Vertreter der Nebenkläger oder den psychiatrischen Sachverständigen Charalabos Salabasidis dürfte der gestrige Tag in Saal 201 im Landgericht in Rottweil einiges an Nerven gekostet haben.

Der Grund: An entscheidenden Stellen tun sich bei wichtigen Zeugen Erinnerungslücken auf, wollen sie nichts mitbekommen haben oder sehen sich schlichtweg nicht in der Verantwortung. Dabei haben sie entweder die Einrichtung Healthy Generation in der Turnerstraße in Trossingen geleitet wie der Vorsitzende des Vereins Egon Friesen (und dann auch wieder geschlossen), haben als eine Art Chef die Gruppe im Inneren geführt oder waren als Diplom-Psychologin mit Verhaltens- und Kommunikationstrainings der Bewohner betraut.

Die Bewohner – das waren im besten Fall ehemalige Drogenabhängige aus betuchten Häusern in Russland, die in der ländlichen Abgeschiedenheit vollends resozialisiert werden sollten. In dem nun vorliegenden Fall, dem des 25 Jahre alten Beschuldigten, sieht es anders aus. Hier handelt es sich um einen Menschen, der möglicherweise aufgrund des Konsums harter, synthetischer Drogen so schwer krank ist, dass er weit davon entfernt war, für den letzten Schritt, die Integration in die Gesellschaft, vorbereitet werden zu können. Laut Staatsanwaltschaft leidet er an einer paranoiden Schizophrenie, an Wahnvorstellungen, hört fremde Stimmen. Möglicherweise ist er schuldunfähig und wird in einer Fachklinik untergebracht.

Der Vereinsvorsitzende Friesen jedoch will von der unmittelbaren Gefahr nichts gewusst haben, die von dem seit wenigen Tagen in seinem Haus, der Einrichtung in Trossingen, wohnenden Russen ausging. Der interne Chef wiederum gibt zwar zu Protokoll, dass der junge Mann, den er auf Geheiß der Verantwortlichen einer Organisation in Russland, die den Namen Nationaler Anti-Drogen-Bund trägt, am Flughafen abholte und zusammen mit einer Begleiterin nach Trossingen brachte, ein sehr seltsames Verhalten an den Tag gelegt habe (bei der Polizei hatte er noch angegeben, der Beschuldigte sei "nicht normal, bleibe immer mal wieder hängen wie ein Computer"). Doch auch er sah sich nicht dazu berufen, einzugreifen, und den jungen Mann nach Hause oder in die Obhut eines Arztes zu schicken.

Die Diplom-Psychologin will als einzige nichts von einem seltsamen Verhalten mitbekommen haben. Sie erzählt, der Mann sei kommunikativ und ihr gegenüber nachdenklich gewesen. Hinzu kommen bei den Zeugen, die zu Healthy Generation etwas sagen können (oder sagen könnten), Sprach- und Verstänndisschwierigkeiten.

Russland indes hatte wohl das Sagen in der Sache. Die Zentrale in Moskau guckt sich offensichtlich Kooperationspartner in verschiedenen Ländern aus (in Trossingen war das Egon Friesen), schickt den aus der Bahn geratenen Nachwuchs reicher Leute, ausgestattet mit einem Visum, ins Ausland und kassiert dafür. Wie viel Geld für solch einen Auslandsaufenthalt fließt, auch dazu können oder wollen die Zeugen nichts sagen.

Offensichtlich waren die Klienten hier in Deutschland in ihren Rechten eingeschränkt. Sie durften das Haus nicht verlassen. Und nach Hause ging es nur, wenn die Eltern und die Organisation in Moskau es erlaubten. Von Deutschland aus, so legt es die Aussage eines Hauptzeugen nahe, konnte demnach kaum etwas bewirkt werden. Gleich gar nicht konnte eine Heimreise angeordnet werden. Etwa weil, wie in diesem Fall, an eine Resozialisation nicht zu denken war, und der junge Mann dringend professionelle Hilfe gebraucht hätte.