Auf dem "Berghof" in Gremmelsbach erzählt Helmut Karl im Beisein seiner Frau Gretel einen ganzen Abend lang von seinem bewegten Leben. Foto: Volk Foto: Schwarzwälder-Bote

Heimatgeschichte: Helmut Karl seit 1947 mit dem Ort verbunden / Über bewegtes Leben viel zu erzählen

Triberg-Gremmelsbach. Als Flüchtling kam Helmut Karl mit Mutter und zwei Geschwistern vor 70 Jahren nach Gremmelsbach. Mitschüler erinnern sich noch, wie er mit Bruder Benno in die sechste Klasse von Lehrer Karl Stephan eintrat. Würde er ein Buch allein über seine Erlebnisse bis dahin schreiben, könnte er eine Lücke in der Geschichtsschreibung schließen.

Katholisch Enklave im Ermland/Ostpreußen

Sein Geburtsort liegt im äußersten Nordosten des damaligen Deutschen Reichs, heißt Mehlsack und ist eine katholisch gebliebene Enklave im Ermland/Ostpreußen. Da wurde auf Anordnung des "Führers" der Bevölkerung erst im letzten Moment die Flucht vor der Roten Armee erlaubt wurde. Vom Hin und Herr, vom Vor und Zurück der Flüchtlingskolonnen haben nur die eine Vorstellung, die alles selbst erlebt haben.

Helmut Karl erzählte auf dem "Berghof" in Gremmelsbach einen ganzen Abend lang davon. Er weiß sogar noch, für welch hoch entwickelte Infrastruktur zwischen den Weltkriegen in Ostpreußen als dem Grenzland das Reich sorgte, wie Tausende deutscher Soldaten durch Ostpreußen nach Russland zogen, wie nach dem Frankreichfeldzug französische Gefangene als Helfer in der Landwirtschaft und bei Kanalarbeiten eingesetzt wurden. Und dann die Russen: Nur wegen seiner Körpergröße wurde einer seiner Brüder von ihnen erschossen.

Es folgte die Flucht der Familie mit Nachbarn nach Braunsberg, das unter Beschuss der Artillerie stand, zurück nach Hause. Flucht über das Eis der Ostsee nach Danzig, dann in die Frontlinie geraten, Flucht mit dem Zug wieder nach Danzig, auf Munitionszügen in höchster Gefahr zum Weichseldelta. Bomberangriffe der Engländer im Tiefflug auf Danzig und die umliegenden Wälder, mit Mühe auf einem Landungsboot die Halbinsel Hela erreicht.

Schließlich führte der Weg unter großen Gefahren durch alliierte Flugzeuge über die Ostsee nach Dänemark und über Kopenhagen nach Aarhus. Darauf ging es in ein großes Lager mit 20 000 Menschen auf einem ehemaligen Flugplatz in Karob in Dänemark. Unbeschreiblich waren die hygienischen Verhältnisse.

Wer Verwandte in Deutschland hatte, durfte ab dem Jahr 1947 ausreisen. Vater Karl hatte sich nach Hamburg durchgeschlagen. Also ab auf deutsches Gebiet. Die Rückkehr nach Deutschland ging über Hamburg in den Schwarzwald – Kontakt mit dem Vater war nicht erlaubt – nach Offenburg und Villingen. Und so landete die Familie in Gremmelsbach, wo sie in Althornberg zunächst bei Familie Markus Kienzler dann bei Bürgermeister Johann Dold bis 1950 eine Bleibe fanden.

Nach der Hölle im Gefangenenlager war die Freiheit in Gremmelsbach das Paradies: kein Stacheldraht, keine Bewachung, keine Schreckminen mehr. Zwar schmale, aber ausreichende Kost: Milch, Kartoffeln, Pilze, Beeren.

In bester Erinnerung blieben ihm Pfarrer Schneider, Schulleiter Oexle, Bürgermeister Dold, Ratschreiber Weißer. Bruder Hans übersiedelte von Oldenburg nach Gremmelsbach und verdiente sich mit Holzschnitzereien den Lebensunterhalt. Bruder Walter wurde Priester und starb 2016.

Im Jahr 1950 holte sie der Vater nach Hamburg, nachdem er eine Wohnung erworben hatte. Helmut lernte den Beruf des Schiffsbauers, war am Bau von Supertankern beteiligt und wurde nach technischem Studium Diplom-Ingenieur. Als technischer Oberamtsrat hat er bis zum Ruhestand im Jahr 2000 für die Bundesmarine gearbeitet.

Von Hamburg mit Rad zum Klassentreffen

In diesem bewegten Leben hat er Gremmelsbach nie vergessen. In regelmäßigen Abständen kam er hierher – 1955 mit dem Fahrrad von Hamburg – zu Klassentreffen und auch sonst. Heute lebt er, mit seiner Frau Gretel, mit der er seit 1955 verheiratet ist, in Leiningen/Lamscheid im Hunsrück, wo es "ein Bisschen wie im Schwarzwald ist". Mit Freude erwartet er immer den Besuch von fünf Kindern und neun Enkeln. Beim Haus gehört ihm eine große Fläche, die der rüstige Pensionär liebevoll wie einen arten pflegt.