Die Ukraine steht vor schmerzhaften Einschnitten. Foto: dpa

Trotz aller Proteste treibt Russland die schnelle Eingliederung der Krim voran. Die Ukraine kann auf IWF-Milliarden hoffen und Julia Timoschenko kündigt ihre Präsidentschaftskandidatur an.

Trotz aller Proteste treibt Russland die schnelle Eingliederung der Krim voran. Die Ukraine kann auf IWF-Milliarden hoffen und Julia Timoschenko kündigt ihre Präsidentschaftskandidatur an.

Kiew/Washington - Mit Massenentlassungen und schmerzhaften sozialen Einschnitten will die Ukraine die Weichen für dringend benötigte internationale Milliardenhilfen stellen. Die Behörden der Ex-Sowjetrepublik seien angewiesen worden, etwa 24.000 ihrer insgesamt 249.000 Angestellten zu entlassen, sagte Regierungschef Arseni Jazenjuk am Donnerstag in Kiew. Das Land stehe „am Rande des finanziellen und wirtschaftlichen Bankrotts“.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) kündigte vorläufig ein zweijähriges Hilfsprogramm von 14 bis 18 Milliarden US-Dollar für Kiew an. Damit könnten in diesem Zeitraum insgesamt 27 Milliarden Dollar (19,6 Milliarden Euro) internationale Hilfsmittel freigesetzt werden, teilte der IWF mit. Im Gegenzug hatte die Organisation weitreichende Wirtschaftsreformen gefordert. Das Weiße Haus in Washington sprach von einem „kraftvollen Signal der Unterstützung“.

Timoschenko verkündet Kadidatur

Indes verkündete Julia Timoschenko ihre Präsidentschaftskandidatur: „Ich plane, für den Posten des ukrainischen Präsidenten zu kandidieren“, sagte die Politikerin am Donnerstag vor Journalisten in Kiew. Sie wolle sich am 29. März auf einem Kongress ihrer Vaterlandspartei (Batkiwschtschina) von den Delegierten bestätigen lassen, sagte Timoschenko. Die Wahl ist für den 25. Mai angesetzt.

Bislang hatte sich die 53-Jährige nicht selbst zu einer Bewerbung geäußert. In Umfragen liegt sie gleichauf mit Ex-Boxweltmeister Vitali Klitschko auf Rang zwei, aber abgeschlagen hinter dem Milliardär Pjotr Poroschenko. 2010 hatte Timoschenko die Stichwahl um das Präsidentenamt gegen ihren mittlerweile gestürzten Erzrivalen Viktor Janukowitsch verloren.

Putin will Krim wirtschaftlich unter die Arme greifen

Kremlchef Wladimir Putin sorgt sich derweil um das wirtschaftliche Wohl der einverleibten Krim. Er rief das Parlament in Moskau auf, die Versorgung der von Kiew abtrünnigen Halbinsel schnell gesetzlich zu regeln. „Die Entwicklung der Wirtschaft sowie der sozialen Sphäre muss gewährleistet sein“, sagte der Präsident bei einem Treffen mit Mitgliedern des Föderationsrats. Er sehe „noch viele Fragen offen“.

Der russische Regierungschef Dmitri Medwedew forderte das Finanz- und das Wirtschaftsministerium auf, bis zum 15. April einen Plan zur Eingliederung der Krim zu erstellen. Denkbar sei, die Halbinsel als „Sonderzone“ mit besonderen Steuererleichterungen und Subventionen einzustufen, sagte Medwedew. Zudem will Moskau seine Militärpräsenz auf der Krim etwa mit der Stationierung von Überschallbombern und einem modernen Hubschrauberträger in den nächsten Jahren verstärken.

Putins Zustimmung wächst

Die meisten Russen empfinden einer Umfrage zufolge Stolz und ein „Gefühl historischer Gerechtigkeit“ nach dem international nicht anerkannten Anschluss der Krim. Die Krim-Politik des Kremls sei auch ein Ausdruck für „Russlands Wiederkehr als Großmacht“, meinten 79 Prozent der Befragten, wie das unabhängige Lewada-Institut in Moskau mitteilte. Mögliche Sanktionen der EU und der USA werde das Land „nicht besonders spüren“, meinte eine deutliche Mehrheit.

Putin selbst kommt auf Zustimmungsrekordwerte von mehr als 80 Prozent. „Die Position des Präsidenten in der Krim-Frage hat ihn nicht nur bei Anhängern, sondern auch bei traditionellen Gegnern beliebt gemacht“, kommentierte der kremlnahe Politologe Alexej Muchin.

Der ukrainische Regierungschef Jazenjuk kündigte in Kiew an, Sonderrenten für Staatsanwälte, Richter und die Miliz zu streichen. Ohne Reformen drohe die Wirtschaft in diesem Jahr um zehn Prozent zu schrumpfen, sagte er. Beobachter befürchten aber ein weiteres Ausufern der Korruption angesichts der geplanten Einschnitte.

Die Regierung werde das Existenzminimum nicht antasten, versprach Jazenjuk. Den oft in ärmlichen Verhältnissen lebenden Rentnern stellte er einen Ausgleich für die Inflation in Aussicht, die im laufenden Jahr bis zu 14 Prozent betragen könnte. Den Finanzbedarf der Ukraine bezifferte er auf umgerechnet 20 Milliarden Euro - eine Summe, die auch andere Kabinettsmitglieder schon genannt hatten.

Der Staatskonzern Naftogas hatte zuvor bereits angekündigt, den Gaspreis für die Bevölkerung ab dem 1. Mai um 50 Prozent zu erhöhen - eine Voraussetzung für den überlebenswichtigen IWF-Kredit.

Der Westen setzt in der Krim-Krise weiter auf eine politische Isolierung Russlands. Die UN-Vollversammlung sollte am Donnerstag auf Antrag Kiews beschließen, das Referendum auf der Krim zum Anschluss an Russland nicht anzuerkennen. Anders als im UN-Sicherheitsrat kann Moskau in der Vollversammlung eine Resolution nicht per Veto verhindern. Resolutionen der Vollversammlung sind allerdings nicht bindend.