Szenische Lesung mit Lore Seichter-Muráth über das Leben von Käthe Kollwitz bis zum Ersten Weltkrieg

Von Ingrid Vögele

Sulz. "Käthe Kollwitz – Es fiel ein Schuss in Sarajewo", eine szenische Lesung mit der Berliner Theatermacherin, Schauspielerin und Autorin Lore Seichter-Muráth zeichnete das Leben der Künstlerin bis zum Beginn des ersten Weltkriegs nach. Eingeladen hatte die Evangelische Frauenarbeit mit dem Katholischen Bildungswerk St.Ulrich/Empfingen. Ganz genau schilderte die Referentin die Lebensumstände der Familie Kollwitz in Berlin, Penzlauer Berg. Das Leben ging seinen gewohnten Gang, auch am 26. Juni 1914, als das Attentat auf den österreichischen Kaiser verübt wurde. Keiner ahnte die Auswirkungen, dennoch spielte der Tod in den Arbeiten von Käthe Kollwitz eine übermächtige Rolle, vielleicht doch unbewusste Ahnungen? Im Bilderbogenstil erlebten die Zuhörer Stationen aus dem Leben der Künstlerin, beginnend mit ihrer Geburt 1867, eingebettet in eine historische Zeitleiste.

Man konnte einerseits ihre künstlerische Entwicklung seit dem ersten Unterricht bei Rudolf Maurer 1881 bis 1914 mitverfolgen und erfuhr von ihren beruflichen Erfolgen, Auszeichnungen und Preisen. Knappe, eindringliche Worte beschrieben ihre Studien und Werke, ganz im Sinne von Kollwitz’ ungeschönter, sachlicher Wiedergabe des Lebens. Man sah "müde Augen, schmale Lippen, geschwollene Lider, scharfe Wangenknochen" in einer Kohlestudie zu einem Plakat für Heimarbeiterinnen. Andererseits erlebte man durch Tagebucheinträge die Mutter Käthe, ihre Freude an ihren Kindern Hans und Peter. Besonders Peter durchzog wie ein roter Faden die Lesung. "Mutter und Kind bei der Lampe sitzend", eines der wenigen fröhlichen Bilder entstand. Die Textauswahl, anfangs kühn durch Jahrzehnte hinweg, wird enger um die ersten Kriegstage. Peter zog freiwillig in den Krieg. Ruhig und eindringlich erreichten den Zuhörer die letzten, täglichen Einträge in tiefer Sorge und Vorahnung. Peter fällt in Flandern in der Nacht vom 22. auf den 23. Oktober 1914. Alle Ängste wirkten sich auf ihre Kunst aus, wie in der Studie "Mutter mit totem Kind". Sie schrieb in einem Brief, sie habe den zentnerschweren Druck aufs Papier gezeichnet. Nachdenkliche Lieder wurden wieder eingestreut. Der letzte vorgelesene Tagebucheintrag spricht von Eltern, Frauen und Mütter als Verlierer. Die Zuhörer ahnten die Aussagen in den Werken von Kollwitz, schwiegen am Ende beklemmt, bis der lange Beifall kam.