Die Stadt will den Keller mit Schuppen an der Balinger Straße erwerben. Foto: Steinmetz

Grundstück mit Keller und Schuppen an Balinger Straße liegt im Sanierungsgebiet. Mit Kommentar

Sulz - Die Entscheidung ist klar: Mit 19 Stimmen, einer Enthaltung und einem Nein beschloss der Gemeinderat den Kauf es Grundstücks Balinger Straße 28. Ziel ist die Renaturierung des Areals nach Rückbau der Gebäude. Dafür übt die Stadt ihr Vorkaufsrecht aus.

Der Vorgang hat Seltenheitswert. Zwar habe die Kommune im Grundstücksverkehr ein Vorkaufsrecht, verzichte in der Regel aber darauf, dieses auszuüben, erklärt Bürgermeister Gerd Hieber am Montagabend im Bürgersaal. Er erinnert an die Ratsentscheidungen der vergangenen Jahre – und daran, dass sich die Stadträte wohl kaum an eine solche erinnern werden. Eben weil solch ein Fall selten vorkomme. Mit Blick auf einen Beitrag in unserer Montagsausgabe, in dem der Grundstückseigentümer Gehör findet, der das Vorhaben schlicht als "Enteignung" wahrnimmt, erläutert Hieber die rechtlichen Voraussetzungen und die hohen Hürden, die der Gesetzgeber für solch ein Verfahren stellt, bei dem die Kommune immerhin in den Grundstücksverkehr eingreift und damit das Eigentumsrecht von Privaten berührt. "Da möchte ich widersprechen", sagt Hieber deshalb hinsichtlich des Eindrucks, "es finde möglicherweise eine Enteignung statt".

Im Sachvortrag stellt Catrin Hils vom Baurechtsamt die Chronologie des Vorgangs dar. Auslöser ist der Grundstücksverkauf von Hans-Peter Staib an Karl-Heinrich Schaumann, der ohnehin zumindest Besitzer des Grundstücks ist, dort jedenfalls sein Gewerbe betreibt. Der Vertrag ging Anfang März bei der Stadt ein. Demnach sollte das 1004 Quadratmeter große Grundstück für 3000 Euro an Schaumann übergehen.

Frist endet erst am 16. Oktober

Die Fläche liegt im Sanierungsgebiet "Stadtkern I", für die Liegenschaft seien die "umfassende Modernisierung des Hauptgebäudes und ein Abbruch der Nebengebäude als Sanierungsziel definiert", heißt es in der Vorlage. Dort wird weiter ausgeführt, dass das Wohl der Allgemeinheit die Ausübung des Vorkaufsrechts dann rechtfertige, "wenn damit die besonderen Maßnahmen unterstützt werden, die zur Beseitigung städtebaulicher Missstände erforderlich sind. Das ist hier der Fall."

Neben die inhaltliche Begründung treten formelle Fragen. So kommt es nicht zu dem am 11. September angebotenen und für 20. September terminiertes Gespräch, in dem sich Staib hätte äußern können. Stattdessen sei, so berichtet die Verwaltung, ein Anwaltsschreien eingegangen, in dem festgestellt wird, dass die Frist zur Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts verstrichen sei. Hils erklärt, dass die fragliche Frist erst mit Mitteilung des Notariats beginne. Diese sei fernmündlich am 16. August erfolgt, aktuell per E-Mail noch einmal bestätigt. Demnach ende die Frist erst am 16. Oktober. Und auch zum Kaufpreis bei Ausübung eines Vorkaufsrechts gibt es eine Vorschrift: Nach Gesetz muss dieser dem im ursprünglichen Kaufvertrag festgelegten Preis entsprechen. In diesem Fall also 3000 Euro.

Dafür interessiert sich Eberhard Stiehle. Der Stadtrat der Freien Wähler möchte wissen, ob diese Summe überhaupt ein "reeller Preis" sei. Das spielt in diesem Fall wohl keine Rolle, denn "es darf jeder verkaufen, wie er will", sagt Hils. Dass "die Beteiligten bei ihrem ›Gschäftle‹ nicht im Traum daran gedacht" hätten, dass die Stadt ihr Vorkaufsrecht ausüben will, ist sich Heidi Kuhring von den Grünen sicher. Sie stellt sich hinter den Verwaltungsvorschlag. Es sei richtig, wenn Schaumanns Betrieb verlagert würde, aber "man kann die Leute nicht im Regen stehen lassen", sollte vielmehr mit den Beteiligten einen Weg finden. So könne man beispielsweise die Gebäude vorläufig an Schaumann vermieten.

Ob die Beteiligten überhaupt wussten, dass ein Vorkaufsrecht bestehe, will CDU-Rat Robert Trautwein wissen und stellt nach der Information von Stadtbaumeister Reiner Wössner, dem Eigentümer sei der Sanierungsvermerk mitgeteilt worden, fest, dass es auf Seiten Staib/Schaumann dann ein gewisses Versäumnis bezüglich der Einholung von Information gegeben habe.

"Meine komplette Existenz zerstört"

Jürgen Herbst (GAL) will schließlich wissen: "Wie geht’s jetzt weiter?" Bürgermeister Hieber erklärt, dass die Stadt erst einmal Eigentümerin werden müsse. Dann gehe es darum – mittelfristig – die städtebaulichen Ziele zu erreichen. In welchem Umfang das geschieht, müsse im Rat beschlossen werden. Dieser gibt am Montag die Grundlage dafür: Stiehle enthält sich, Herbst ist dagegen, 19 Mitglieder stimmen für die Ausübung des Vorkaufsrechts.

Für Schaumann ist das ein Schlag: "Die haben mir den Boden unter den Füße weggezogen, meine komplette Existenz zerstört", erklärt er am Tag nach der Entscheidung. Den Einsatz von Zigtausend Euro habe man ignoriert. Der Keller sei proppevoll, er wisse nicht wohin mit den Handelswaren: "...keine Garage mehr. Kein Lager mehr. Gar nichts mehr", erklärt Schaumann verzweifelt.

Kommentar: Schnäppchen

Von Marzell Steinmetz

In der Nacht nach der Gemeinderatssitzung habe er kein Auge zugetan, sagt Karl-Heinrich "Bumme" Schaumann. Dass die Stadt Sulz von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen will, grenzt in seinen Augen an Enteignung. 3000 Euro für ein zehn Ar großes Grundstück mit Keller und Kohleschuppen hört sich ja auch verdächtig nach einem Schnäppchen für die Stadt an. Klar: Die Verwaltung kann öffentliches Interesse geltend machen. Das Grundstück an der Balinger Straße verdient keinen Schönheitspreis. Schaumann zeigt sich aber in einem Schreiben an Bürgermeister Gerd Hieber durchaus bereit, sein Anwesen zu verkaufen. Zu einem vernünftigen Preis. Keine Frage: Die Stadt kann auf ihrem Vorkaufsrecht bestehen. So wie es aussieht, lässt sich dagegen rechtlich nichts einwenden. Ob ein solches Vorgehen anständig und fair ist, darf man bezweifeln.