Jojo entdeckt in alten Zeitungsartikeln, dass "Leo, der rote Löwe" einst ein gefeierter Boxchampion war. Langsam erwacht sein Respekt vor dem "Alten". Foto: Fahrland Foto: Schwarzwälder-Bote

Auftritt der generationenübergreifenden Theatergruppe wird zum Erfolg / In eine Nische vorgedrungen

Von Sylvia Fahrland

Sulz. Eine äußerst beeindruckende Theateraufführung unter der Regie von Ursula Weber konnten die zahlreichen Besucher am Samstag bei der generationenübergreifenden Gruppe des Theaterclubs Sulz erleben.

"Herz eines Boxers" von Lutz Hübner wurde 1996 uraufgeführt und zwei Jahre später mit dem Deutschen Jugendtheaterpreis ausgezeichnet. Das Kammerspiel ist die Geschichte zweier Protagonisten, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Leo (Norbert Weber) ist ein alter Mann, der nach einem Schlaganfall teilnahmslos in seinem Rollstuhl im Zimmer der geschlossenen Station eines Altenheims sitzt – mit grotesk eingeknicktem Arm, starrem Blick und hängender Zunge im Mundwinkel.

Da taucht der junge Jojo (Magnus Kerner) auf, von der "Knacki-Brigade ›Schöner Wohnen‹", wie er selbst sagt. Weil er wegen eines Mofadiebstahls Sozialstunden ableisten muss, soll er Leos Zimmer streichen. Dabei lässt er seine Wut und Frustration verbal an dem wehrlosen alten Mann aus. Es dauert lange, bis er mit seinen Provokationen und Unverschämtheiten Leo soweit aus der Reserve lockt, dass dieser sich aus seiner selbst gewählten Deckung wagt. Auf Monolog folgt Dialog, aus der anfänglichen Perspektivlosigkeit schimmern allmählich Hoffnungen, Träume und Sehnsüchte hervor. Langsam wachsen Respekt und Verständnis füreinander, besonders als Jojo entdeckt, dass "Leo, der rote Löwe" einst ein erfolgreicher Boxer war.

Leo sieht mit Jojos Hilfe endlich einen Weg, das Geld für die Flucht nach Südfrankreich aufzutreiben. So real wird dieser Traum, dass er mittels einer Traumszene auf der Bühne dargestellt wird. Leos alter Freund Marius, charmant dargestellt von Thomas Prügel, wird gleich von zwei Frauen (Claudia Prügel und Rose Vogler-Herb) umschwärmt, tanzt und trällert Chansons und genießt mit Champagner die Leichtigkeit des Seins.

Ob es Leo nach einem misslungenen Fluchtversuch aus dem Heim doch noch gelingt, einen letzten Lebenstraum zu verwirklichen und ob Jojo sich vom Zwang seiner falschen Freunde befreien und seine Angebetete erobern kann, wird mit heiterem Grundton und gewitzten Dialogen zu Ende erzählt, die das Publikum immer wieder zum Schmunzeln oder Lachen brachten.

Der knapp 19-jährige Magnus Kerner wurde seiner Rolle als Jojo hervorragend gerecht. Kraftvoll und textsicher spielte er den unnahbaren Jugendlichen mit der großen Klappe so intensiv, dass er die Zuschauer problemlos in seinen Bann zog. Bereits bei vier Theateraufführungen hat er mitgewirkt und war auch in Schwerin beim Schultheater der Länder dabei. Nicht minder eindrucksvoll wirkte Norbert Weber als gebrochener und resignierter Heimbewohner, der zum Ratgeber seines jugendlichen Freundes wird und selbst noch einmal zu leben beginnt.

Regisseurin Ursula Weber bezeichnet die erste gemeinsame Aufführung der altersgemischten Theatergruppe als Experiment. Man wolle der Forderung von Politik und Gesellschaft nachkommen, Begegnung und Verständigung von Jung und Alt zu fördern und so in eine Nische vordringen, die bislang – zumindest in Sulz – auf Theaterebene noch nicht besetzt war. Überwältigt konnte sie feststellen, dass dieses Experiment mehr als geglückt ist und eine Fortsetzung verlangt. Alle Plätze waren belegt im evangelischen Gemeindehaus; auch dort waren mehrere Generationen vertreten. Überwältigender Applaus, Begeisterungsrufe und –pfiffe belohnten das Theaterensemble für die monatelange Proben- und Vorbereitungszeit. Neben den bereits genannten Darstellern trugen Ricarda Kopf als Souffleuse, Vanessa Huber (Musik) und Max Schwab (Technik und Beleuchtung) zum Gelingen bei. u Wer keinen Platz mehr fand im zimmertheaterähnlichen Vorführsaal, sollte sich Samstag, 17. Januar 2015, im Kalender notieren. Dann wird das "Herz eines Boxers" im Kursaal in Glatt nochmals aufgeführt.