Wieder einen Erfolg landen die Mitwirkenden beim Lesecafé zum Thema Erich Kästner. Zu sehen sind Verena Kaiser, Rosmarie Ziegler, Siegbert Winkler, Julia Ahn, Sabine Posch, Klaus Meyer und Gertrud Zimmermann. Foto: Kouba Foto: Schwarzwälder-Bote

Lesecafé: Erich Kästner als der Mann, der sich gerne zwischen die Stühle setzt

Von Siegfried Kouba

St. Georgen. Es war wieder einmal eine Überraschung: mit soviel Publikum hatten die Verantwortlichen des Lesecafés nicht gerechnet. Einen freundlichen Willkommensgruß richtete Verena Kaiser an die Gäste der evangelischen Erwachsenenbildung. "Ich kam zur Welt und lebe trotzdem weiter" war das Motto. Neben der bewährten Truppe bereicherten die Pianistinnen Sabine Posch und Julia Ahn das Programm mit Stücken aus Robert Schumanns "Kinderszenen". So das wiegende "Von fremden Ländern und Menschen", das gefühlvolle "Fürchtenmachen", das melancholische "Fast zu ernst", die kecke "Kuriose Geschichte" und die weltberühmte "Träumerei".

Sabine Posch setzt musikalischen Akzent

Einen Akzent setzte Posch mit dem sinnlichen Zarah-Leander-Song "Nur nicht aus Liebe weinen", das bestens zur Darstellung der amourösen Betrachtungen Kästners "Sachliche Romanze" und "Ein Mann gibt Auskunft" passte. Die sprachlich gewandte Akteure Verena Kaiser, Klaus Meyer, Siegbert Winkler, Rosmarie Ziegler und Gertrud Zimmermann zeigten in poetischen Bildern ein Leben und Wirken Kästners, das nicht nur auf "Emil und die Detektive" reduziert war.

Neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit wurden der seinen Eltern zugeneigte Sohn, der politische Beobachter, der Journalist, der Moralist, der Realist, der Liebhaber, der Chronist, der Historiker und Anti-Militarist beleuchtet. Die facettenreichen Stationen seines Lebens wurden in "Kurzgefasster Lebenslauf" oder "Als ich ein kleiner Junge war" genauso festgehalten wie in "Primaner in Uniform" oder "Sergant Waurich".

Unverkennbar war schon in Kästners Jugend der kritische Blick und das Quäntchen Ironie, das bis ins hohe Alter erkennbar bleibt, deutlich im Titel der Veranstaltung heraus leuchtete. Er blieb der Mann, der "sich gerne zwischen Stühle setzte". Kästner wurde am 23. Februar 1899 in Dresden geboren und starb am 29. Juli 1974 in München.

Zwischen den beiden Buchdeckeln lagen der Besuch Volksschule, Beziehung zur "Übermutter", ihr Friseursalon im Schlafzimmer, Drang berühmt zu werden, verhasster Militärdienst, Krieg, Studium, verschiedene Liebesverhältnisse, Zeitungsarbeit, Bücherverbrennung durch die Nazis, das "Herz auf Taille", Zeitgeschichte, Anti-Spießbürgertum, Gestapo, Tirol und TB-Erkrankung.

"Kennst du das Land, wo die Kanonen blühn?"

Deutlich wurde die innere Einstellung Kästners: Wider den deutschen Geist oder "Kennst du das Land, wo die Kanonen blühn?". Er sieht das sinkende Schiff, wünscht sich einen Frühling der Geschichte herbei, spießt das Tausendjährige Reich auf und ahnt: "Wir sind so frei – wir werden ja sehn". Er befürwortet die Ostermärsche und postuliert die immer noch geltende "Konferenz der Tiere", ein Manifest des Rechts der Kinder auf eine friedliche Welt. Prophetisch klingt sein "Ihr seid das Volk" und er zieht mit "Alter Herr anno 1970" Bilanz.

Einen Gag ließen sich die Rezitatoren einfallen, als Klaus Meyer die Lesung aus "Emil und die Detektive" mit den "kriminalistischen Nadelstichen" abrupt enden ließ – Aufforderung zum Nachlesen.