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Neuartiges Verfahren soll Geruchsbelästigung mindern. SWR-Team filmt Versuch ausgiebig.

St. Georgen-Brigach - Wohl jeder, der auf dem Land wohnt, kennt es: Zu bestimmten Zeiten kann es einem gewaltig stinken. Grund dafür ist die Gülleausbringung der Landwirte nach dem Abmähen der Wiesen und Felder. Doch warum ist das so und muss das wirklich so sein?

Flüssige Gülle, also die von Schweinen und Rindern, stinkt. Grund des teils recht penetranten Gestanks sind das Enzym Urease, das den Harnstoff des Urins in Ammoniak und Kohlendioxid umwandelt, und organisch erzeugte Amine als Abbauprodukte von Proteinen. Wird diese Gülle nun ausgebracht, entweicht das leicht flüchtige Ammoniak. Es wird verweht auf umliegende Wälder, Moore und Gewässer und verursacht dann sauren Regen.

Stinkende Gülle begünstigt auch die Vermehrung krankheitserregender Bakterien. Unter ihnen sind die Clostridien besonders wegen der Erregung von chronischem Botulismus und Rauschbrand gefürchtet. Die vielfältigen Gülleprobleme lassen sich auf überraschend einfache und relativ billige Weise durch ein Verfahren lösen, das als "Läuterung der Gülle" bezeichnet sei. Bei ihm spielen Milchsäurebakterien, weitere Mikroorganismen, Huminsäuren und so genannte ökologische Hilfsstoffe entscheidende Rollen.

Wie aber funktioniert diese Läuterung? Relativ einfach, zeigt Martin Wetzel auf. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Nachhaltigkeit in jeder Form und sucht überall nach Möglichkeiten, "die Welt zu retten". "Es gibt wohl einen Zusammenhang zwischen vielen Todesfällen in der Landwirtschaft durch Feinstaub und der Gülleausbringung", ist er überzeugt Außerdem "stinkt" auch vielen Vermietern von Ferienwohnungen oder Hotelbesitzern in ländlichen Gegenden die Ausbringung der stinkenden Brühe gewaltig. Selbst Anwohner holen ihre Wäsche rein, wenn in relativ weiter Umgebung gegüllt wird.

"Mit diesem Verfahren, das der Agraringenieur Uwe Böhm stark verfeinert hat, wird die Geruchsbelästigung zum einen auf ein absolutes Minimum reduziert. Das aber ist bei Weitem nicht alles!", betonte Wetzel im Gespräch mit unserer Zeitung. Denn nebenbei sei die Gülle selbst unverdünnt wesentlich bodenverträglicher und dünge wesentlich intensiver – ohne die Nachteile einer starken Düngung.

Umwandlungsprozess dauert sechs Wochen

Die Milchsäurebakterien benötigen Stickstoff- und Phosphorverbindungen zum Körperaufbau und geben diese nur langsam frei, wenn sie nach Ausbringung der Gülle sterben und verwesen. Daher schone die behandelte Gülle auch Bodenlebewesen und erzeuge verbesserte Erträge. Seinen Nachbarn Michael Lehmann, der im Zinken den wohl hintersten Hof betreibt, konnte er überzeugen, einen Versuch zu starten. Und der ist mittlerweile überzeugt.

"Die Impfung der Gülle ist recht einfach. Wenn nur noch wenige Gülle in der Grube ist, werden in einem größeren Behälter etwa 15 Liter Lauwarmes Wasser mit den drei Komponenten gemischt und in die Gülle eingebracht, die dann mit diesem Starter gut verrührt werden muss. Indem sich die Grube weiter füllt, sollte mindestens einmal pro Woche gerührt werden. Nach rund drei Wochen sollte noch einmal nachgeimpft werden, um den Umwandlungsprozess zu stabilisieren – obwohl schon jetzt der üble Geruch kaum noch nachgewiesen werden kann", zeigt sich Wetzel überzeugt. Nach insgesamt sechs Wochen ist die Gülle wie verwandelt – sie stinkt kaum noch, nur noch ein Hauch von verrottetem Festmist und Waldboden liegt über der Güllegrube.

Martin Wetzel ist von der Wirksamkeit der behandelten Gülle überzeugt. So sehr, dass er sich an Landwirtschaftsämter und das Landwirtschaftsministerium in Baden-Württemberg gewandt hat. Am Landwirtschaftlichen Zentrum in Aulendorf, einer Versuchsanstalt für Viehhaltung, verfolgt man die Tests mit Interesse. Es sei aber zu früh, das Ganze jetzt schon als Durchbruch zu feiern.

Dennoch schien diese Tatsache auch den Südwestrundfunk in Freiburg überzeugt zu haben. Denn als Michael Lehmann nun endlich seine Gülle ausbringen konnte, stand ein Team des Regionalsenders bereit und filmte den Versuch ausgiebig. "Schade, dass wir noch kein Geruchsfernsehen haben, das hier wäre geradezu prädestiniert, um den Zuschauern den deutlich reduzierten Gestank zu demonstrieren", so der zuständige Redakteur Fabian Siegel, der mit Christian Friedl und Slavik Wagner von "Kranz Vilm" unterwegs war. Schon die Tatsache, dass er ein Interview direkt über der offenen Güllegrube führen konnte, sei ein deutlicher Hinweis zur Wirksamkeit der Mischung.

Das Schönste aber, so Wetzel und Böhm, sei die Tatsache, dass man im Idealfall nur zwei Impfungen brauche. "Wenn genügend geimpfte Restgülle im Behälter verbleibt, reicht das wieder als Starter für den Fortgang der Prozesse", sind sich die Beiden sicher.