Berlin - Der Freundeskreis steht wieder gemeinsam auf der Bühne. Klar, dass sie dabei nicht fehlen darf: Joy Denalanes. Ihre musikalische Biografie ist eng mit einer Popmärchenliebe verbunden. 1999 sangen Max Herre und sie den Freundeskreis-Titel „Mit dir“, wurden ein Paar, Eltern, trennten sich. Heute sind sie wieder zusammen. Vor allem aber hat sich die Soul-Sängerin Joy Denalane musikalisch neu erfunden. Sie sitzt im achten Stock im Konferenzraum von Universal. Die Sonne scheint, ihre Lippen glänzen. Sie blickt auf die Spree, auf die Oberbaumbrücke und hinüber nach Kreuzberg. Es passt ganz gut, Joy Denalane in ihrer Heimatstadt zu treffen. Ihr Album „Gleisdreieck“ ist voll von Berlin Referenzen und biografischen Erlebnissen. Ein Gespräch über Scheitern, Rassismus und Liebesdinge.

Joy Denalane, „Gleisdreieck“ ist der Titel Ihres Albums, aber auch der Name eines Berliner U-Bahnhofes.
Ich habe natürlich die Hoffnung, dass der Titel auch für Menschen, die nicht aus Berlin kommen, einen Sinn ergibt. Für mich ist es der Bahnhof, an dem ich aufgewachsen bin. Der Bahnhof an sich ist ein Ort des Abschieds, des Umsteigens und der Begegnung. Es ist ein Bild, das für das Leben an sich steht. Und ich habe auf diesem Album ein Panorama meines Lebens gezeichnet.
Sie sind in Berlin aufgewachsen und nach ein paar Jahren in Stuttgart schon wieder lange dort. Wie hat sich die Stadt verändert?
Berlin hat sich schon immer sehr verändert. Es ist eine Stadt in totaler Bewegung. Berlin ist eine Stadt mit sehr viel Fläche, wo viel bebaut werden konnte. Ich erinnere mich, dass mein Vater, als ich noch ein Kind war, immer gesagt hat: „Diese ewige Baustelle.“ Es ist für mich immanent, dass sich die Stadt immer verändert. Durch diesen Welterfolg, den die Stadt feiert, gibt es natürlich auch Gentrifizierung. Die Lebenshaltungskosten haben sich nach oben bewegt. Es ist immer noch viel günstiger als in anderen Großstädten. Dennoch macht das etwas mit den Menschen, die hierher kommen. Berlin war immer die Stadt der Pioniere. Die Menschen konnten hier ihren Träumen nachgehen. Und es ist auch eine Stadt des Müßiggangs - ganz anders als Stuttgart. Das ist für mich eine Stadt der Genauigkeit, Arbeit, Sicherheit, des Fokus und des Fleißes. Auch wenn das stereotyp klingt.
Ihr Album ist sehr persönlich und voll von Berlin-Referenzen inklusive Stadtgeräuschen.
Für mich ist es kein Berlin-Album. Berlin ist zufälligerweise meine Heimatstadt. Ich komme von hier und war nur drei Jahre nicht in dieser Stadt. Das war eben meine Phase in Stuttgart. Für mich ist Berlin meine natürliche Umgebung. Es ist Zufall, dass die Stadt gerade hip ist.

„Je mehr man erlebt, desto weniger Gewissheit gibt es“

Wie schwierig war es, sich auf dem Album so sehr zu öffnen?
Alle Alben waren immer persönliche Alben. Ich habe mir stets Mühe gegeben, zu reflektieren, wo ich gerade stehe. Das ist jetzt die Platte, die vielleicht nicht die Antworten parat hat. Das hat etwas mit der Erfahrung zu tun, die mit dem Leben einhergeht. Je mehr man erlebt, desto weniger Gewissheit gibt es über die Dinge. Es sind vielleicht mehr Unsicherheiten und dadurch auch Nahbarkeit zu spüren.
Sie klingen auch nicht mehr grundoptimistisch.
Mit Erfahrungen im Leben geht auch ein gewisser Kontrollverlust einher. Es gibt Dinge, die man nicht beeinflussen kann. Ich finde das aber nicht schlimm. Weil man sich nicht mehr so im Zentrum der Dinge sieht.
Ihre Musik ist nicht mehr der klassische Soul, sondern eher moderner R ’n’ B. Wie kam es zu dieser Entwicklung?
Nach dem letzten Album „Maureen“ bin ich mit einem Team nach New York und habe dort Songs geschrieben. Ich hatte eine bestimmte Idee von Sound, der wir nachgegangen sind. Das klang am Ende sehr retroesk, sehr dynamisch. Dann ging es mit diesem Album in die Planung. Irgendwie war es das aber nicht. Es gab Momente der Wiederholung. Dann habe ich alles komplett verworfen und noch mal von vorne angefangen. Daraus entstand die Idee, neue Leute hinzu zu nehmen. Das waren wichtige Begegnungen. Die Leute stellen neue Fragen. Man umgeht auch manche Themen in seinem gewohnten Umfeld. Die Unvoreingenommenheit dieser neuen Leute war magisch.
Es lagen sechs Jahre zwischen den Alben. In einer Musikerkarriere ist das eine sehr lange Zeit. Ein fertiges Album zurückzustellen, ist das auch ein Moment des Scheiterns?
Ja, bestimmt. Das war es. Aber es ist auch immer die Chance, es besser zu machen. Ich harre nie lange in Selbstmitleid aus. Das verbiete ich mir. So konnte ich mich auch schnell vom Scheitern erholen.

„Ich wusste schon immer, dass ich anders aussehe“

Das Lied „Zuhause“ ist ein Dialog mit Ihrer Mutter, die 2000 verstorben ist. Wie wichtig ist sie noch heute in Ihrem Leben?
Eltern bleiben immer gleich wichtig. Ich habe meine Mutter 27 Jahre lang gehabt. Ich habe viel von ihr mitbekommen, sie war eine sehr starke Person in unserer Familie, eine Frau, die immer mit Rat und Tat zur Seite stand. Ich frage mich heute oft, was sie wohl zu etwas gesagt hätte. Sie ist immer noch sehr präsent. Vor allem, wenn man selbst Mutter ist. Da vergleicht man sich. Und es schleichen sich unweigerlich Parallelen ein.
Ihre Mutter hat sich auch immer vor Sie gestellt. Sie haben als Kind schon Rassismus kennen gelernt.
Ich wusste schon immer, dass ich anders aussehe als die Mehrheit. Als ich in die Schule kam, wurde ich von außen darauf hingewiesen. Es gab Beschimpfungen. Und auch in Kreuzberg stand auf Häusern „Ausländer raus“. Mit der Ablehnung von Fremdem bin ich aufgewachsen. Ich habe aber auch immer genau hingeschaut, hatte keinen Verdrängungsfilter. Es gab mein Leben lang immer wieder Situationen, in denen ich beschimpft wurde. Oder wenn ich auf Englisch angesprochen werde, auf Deutsch antworte, und es geht dann auf Englisch weiter: das ist so ein Beispiel für tägliche Ignoranz. Als ob Deutschland kein Einwanderungsland wäre. Nach dem Mauerfall gab es eine Zuspitzung. Da war es sehr unangenehm, es gab viele Übergriffe. Einige Bezirke in Berlin waren No-Go-Areas für mich, weil dort viele Faschos waren.
Wie ist es heute?
Vor zwei Jahren gab es eine neue Zuspitzung durch die sogenannte Flüchtlingskrise, als sich Menschen in ihrem Zuhause nicht mehr sicher fühlen konnten, und eine gefährliche Reise antraten, um an einen Ort zu kommen, an dem sie sicher sind. Es gibt neben der Willkommenskultur den krassen Gegensatz der Ausgrenzungskultur. Das habe ich extrem gespürt.
Ihre Kinder auch?
Vieles ist genau so wie eh und je. Es gibt Mitschüler, die verbal zuschlagen, die über „Ausländer und Neger“ abwertend reden. Ich wundere mich sehr, dass das noch so präsent ist. Das sagt ja auch viel über das Elternhaus aus.

„Ich frage mich, ob ich Helikopter-Mutter bin“

Wie schwierig war es, sich auf dem Album so sehr zu öffnen?
Alle Alben waren immer persönliche Alben. Ich habe mir stets Mühe gegeben, zu reflektieren, wo ich gerade stehe. Das ist jetzt die Platte, die vielleicht nicht die Antworten parat hat. Das hat etwas mit der Erfahrung zu tun, die mit dem Leben einhergeht. Je mehr man erlebt, desto weniger Gewissheit gibt es über die Dinge. Es sind vielleicht mehr Unsicherheiten und dadurch auch Nahbarkeit zu spüren.
Sie klingen auch nicht mehr grundoptimistisch.
Mit Erfahrungen im Leben geht auch ein gewisser Kontrollverlust einher. Es gibt Dinge, die man nicht beeinflussen kann. Ich finde das aber nicht schlimm. Weil man sich nicht mehr so im Zentrum der Dinge sieht.
Ihre Musik ist nicht mehr der klassische Soul, sondern eher moderner R ’n’ B. Wie kam es zu dieser Entwicklung?
Nach dem letzten Album „Maureen“ bin ich mit einem Team nach New York und habe dort Songs geschrieben. Ich hatte eine bestimmte Idee von Sound, der wir nachgegangen sind. Das klang am Ende sehr retroesk, sehr dynamisch. Dann ging es mit diesem Album in die Planung. Irgendwie war es das aber nicht. Es gab Momente der Wiederholung. Dann habe ich alles komplett verworfen und noch mal von vorne angefangen. Daraus entstand die Idee, neue Leute hinzu zu nehmen. Das waren wichtige Begegnungen. Die Leute stellen neue Fragen. Man umgeht auch manche Themen in seinem gewohnten Umfeld. Die Unvoreingenommenheit dieser neuen Leute war magisch.
Es lagen sechs Jahre zwischen den Alben. In einer Musikerkarriere ist das eine sehr lange Zeit. Ein fertiges Album zurückzustellen, ist das auch ein Moment des Scheiterns?
Ja, bestimmt. Das war es. Aber es ist auch immer die Chance, es besser zu machen. Ich harre nie lange in Selbstmitleid aus. Das verbiete ich mir. So konnte ich mich auch schnell vom Scheitern erholen.