Der für seine spektakulären Beinscheren bekannte Jonathan Berstecher wurde erneut Europameister im Vovinam-Freikampf. Foto: Priestersbach Foto: Schwarzwälder-Bote

Kampfsport: Jonathan Berstecher von Deckenpfronner Vovinam-Sportgruppe hat sich in Vietnam vorbereitet

Von Uwe Priestersbach

Die Deckenpfronner Vovinam-Sportgruppe kehrte erneut mit einer Goldmedaille von den Europameisterschaften zurück. Der 25-jährige Jonathan Berstecher konnte im belgischen Lüttich seinen Titel von 2012 im Freikampf erfolgreich verteidigen.

Rund 400 Teilnehmer aus Belgien, Frankreich, Spanien, Polen und Deutschland gingen in diesem Jahr bei der EM an den Start, um in den verschiedenen Disziplinen der Kampfsportkunst ihre Meister zu ermitteln. Vovinam wurde 1938 in Vietnam als Sportart gegründet und gewinnt in der Kampfsportszene zunehmend an Aufmerksamkeit.

Die deutsche Delegation war in Lüttich mit zwölf Schülern und drei Meistern vertreten. Zwar warfen die Terroranschläge in Brüssel noch einen Schatten auf die EM, was an den verschärften Sicherheitsmaßnahmen im Eingangsbereich deutlich wurde, doch die Sportler ließen sich davon nicht weiter beeindrucken. "Am Ende freuten sich alle, dass die EM ohne Zwischenfälle durchgeführt werden konnte", so Vovinam-Meister Rainer Klamser, der 1985 die Deckenpfronner Vovinam-Sportgruppe gegründet hatte.

"So einen Schüler kriegt man nicht so oft. Er sticht schon aus der Masse heraus", erklärt Klamser mit Blick auf den neuerlichen Titel von Berstecher, der seit neun Jahren sein Schüler ist. Im Freikampf setzte sich der Kuppinger mit gekonnten Schlag-Tritt-Kombinationen sowie Würfen und fast schon akrobatischen Beinscheren gegen die Konkurrenz durch – und setzte dieses Jahr sogar noch einen oben drauf.

Hatte er 2012 noch als Schüler in der Klasse bis 70 Kilogramm gekämpft, so trat er jetzt bei den Trainern bis 75 Kilogramm an. "Das ist schon noch mal eine Stufe höher als vor vier Jahren", erklärt der 58-jährige Vovinam-Meister.

"Da ist man schon glücklich, dass man es noch kann", freut sich Jonathan Berstecher, der als Physiotherapeut in Deckenpfronn tätig ist, über seine neuerliche Goldmedaille. Denn die Konkurrenz ist groß und nach vier Jahren sind eben auch neue Kämpfer am Start.

Und so stand Jonathan Berstecher jüngst im Finale einem französischen Kämpfer gegenüber. "Das war ein sehr ausgeglichener Fight, und am Ende ein knapper Sieg", weiß der frischgebackene Europameister.

Allerdings war er bereits mit einem guten Gefühl nach Lüttich gereist, sagt Berstecher, der seit sechs Monaten eine Weltreise unternimmt und sich derzeit nur auf Zwischenstation in Deckenpfronn aufhält. Und was lag da näher, als sich im Geburtsland der Kampfsportkunst auf die EM vorzubereiten. So hielt sich Berstecher zwei Monate in Saigon zum Trainieren auf, um weitere Erfahrungen zu sammeln.

"Dort macht fast jedes Kind Vovinam, das ist wie bei uns Fußball", erklärt der Vovinam-Trainer. So musste er zwar feststellen, dass in Vietnam teilweise mit anderen Techniken gekämpft wird, aber das Training war für ihn eine wichtige Erfahrung.

Vor allem als Mann habe man es relativ leicht in Vietnam, wo es nach wie vor noch eine gewisse Hierarchie zwischen Männern und Frauen gebe. "Ich habe da nie ein Problem gehabt und bin als Ausländer sehr herzlich empfangen worden", sagt Berstecher mit Blick auf seine durchweg positiven Erfahrungen.

Das nächste Ziel hat er bereits im Visier. Bei der Weltmeisterschaft 2018 im Senegal möchte der Kampfsportler auf das Treppchen kommen, nachdem es bei der WM vor zwei Jahren in Paris nicht geklappt hatte.