Auf dem Platz bitterernst, abseits des Courts strahlt sie: die Niederländerin Lesley Kerkhove. Foto: Stock Foto: Schwarzwälder-Bote

Tennis: Lesley Kerkhove zählt in Bildechingen zum Kreis der Titelfavoriten

Medaillen haben bekanntlich zwei Seiten – und Menschen können zwei Gesichter haben. So auch Lesley Kerkhove. Nur wenige Spielerinnen wirken auf und abseits des Spielfeldes so unterschiedlich, wie die Niederländerin.

Beobachtet man Lesley Kerkhove auf dem Court, wirkt sie emotionslos, fast ein bisschen unsympathisch – da ist keine Freude, keine Wut, keine Zufriedenheit oder Unzufriedenheit aus ihrem Gesicht zu lesen, einfach nichts. Abseits der roten Asche sehen die Besucher des BMW-AHG-Cup in Bildechingen eine ganz andere Lesley Kerkhove: Eine, die lacht, die mit ihren Gegnerinnen plaudert, die sich gemütlich mit einer Brezel in der Hand das Spiel auf dem Centre Court ansieht.

Was wie Teilnahmslosigkeit oder sogar Arroganz wirkt, bezeichnet die 25-Jährige Niederländerin als "mentale Ausgeglichenheit." Genau darin sieht sie auch ihre größte Stärke auf dem Feld. Gegen die für Australien spielende Schottin Isabelle Wallace tat sich Kerkhove im ersten Satz am Donnerstagmittag allerdings schwer: "Ich dachte, dass sie, wenn sie so weiterspielen würde, vermutlich gewinnt", gibt die Niederländerin im Nachhinein zu, "aber als ich im zweiten Satz dann besser ins Spiel gefunden habe, wusste ich, dass ich gewinnen würde – davon war ich einfach überzeugt."

Lesley Kerkhove kennt sich selbst sehr gut, und sie kennt das Spiel, mit dem sie sich seit so vielen Jahren tagtäglich beschäftigt. "Mit 25 gehöre ich jetzt langsam schon zu denen, die etwas mehr Erfahrung mitbringen", sagt sie. Außerdem spielt sie schon Tennis, seitdem sie vier Jahre alt ist. "In diesem Alter war das natürlich alles nur zum Spaß", betont sie. Aufgewachsen im Städtchen Goes, das zur Provinz Seeland ganz im Süden der Niederlande gehört, wurde aus dem Hobby bald schon mehr: "Meine Eltern mussten immer öfter mit mir auf den Platz fahren, weil ich nichts anderes machen wollte, als Tennis spielen." Kerkhove durchlief alle großen Jugendturniere – im Junior Grand Slam der French Open stand sie mit Arantxa Rus sogar im Doppelfinale.

Seit dem Abitur – damals war sie 18 Jahre alt – nimmt der Sport den größten Teil ihres Lebens ein: "Eigentlich bestehen meine Tage aus Training, Spielen, Turnieren und Hotels", meint die Holländerin und lacht. Weil das so ist, versucht sie, viel mit anderen Spielerinnen aus den Niederlanden zu reisen. "Wir gehen dann abends öfter zusammen essen, können an spielfreien Tagen gemeinsam trainieren. Inzwischen kennen wir uns alle so gut, dass es immer lustig ist."

Besonders gern spielt Kerkhove Doppel. "Ich finde, man kann ausschließlich davon profitieren, weil man so viel über sein eigenes Spiel lernt", erklärt sie. Seit gut einem Jahr hat sie in der Weißrussin Lidziya Marozava eine Partnerin gefunden, mit der es läuft. Die beiden versuchen zusammen ihre nächsten Monate zu planen. "Natürlich klappt es nicht immer, dass wir zusammen spielen können, wir sind ja am Ende des Tages noch immer auf uns allein gestellt", sagt sie, "aber so aufwendig das auch ist, wir versuchen, unsere Termine bestmöglich aufeinander abzustimmen." In Wimbledon hat es für die beiden immerhin bis in die zweite Runde des Hauptfeldes gereicht. Damit schaffte Kerkhove auch den Sprung in die Top 100 der Doppelspielerinnen.

Der Weg der Niederländerin geht sowieso, seitdem sie 18-jährig in den Profibereich wechselte, konstant nach oben: Begonnen bei Rang 1053 im Jahr 2008 steht sie heute an Platz 184 – Tendenz weiter steigend. Anfang des Jahres spielte sich Kerkhove als Qualifikantin bis ins Viertelfinale des WTA-Turniers in Kuala Lumpur – "das war zusammen mit Wimbledon bisher definitiv mein Highlight", sagt sie strahlend.

In Bildechingen ist die großgewachsene, braungebrannte Brünette als zweite Spielerin des Hauptfeldes – hinter der Japanerin Misa Eguchi – gesetzt. So deutlich war ihre Überlegenheit in den bisherigen Partien allerdings noch nicht. Erst gegen Ende zeigte sie am Donnerstagmittag, was sie eigentlich drauf hat: Sie ließ ihre Gegnerin laufen, spielte regelmäßig Bälle punktgenau auf die Linie und lief im richtigen Moment ans Netz, nahm den Ball direkt und Wallace damit jegliche Chance, den Filzball doch noch zu erreichen.

Wenn sie das Turnier gewinnen will, muss Kerkhove trotzdem noch eine Schippe drauflegen, das ist ihr bewusst: "Ich denke, ich habe mich jetzt an die Bedingungen hier gewöhnt, dann dauert es im Viertelfinale hoffentlich nicht so lange, bis ich ins Spiel finde."

Eigentlich lägen ihr Hartplätze, wie zuletzt bei den US Open, sowieso besser – "da flitzen die Bälle schön", sagt sie. Auf dem harten Untergrund hat sie auch zwei ihrer drei bisherigen Einzel-ITF-Titel geholt. Der dritte Sieg gelang ihr auf Sand, in Aschaffenburg. Vielleicht sind die rote Asche und Deutschland eine gute Kombination für die abseits des Courts so freundliche Niederländerin – wenn sie ihre Stärken früher einsetzt, kann es für Kerkhove sicherlich weit nach vorne reichen. Und sollte es im Einzel nicht klappen, bleibt ihr noch immer das Doppel, das sie in dieser Woche mit ihrer Landsfrau Bibiane Schoofs spielt. Die Partie am Donnerstagabend, die sie nach ihrem Dreisatzerfolg im Einzel angehen musste, konnten die beiden jedenfalls klar für sich entscheiden.