Fürsorge- und Erziehungspflicht verletzt / Richter spricht eine Verwarnung mit Strafvorbehalt aus

Von Steffi Stocker

Simmozheim/Calw. Ein Video, das den sexuellen Missbrauch eines sechsjährigen Mädchens durch ihren vier Jahre älteren Bruder zeigt, schreckte die Schulleitung des Jungen vor zwei Jahren auf. Nachdem die Kinder aus der Familie geholt wurden, musste sich jetzt die Mutter vor Gericht verantworten.

"Die Aufzeichnung belegt, dass der Missbrauch mehrfach stattgefunden hat", stellte Staatsanwalt Thomas Trück in seiner Anklage fest. Diese wirft der 41-jährigen Mutter die Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht vor. Auch, dass in der Wohnung der Familie desolate Zustände und unhygienische Verhältnisse herrschten. "Der Schwerpunkt liegt auf dem sexuellen Missbrauch und der erkennbaren, gewissen Selbstverständlichkeit, die uns die Bilder verdeutlichen", sagte Trück bei der Verhandlung vor dem Strafgericht.

Eine Pädagogin war demnach im Mai vor zwei Jahren auf das Video aufmerksam geworden und hatte die Kriminalpolizei informiert. "Nachdem wir in der Schule mit dem filmenden Schüler gesprochen hatten, kontaktierten wir das Jugendamt und sind zu der Familie gefahren", berichtete der ermittelnde Kriminaloberkommissar. "Ich habe nichts mitbekommen von den Vorgängen auf dem Video und weder in der psychologischen Behandlung meines Sohnes noch im Kindergarten meiner Tochter sind Erkenntnisse oder Auffälligkeiten bekannt", wehrte sich die Mutter. Gleichzeitig räumte sie aber eine Überbelastung nach der Scheidung und mit seinerzeit vier Kindern ein.

Noch am Tag des Besuchs in der Familie habe das Jugendamt die Kinder mitgenommen, berichtete eine Kripobeamtin. "Sie hat erzählt, dass der Geschlechtsverkehr mehrmals sowohl in einem Hüttle, als auch im Kinderzimmer stattgefunden hätte", so die Ermittlerin. Das Mädchen lebt inzwischen in einer Pflegefamilie. Der Bruder war zunächst in einem Kinderheim untergebracht und lebt jetzt bei seinem leiblichen Vater. Eine Sachverständige hatte dem Familiengericht empfohlen, dass die Kinder nicht zurück in den Haushalt der Mutter kommen. Es solle vor allem mit der Tochter ein stufenweise betreuter Umgang stattfinden. "Was im Sinne der Kinder geschehen musste, ist geschehen", sagte der vorsitzende Richter Marco Laxgang. Aufgrund der Verhandlung sah er den Vorwurf der Verletzung von Fürsorge- und Erziehungspflicht bestätigt.

Laxgang sprach gegenüber der Mutter eine Verwarnung aus und behält sich eine Geldstrafe in Höhe von 1800 Euro vor, sofern sie sich in der 18-monatigen Bewährungszeit etwas zuschulden kommen lasse. "Für ihre Tochter war es eine furchtbare Situation, die Entwicklung und Verhalten beeinträchtigen werden, auch wenn sie es nicht bemerkt haben wollten", sagte der Staatsanwalt im Plädoyer. Aufgrund der bereits erfolgten Maßnahmen war er mit der Ausnahmeregelung in der Strafzumessung einverstanden. "Sie hatte keine Anhaltspunkte dafür, will aber Abstand davon nehmen, die Kinder nochmals zu vernehmen", befürwortete zudem Verteidiger Hans-Dieter Wurster das Urteil.