Das einfallsreiche Bühnenbild trug ebenso zur gelungenen Premiere bei wie das beflügelte Ensemble. Foto: Köncke Foto: Schwarzwälder-Bote

Premiere: Kulturwerkstatt Simmersfeld erfüllt mit "Schnaitbach"-Fortsetzung hochgesteckte Erwartungen

Ein beflügeltes Ensemble, die Hauptrollen ideal besetzt, Szenen die an- und berühren, Musik, die Gefühlswelten erschließt, ein einfallsreiches Bühnenbild: Auch die Fortsetzung der Dorfsaga "Schnaitbach" im Simmersfelder Festspielhaus erfüllte hochgesteckte Erwartungen.

Simmersfeld. Wer den ersten Teil verpasst hatte, wurde durch einen Video-Mitschnitt auf den aktuellen Stand der Handlung gebracht. Wie bei allen bisherigen Produktionen der Kulturwerkstatt Simmersfeld – inzwischen ist es die 13. – brach man zu einer Wanderung ins Freie auf. Der Weg führte in dunkler Nacht durch einen Hinterhof zu einem Schuppen und weiter auf eine Wiese, die den Bodensee symbolisieren sollte – so als befänden sich die Zuschauer gemeinsam mit der Jüdin Lorle Waidele (Birgit Heintel) auf der Flucht: weg aus dem geliebten Schwarzwälder Heimatdorf, weg vom aufziehenden Faschismus in Nazi-Deutschland, weg mit dem Schiff von Marseille nach Amerika.

Am Schwäbischen Meer kommt es zu einem dramatischen Erlebnis: Der Kinderwagen mit dem neugeborenen Sohn bricht auf dem gefrorenen Eis ein. Lorles Freundin Ida Pfeifer (Aline Tausch) kann Ludwig im letzten Moment retten, sie rennt mit ihm zurück ans Ufer und lässt die vorausgeeilte junge Mutter mit ihrer Verzweiflung und markerschütternden Schreien allein.

In New York findet Lorle eine Anstellung als Dienstmädchen beim emigrierten deutschen Komponisten Kurt Weilland (Frank Gretenkort) und dessen Frau Lotte (Ute Römer-Lissl). Sie taucht ein in eine fremde Welt, lernt schillernde Freunde des Ehepaares kennen: den Filmproduzenten Ronald Rotherford (Lou Dömeland), die Hollywoodschauspielerinnen Daisy Clementine (Lena Lenk), Tracy Williams (Julia Tausch) und den Musicalsänger Cassius Hollyday (Maurice Bajohr), in den sich Lorle nach anfänglichem Zögern verliebt. Ihre Heimat kann sie trotzdem nicht vergessen, viele Briefe wandern in den kommenden Jahren über den großen Teich nach Schnaitbach, wo sich in der Zwischenzeit einiges verändert hat.

Die Begegnung und aufkeimende Liebe zwischen Cassius und Lorle, ein Schicksal, das zusammenschweißt – sie eine verfolgte Jüdin, er ein Afroamerikaner in einer ablehnenden Gesellschaft von Weißen – ist ein Höhepunkt der zweistündigen Aufführung des Einakters. Überhaupt sind alle Rollen bestens besetzt – besonders gut in Szene setzten sich in der alten Heimat Chris Blaich-Lenk als Schwiegermutter Bärbel und Tante Grete aus Frankfurt (Hilde Steiner).

Der dritte Teil kündigt sich bereits an

Beim Bühnenbild hat sich die Kulturwerkstatt einiges einfallen lassen: das große Steuerrad eines Überseedampfers am Hintereingang des Festspielhauses, die Beförderung der Briefe von der Wohnung in New York (mit der Skyline an der Rückwand) zum beschaulichen Schnaitbach, der auf- und zugezogene Vorhang am Bühnenaufgang als Ankündigung eines Szenenwechsels und als Projektionsfläche für die Einblendung von Hollywoodklassikern wie "Vom Winde verweht" und "Casablanca" – Lorle und Cassius sind leidenschaftliche Kinogänger.

Regisseur Andreas Jendrusch hat unterschiedliche Lebensentwürfe und private Schicksale in einer politisch in Aufruhr geratenen Welt zupackend und das Zusammenspiel unterschiedlicher Charaktere stimmig inszeniert. Die für "Schnaitbach II – Auf und davon" komponierte Musik von Hannah Schwegler rundeten einen Theaterabend wie aus einem Guss ab. Der Schlussbeifall dauerte lang und belohnte reife Leistungen. Die Ankündigung, von Lorle, dass sie – der Zweite Weltkrieg ist zwei Jahre vorbei – in ihre Heimat zurückkehren will, macht Appetit auf den letzten Teil der Trilogie im Sommer 2017 – dann wieder überwiegend unter freiem Himmel.

Weitere Aufführungen von "Schnaitbach II – Auf und davon" stehen am heutigen Samstag ab 20.30 und am morgigen Sonntag ab 18 Uhr auf dem Spielplan. Zudem sind Vorstellungen für Donnerstag bis Samstag, 17. bis 19. November, jeweils ab 20.30 Uhr und für Sonntag, 20. November, ab 18 Uhr angekündigt. Eintrittskarten gibt es im Vorverkauf unter Telefon 07484/9 29 99 33 und an der Abendkasse.