Carsten Kohlmann berichtet den Zuhörern in seinem Vortrag über das Gegen- und Miteinander der beiden Konfessionen in Sulgen. Foto: Fritsche Foto: Schwarzwälder-Bote

Kirchenjubiläum: Geschichtsstunde über katholische und evangelische Konfessionen und Pfarrgemeinden in Sulgen im Lauf der Zeit

Das Vortragsthema "Katholisch und Evangelisch Sulgen – von den Anfängen bis zur Gegenwart" und dessen Referent Carsten Kohlmann erwiesen sich gleichermaßen als Zugpferde der Veranstaltung zum Kirchenjubiläum.

Schramberg-Sulgen. So viele Mitglieder der Kirchengemeinde kamen zum Vortrag in den Saal des Pfarrhofs, dass es zusätzliche Stühle brauchte. Nach den einführenden Worten der zweiten Kirchengemeinderatsvorsitzenden Monika Doedt konnte Carsten Kohlmann mit seinem Vortrag in freier Rede beginnen, den er im übrigen den Sulgenern Heimatforschern Hubert Haas und Martin King widmete. Als Leiter von Stadtarchiv und Museum schöpfte er bei den historischen Quellen wieder einmal aus dem Vollen.

Von der ersten urkundlichen Erwähnung des Ortes im Jahr 1304 bis in die Gegenwart nahm er die Zuhörer auf eine "punktuelle Zeitreise durch die bi-konfessionelle Vergangenheit" mit, die er mit vielen historischen Abbildungen und Fotos illustrierte: Ähnlich wie in Evangelisch und Katholisch Tennenbronn gab es auf dem Sulgen die Aufteilung in einen evangelischen und einen katholischen Gemeindeteil, nur dass dies nicht auch im Ortsnamen aufgeführt wurde. Ab 1534 hatte sich in einem längeren Prozess eine evangelische Kirchengemeinde gebildet. "Anfangs durften die Mitglieder noch die katholischen Gottesdienste besuchen, später wurde das verboten". So wurde dann einmal im Monat ein Gottesdienst im Gasthaus Bären abhalten. Der Pfarrer kam zu Pferd aus der zuständige Pfarrei Weiler.

Gegenseitige Provokationen gehören über Jahre dazu

Während die katholischen Sulgener anfangs nur über den Gottesdienstort spotteten ("Bei denen klingen die Gläser, bei uns die Glocken"), wurde das Klima im Lauf der Jahre rauer, bis hin zu einem regelrechten Hassklima. Am 16. März 1623 wurde der Weiler Pfarrer vom österreichischen Obervogt verhaftet, zwei Wochen auf dem Schlossberg gefangen gehalten und misshandelt. Er starb kurz darauf mit nur 30 Jahren an den Folgen der Haft. In langen Jahren danach schenkten sich beide Seiten nichts: Provokationen in Wort und Tat kamen immer wieder vor, Gebietsübertretungen bei Prozessionen zum Beispiel.

Es folgten wechselnde gebietliche und kirchengemeindliche Zuordnungen bis ins 19. Jahrhundert, in dem das "Zweite konfessionellen Zeitalter" der Konfliktbetonung und Abgrenzung zwischen den Konfessionen begann, nicht zuletzt wegen des Unfehlbarkeitsdogmas des Papstes. Zu Ende ging es mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil 1962 bis 1965, Anstoß für eine "zunehmend wachsende ökumenische Gemeinschaft" zwischen den beiden Konfessionen. Davor hatte schon das sich im 19. Jahrhundert sich entwickelnde Vereinsleben begonnen, "soziale Brücken durch konfessionsübergreifende Vereine geschlagen", zum Beispiel durch die Kriegsveteranenvereine.

1934 schlossen sich das evangelische Sulgau und der katholische Sulgen unter dem Druck der Nationalsozialisten zusammen. 1939 erfolgte die Eingliederung zu Schramberg, was zu starken sozialen Veränderungen führte: "Viele Schramberger zogen hoch auf den Sulgen". Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Sulgen gänzlich zur "Bergvorstadt für Gewerbe und Wohnungen". Flüchtlinge aus den Ostgebieten, viele davon evangelisch, siedelten sich zudem im Wittumgebiet an.

1957 wurde dann die heutige evangelische Kirche gebaut. Die neuere Entwicklung der letzten Jahrzehnte gehörte dann zunehmend einer konfessionellen Ausdifferenzierung durch Sonderentwicklungen und Abspaltungen der religiösen Richtungen, einer großen Vielfalt in einem relativen kleinen Ort: "Auf dem Sulgen, dem Himmel näher, jeder nach seiner Fasson selig werden kann", schloss Kohlmann seinen Vortrag.

Wieder einmal hatte die Zuhörerschaft staunen können über die Vortragskunst und das phänomenale Gedächtnis von Kohlmann, der Historisches fesselnd in freier Rede ohne Manuskript vorzutragen versteht, einschließlich aller Jahreszahlen und komplexen Namensgebungen von historischen Figuren und Institutionen. Die Zuhörer dankten es ihm auch diesmal mit großem Beifall und fanden sich nach dem Vortrag bei kühlen Getränken noch lange zu lebhaften Gesprächen zusammen.