Zünderproduktion in den Uhrenfabriken Gebrüder Junghans im Ersten Weltkrieg Fotos: Stadtarchiv Foto: Schwarzwälder-Bote

Serie (7): "Der Raum Schramberg im Ersten Weltkrieg": Junghans als bedeutender Rüstungsbetrieb

Die Uhrenfabriken Gebrüder Junghans waren einst ein bedeutender Rüstungsbetrieb, der Zünder für Munition herstellte. Robin Wußler, Schüler des Gymnasiums Schramberg, berichtet darüber im siebten Teil unserer Serie "Der Raum Schramberg im Ersten Weltkrieg".

Schramberg. Die Artillerie entwickelte sich im Ersten Weltkrieg zu einer Hauptwaffenart. Insgesamt wurden vermutlich etwa 850 Millionen Artillerieschüsse abgegeben. In die Munition wurde ein Zünder eingebaut, um das Geschoss beim Einschlag ins Ziel explodieren zu lassen. Um die riesige Menge an Zündern liefern zu können, spezialisierten sich mehrere Uhrenfabriken auf dieses Rüstungsprodukt, da Uhr- und Zünderwerke von der Technik her eng miteinander verwandt sind.

Die Entwicklung von Zündern hatte auf Initiative von Arthur Junghans (1852 bis 1920) schon einige Jahre vor Kriegsbeginn begonnen. Leider ist unbekannt, in welchem Jahr sie genau ihren Anfang nahm. Man weiß jedoch, dass das erste Testschießen mit Zeitzündern 1908 auf dem Truppenübungsplatz Münsingen stattfand. Diese Zeitzünder waren mit einer Technik ausgestattet, welche die Munition erst durch die Rotation des Geschosses scharf werden ließ und dadurch sicherer gehandhabt werden konnten. 1911 wurde die Erfindung patentiert.

Bei Kriegsbeginn am 28. Juli 1914 beschäftigte die damals größte Uhrenfabrik der Welt zwischen 3000 und 4000 Mitarbeiter, die täglich 15 000 Uhren fertigten. Die Nachfrage an Taschenuhren nahm zu, während die Zahl der verkauften Großuhren stark sank. Die Zifferblätter der Taschenuhren waren mit bei Dunkelheit leuchtendem Radium bemalt, was für die Soldaten bei Nacht ein großer Vorteil war. Bald begann man auch, Taschenuhren in Kapselbänder aus Leder zu stecken, sodass man sie am Arm tragen konnte. Daraus entwickelten sich damals die Armbanduhren. Einige der noch hergestellten Uhren waren mit patriotischen Bildern wie zum Beispiel einem Kaiserportrait verziert oder in den Formen verschiedener Kriegsgegenstände gehalten. 1914 kam außerdem eine von Oskar Junghans (1876 bis 1927) entwickelte Magnettaschenlampe zum Einsatz im Schützengrabenkrieg auf den Markt.

Im Herbst 1914 wurde die Produktion bei Junghans vollständig auf Kriegsmaterial umgestellt. Diese umfasste nicht nur Zünder, sondern auch Versandkisten und Munitionskörbe, die in der Schreinerei aus Holzspiralen hergestellt wurden, sowie Schutzkappen, Richtkreisvisiere und weitere Ausrüstungsteile. Die Firma erhielt noch 1914 den ersten Auftrag für eine Heereslieferung und drängte die Uhrenherstellung mehr und mehr in den Hintergrund.

In der Schreinerei wurden täglich 1000 bis 1300 Granatentransportkörbe gefertigt, während sich die Produktionszahl der ersten in Auftrag gegebenen Zünder L.K.Z. (Langer Kanonenzünder), E.K.Z. (Empfindlicher Kanonenzünder) und K.Z.16 (Kanonenzünder 16) von täglich je 100 Stück bis Kriegsende auf etwa je 6000 steigerte. Etwas später wurde der M.K.Z. (Mechanischer Kanonenzünder) in die Produktion aufgenommen, deren Stückzahl sich von 50 auf 1000 steigerte. Zudem wurden im Kriegsverlauf leichte und schwere Wurfminenzünder mit einer Tagesproduktion von 1000 Stück hergestellt.

Die Produktion konzentrierte sich zunehmen auf die Wurfminenzünder und den empfindlichen Kanonenzünder, der speziell für den Grabenkrieg an der Westfront entwickelt worden war. Die meisten Zünder, die während des Ersten Weltkriegs produziert wurden, waren Aufschlagzünder. Bei dieser Zünderart wird die Sprengladung durch die beim Aufprall des Geschosses hervorgerufene Erschütterung zur Detonation gebracht.

Eine Besonderheit stellte das von Junghans entwickelte und etwa einen Monat vor Kriegsende in Produktion gegebene Modell M.K.Z.17 dar, mit dem die 7.62-Granaten für Flugabwehrkanonen (Flak) bestückt wurden. Dieses Modell war mit einem Zeitzünder ausgestattet. 1917 legte Junghans einen Schießplatz auf dem Großen Heuberg bei Tuttlingen an. Im gleichen Jahr wurde außerdem das Gelände der Kunstmühle Wolber mit Porphyrwerk zwischen Schramberg und Schiltach aufgekauft, um Zünder und Sprengpulver außerhalb der Stadt lagern zu können (heute BBS).

Während des ersten Kriegsjahres erzielte Junghans mit 1 136 197 Reichsmark (etwa 4,1 Millionen Euro) einen etwa gleich hohen Gewinn wie im Friedensvorjahr. Um den Krieg finanzieren zu können, lieh sich Deutschland von Unternehmen Geld und garantierte, die Schulden nach dem erwarteten Sieg mit Zinsen zurückzuzahlen. Insgesamt wurde im Deutschen Reich neun Mal zu so genannten "Kriegsanleihen" aufgerufen, wodurch knapp 100 Milliarden Reichsmark (360 Milliarden Euro) zusammenkamen, mit denen 60 Prozent des Kriegs finanziert wurden. Junghans stellte in vier "Kriegsanleihen" insgesamt etwa vier Millionen Reichsmark (14,4 Millionen Euro) zur Verfügung.

Nach Kriegsende am 11. November 1918 stellte Junghans noch im selben Monat die Produktion von Heeresbedarf ein. 1919 wurde der Vertrag mit der Reichsmilitärfinanzverwaltung aufgelöst. Im Zweiten Weltkrieg produzierte das Unternehmen erneut Zünder. Aus dieser Geschäftssparte entwickelte sich das 1984 gegründete Unternehmen Junghans Microtec, das sich heute in Dunningen-Seedorf befindet und als Weltmarktführer auf dem Gebiet der Wehrtechnik gilt.

Die Serie "Der Raum Schramberg im Ersten Weltkrieg" des Stadtarchivs Schramberg berichtet in Kooperation mit dem Schwarzwälder Boten seit 2014 über das damalige Geschehen und stellt bisher unbekannte Quellen vor. An der Serie wirken mittlerweile auch Schüler des Gymnasiums Schramberg im Rahmen der Bildungspartnerschaft mit dem Stadtarchiv Schramberg mit. Zur Mitarbeit sind auch alle Interessierten eingeladen. Unterlagen, die für die Serie genutzt werden könnten, sind jederzeit willkommen. E-Mail: stadtarchiv@schramberg.de. Telefon: 07422/2 92 63.