Von wegen "Schöne Aussicht": Margot Kaiser, Wirtin, lebt in ständiger Sorge. Erneut hat ein Gewitter Erde den Hang heruntergespült. Das Rohr rechts dient als provosorischer Ablauf. Der Nachbar hat Sandsäcke gelegt. Foto: Rath

Erneut spült Gewitterregen Erde und Geröll um das Gasthaus Zur Schönen Aussicht von Margot Kaiser.

Schramberg - Alles Gute kommt von oben? Nicht für Margot Kaiser. Der Gewitterregen am Sonntag hat wieder Erde den Hang runter direkt vor ihre Haustür gespült. Wieder mal. "Ich leben in ständiger Angst", sagt die 71-Jährige. Margot Kaiser ist schlecht zu Fuß. Mühsam steigt sie die Stufen hoch auf die Rückseite ihres Hauses, der Wirtschaft "Schöne Aussicht". Der Blick auf die Dächer der Stadt und die Schiltach ist reizvoll, der hangaufwärts weniger. Rotbrauner Schlick überzieht die Stufen, sie hält sich lieber am Geländer fest. "Ich kann nicht so schnell", sagt sie. Die Dreckspritzer an Tür und Fassade, bis zu zwei Meter hoch, lassen erahnen, was hier am Sonntagabend los war.

Weiter unten hat die Stadt schon sauber gemacht. Der Bauhof reagierte schnell und rückte noch am Sonntagabend aus, um am Burgweg sauber zu machen. Die Straße war mit Dreck überzogen, der Einlauf verstopft. Ansonsten blieb es offenbar ruhig in der Stadt. Laut Konrad Ginter vom Tiefbauamt wurden zumindest bislang keine größeren Schäden gemeldet.

Oben am Gasthaus sind Erde und Geröll zu Haufen zusammengeschoben. Der Nachbar zur Rechten hat seine Treppe mit Sandsäcken gesichert. Am Grundstück links daneben hat das Wasser Furchen in die Erde gespült. Die Bewohner im Burgweg sind Kummer offenbar gewohnt.

Der Fall von Margot Kaiser ist ein wenig größer als das Gewitter vom Sonntag. Vor anderthalb Jahren, kurz vor Weihnachten 2012, kam der große Erdrutsch. Schlamm und Geröll verschütteten das Hinterhaus der "Schönen Aussicht. Das Gebäude ist voll mit Dreck, die Stadt verhängte ein Betretungsverbot. Lebensgefahr. Kaiser, seit mehr als 50 Jahren Wirtin, würde das Haus gerne räumen lassen. Aber noch immer sperrt sich die Versicherung der Erzdiözese Freiburg, zu zahlen. Denn der Wald über der "Schönen Aussicht" gehört der Kirche.

Auf Versicherungen ist Margot Kaiser seither nicht mehr gut zu sprechen. Ihre Gebäudebrandversicherung habe 42 000 Euro gezahlt – und ihr dann gekündigt. Nach öffentlichem Druck hat die SV-Versicherung sie wieder aufgenommen, aber Leistungen für weitere Erdrutsche vertraglich ausgeschlossen. Die Württembergische Gemeindeversicherung (WGV) der Diözese will nicht zahlen. Kaiser sei mitgeteilt worden, sie habe doch Geld von der SV-Versicherung bekommen. "Aber das ist doch für die Sanierung des Hauses", sagt die 71-Jährige. Zuvor muss erst mal jemand den Dreck rausschaufeln. Die Kosten alleine hierfür werden auf einen höheren fünfstelligen Betrag geschätzt.

Auch von der Diözese fühlt sich die Katholikin im Stich gelassen. Kaiser hofft, dass der Dreck von ihrem Grundstück endlich geräumt und der Schutzgraben hinterm Haus wieder geöffnet wird, der zugeschüttet ist. "Etwas Wasser kam immer. Aber das ist bislang immer abgelaufen." Die Stadt und die Kirchengemeinden schrieben Briefe nach Rottenburg. Immerhin kündigte die Diözese kürzlich an, noch dieses Jahr den Waldweg sanieren und den Hang befestigen zu lassen. Derzeit verhindert eine blaue Plane des Technischen Hilfswerks, dass die Erde noch mehr aufweicht. Künftig sollen Gräben das Hangwasser an den Häusern vorbeileiten. Wie das am besten erreicht wird, auch darüber streiten sich die Experten. Fürs Erste hat die Stadt an der "Schönen Aussicht" ein Kunststoffrohr am Hang verlegt, als provisorischer Abfluss.

Mit der Hangsanierung wäre das Kernproblem gelöst, zumindest vorerst. Die Diözese schließt nicht aus, dass der Hang wieder in Bewegung geraten könne. Höhere Gewalt. Und Margot Kaiser bleibt das Problem mit dem Dreck im Haus. Die Wirtin ist skeptisch. Gegen "die da oben" vorzugehen, sei schwierig. Die da oben – das sind für sie die Diözese und die Versicherungen.