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Schramberger Rudolf Huber heute vor 100 Jahren im Nachtgefecht an der Ostfront in Polen gefallen

Schramberg (er). Zu den Schicksalen des Ersten Weltkriegs gehört am 5. Dezember 1914, also vor 100 Jahren, auch der frühe Soldatentod des Schrambergers Rudolf Huber an der polnischen Ostfront bei Warschau. Der Neffe Ernst Huber hat die Kriegsgeschichte seines Onkels aufgeschrieben.

Rudolf Huber kam am 30. August 1892 als zweites von sechs Kindern der Familie von Andreas und Theresia Huber geb. Lamprecht am Schramberger Burgweg zur Welt. Als sich die vermögenslose Familie über den Bau eines Wohnhauses im Tierstein beriet, unterstützte er dieses Vorhaben und sagte zu, mit seinem Gesellenlohn zur Finanzierung des vierstöckigen Gebäudes beizutragen. Seine Geschwister gingen zu diesem Zeitpunkt noch zur Schule.

1908 wurde aus Finanzierungsgründen in das noch unfertige Haus eingezogen. Was noch nicht fertig war, sollte in Eigenarbeit erledigt werden. Alles schien nach Plan zu verlaufen. Der Vater Andreas gab seine Stelle als "Durchbruchmacher" bei Junghans zugunsten einer Werkmeisterstelle bei der Uhrenfabrik K. Mayer & Söhne (Rappen-Mayer) auf. Als dort einer der Gesellschafter ausschied, engagierte er sich in der nun unterkapitalisierten Firma vermutlich weit über seine Kräfte. 1911 wurde er krank. 1912 starb er an Schwindsucht, TBC – für die damalige Zeit und einfache Menschen unheilbar.

Für die Schuldentilgung trat nun Sohn Rudolf ein. Bis zum August 1914 sorgte er für die Mutter und drei noch minderjährige Brüder. Verlobt war Rudolf Huber mit Albertine Schär. Als Mitglied des katholischen Gesellverein hatte er die heute 120 Jahre alte und immer noch existente Fahne zu betreuen.

Schon in den ersten Mobilmachungstagen wurde der damals 22-Jährige mit vielen Schramberger Freunden in das "Grenadier-Regiment Königin Olga" in Cannstatt einberufen. Dort wurden diese bisher Ungedienten einer wahren "Schnellbleiche" unterzogen. Schon nach einem starken Vierteljahr wurden sie als einsatzfähig eingestuft und wider Erwarten nicht nach Westen, sondern nach Osten transportiert.

Dort waren die Russen in Mittelpolen durchgebrochen. Am 15. November hatten die Truppen des Zaren Offensiven aus dem Raum Warschau in Richtung Posen und Schlesien begonnen. Diese sollten von den Württembergern unter allen Umständen zum Stehen gebracht werden.

Eine am 20. November abgestempelte Feldpostkarte von ihm enthielt keinerlei Andeutung über einen bevorstehenden Einsatz. Am 30. November schrieb er jedoch schon eine Postkarte aus Polen. Die Württemberger sollten die Stadt Ilow zurückerobern. In Gewaltmärschen wurden sie herangeführt. Offensichtlich gab es dann am 3. Dezember noch eine kurze Verschnaufpause. Rudolf Huber nützte sie zum Schreiben seiner letzten Karte: "Noch eine halbe Stunde, dann stehe ich im Feuer". Zuletzt schreibt er auf die Karte, dass er soeben noch Ferdinand Schär getroffen habe. Dieser war sein Freund und gleichzeitig auch der Bruder seiner Braut Albertine.

Von Schär war dann später zu erfahren, wie sich der Angriff der württembergischen Grenadiere abgespielt haben muss. Als Schlosser war Schär bei den Pionieren. Solche wurden damals nicht für Sturmangriffe, sondern als Ingenieurstruppen für Straßen- und Brückenbau oder ähnliches eingesetzt. Von einer Anhöhe aus mussten die Pioniere zusehen, wie die Grenadiere gegen eine zehnfache russische Übermacht in fürch- terlichen Nahkämpfen zwölfmal zum Sturm angesetzt wurden. Schließlich hätten sich die Deutschen durchgesetzt, und die Stadt sei eingenommen worden. Die Pioniere mussten hinterher das Schlachtfeld absuchen. So etwas Furchtbares, so Schär später, habe er bisher noch nie gesehen.

Vom Feldwebel der 9. Kompanie des Infanterie-Regiments 119 habe er gehört, dass Rudolf entweder gefallen oder in Gefangenschaft geraten sei. Von den 230 Mann der Kompanie seien noch 38 übrig geblieben. Den Major habe er nach dem Verlust so vieler jungen Menschen wie ein Kind weinen gesehen.

Daheim in Schramberg wusste man davon noch wochenlang gar nichts. Da wurden noch Weihnachtspäckle und Briefe in den Osten geschickt. Der Brief von Mutter Theresia vom 16. Dezember kam als unzustellbar zurück. Aus Berlin war im Januar zu erfahren, dass Rudolf Huber vermisst gemeldet sei. Das war immerhin noch ein schwacher Hoffnungsschimmer. Er hielt, bis am 26. Januar 1915 mit dem Brief des Offizierstellvertreters Sick aus der 9. Kompanie des Grenadierregiments "Königin Olga" die Todesnachricht eintraf.

Zum Trauergottesdienst für Rudolf Huber kamen so viele Teilnehmer, dass die Stadtpfarrkirche bis fast auf den letzten Platz gefüllt war. Zusammen mit Huber sind bei diesem Nachtgefecht auch die Schramberger Franz Brucker, Kammerer, Leo Fehrenbacher, Paul Kopp sowie Kameraden aus Lauterbach und Hardt gefallen.

Für Großmutter Theresia und ihre jüngeren Söhne Ernst, Fritz und Josef muss der Verlust Rudolf Hubers ein fürchterlicher Schicksalsschlag gewesen sein. Theresia Huber bekam noch im hohen Alter von über 80 Jahren feuchte Augen, wenn sie davon erzählte. Die letzten Briefe sind noch heute erhalten. Die im Verlauf des Krieges ebenfalls noch eingezogenen Söhne Ernst und Fritz kamen heil von der Front zurück und konnten der Mutter dann bis zur Verheiratung auch noch finanziell helfen.

Der Vater von Ernst Huber, Ernst Andreas Huber, damals 17 Jahre alt, schrieb damals in sein Kriegstagebuch, über die Tage, in denen die Ungewissheit über das Schicksal seines Bruders groß war, aber gleichzeitig auch noch letzte Hoffnung auf ein Überleben Rudolfs keimte: "6. Dezember 1914, Großer Sieg bei Lodz. Die Entscheidung in Polen ist gefallen".