Junghans: Volker Ziegler trifft in Tartu deutschen Botschafter und absoluten Fan der Schramberger Uhren

Als Professor Rait Labotkin den Kontakt mit Volker Ziegler aus Schramberg suchte, wusste dieser wenig von dem baltischen Estland – geschweige von der Universitätsstadt Tartu, ehemals Dorpat. Aber sie fanden bald verbindende Gemeinsamkeiten.

Schramberg. Beide Genannten sind Ärzte, er aktiver, Ziegler, ehemaliger Hochschullehrer, und beide verbindet sie die Leidenschaft für Zeitmesser, bei Labotkin speziell für Junghans-Produkte.

Seit Jahren sammelt der Este ausschließlich historische Junghans-Uhren und dazu alles, was ihm weltweit, in diesem Zusammenhang, in die Hände fällt. Dazu gehört auch alles Wissenswerte über heute und ehemals agierende Menschen, ihre Geschichte, über die historischen Entwicklungen der Uhrenfabrik – ja und auch über die Stadt Schramberg und ihre enge Verbindung mit ihrer Uhrenindustrie.

Obwohl er niemals hier war, sind seine Kenntnisse von Land und Leuten profund. Bei seinen Recherchen stieß Labotkin auch auf den Vater des Berichterstatters, Anton Ziegler, denn sein Interessenschwerpunkt lag eher auf der Originalität und dem Design seiner Sammlung, als auf der Technik.

Im Zusammenhang mit der geplanten "Junghans – 150 – Jahre – Ausstellung" im ehrwürdigen Tartu-City-Museum, konnte Volker Ziegler Labotkin ein paar Tipps und Fakten über die Design-Geschichte seines Vaters von 1932 bis 1968 übermitteln. Sein Versuch, Informationen vom Schramberger Stadtmuseum zu erhalten, waren wohl leider weniger ergiebig, wie Labotkin zu berichten wusste.

Aus Dankbarkeit für seine bescheidene Hilfe erhielt Ziegler die ehrenvolle Einladung zum Besuch des Museums, der er in diesen Tagen nachkommen konnte. Von Schrambergs Ehrenbürger Hans-Jochem Steim erhielt er noch ein Grußwort mit auf den Weg, welches dankbar entgegen genommen wurde.

Über Firma bestens im Bild

Was Ziegler dort zu sehen bekam, war überwältigend, was Anzahl, Originalität und didaktische Aufarbeitung der Ausstellungsstücke betraf: In einem ehemaligen Palais, welches Katharina von Russland zugeschrieben wird, führen zwei Säle in die Produktgeschichte der Junghans-Uhrenfabrik ein. Dabei freute er sich natürlich, dass die Design- Leistung seines Vaters – neben der von Max Bill seit den 1960er-Jahren – mit vielen Beispielen – gewürdigt wurde. Aber auch die wichtigen Mitglieder der Fabrikantenfamilien Junghans und Steim – sowie der derzeitige Geschäftsführer, Matthias Stotz – sind in Text und Bild prominent vertreten. Die informative Qualität der ausgestellten Sammlung reicht, nach Zieglers Meinung, an hiesige Ausstellungen zu dieser Thematik heran – und in Teilen sogar darüber hinaus.

Zufällig ergab es sich, dass während des Aufenthalts Zieglers in Tartu, in der ehrwürdigen Universitätsbibliothek eine Ausstellung zu Ehren Konrad Adenauers, den Vater der europäischen Einigung und der Freiheit in Osteuropa, eröffnet wurde. Dort traf er nicht nur auf den Rektor der Universität, Professor Kalm, sondern auch auf den Botschafter Deutschlands in Estland, Christoph Eichhorn, der aus der Hauptstadt Tallin (ehemals Reval) angereist war.

Botschafter wird hellhörig

Im Gespräch konnte Ziegler ihn noch zu einem Besuch der Junghans-Ausstellung anregen. Aus einer kurzen Visite, entwickelte sich eine ausgedehnte Führung, in der sich der Botschafter in die Geschichte der Schramberger Uhrenproduktion, die beteiligten Menschen, Zeitmesstechnik und Design einführen ließ. Von dem in Tartu verwirklichten Projekt der Darstellung eines deutschen Industriezweigs war der Botschafter sichtlich beeindruckt. Er könne es sich gut vorstellen, dass sich diese Initiative gut eigne, wenn 2017 Baden Württemberg als Partnerland die deutsch-estnische Freundschaft vertreten soll. Ein SWR-Endlosfilm über Junghans von 2012, der in einem Ausstellungsraum lief, regte sogar zu der Überlegung an, die Aufmerksamkeit des Senders auch auf dieses kuriose "Event" am äußersten östlichen Ende der Europäischen Union aufmerksam zu machen.

Treffen im Kulturinstitut

Bei einer Patienten-Visite im hochmodernen Universitätsklinikum durfte sich Ziegler auch einen Einblick ins estnische Gesundheitssystem verschaffen. Dort arbeitet Professor Labotkin als Chirurg, Krebsspezialist und Lehrer für den ärztlichen Nachwuchs. Beim Besuch des "deutschen Kulturinstituts" – einer Gemeinschaftseinrichtung des Goetheinstituts, der deutschen Botschaft und privater Träger, ließ es sich Direktorin Ploovits nicht nehmen, dem Besucher aus Schramberg ihre Einrichtung in einer schönen Jugendstilvilla zu zeigen und erläuterte auch die Jahrhunderte alte Beziehung ihres Landes mit Deutschland im Handel (Hanse), in der Wissenschaft und Kultur zu pflegen.

Ungewöhnliche Fülle

In der Annahme, dass seine Eindrücke aus dem fernen Estland und die dortige Sichtweise auf die Industriegeschichte in der Schwarzwaldheimat auf Interesse stoßen, hat sich Ziegler vorgenommen, an dieser Stelle darüber zu berichten. Immerhin sind eine solche Fülle an Ausstellungsobjekten und Kenntnisse der Hintergründe von Firmen- und Familiengeschichte sowie von Technik und Design ungewöhnlich für einen fachfremden Sammler ohne persönlichen und örtlichen Bezug zu seinen Objekten.

"Ein Mensch mit solch einer Sammlerleidenschaft muss schon ein klein wenig verrückt sein", sagte Labotkin scherzhaft. Seine Frau Katrin stimmt ihm zu. Sie muss es ja wissen, denn sie ist auch Ärztin im Universitätsklinikum. Dabei erträgt sie tapfer ein Haus, das mit Uhren und Dokumenten von und über Junghans vollgestellt ist.