Liegenschaftsverwalter Klaus Dreyer vor einem Zugang zum Schlossbergbunker (oben). Eine Freitreppe verbindet zwei Bunkerbereiche (Mitte). In einigen Stollen steht noch altes Gerät (unten). Foto: Fritsche

Geheimnisumwitterte Unterwelt-Anlage im Schlossberg beim Junghans-Gewerbepark an der Geißhalde.

Schramberg - Die geheimnisumwitterte Bunkeranlage im Schlossberg beim Junghans-Gewerbepark an der Geißhalde zählt zu den "Geschichten der Region".

Wo früher Tausende Junghans-Mitarbeiter in den Bunkerstollen Schutz suchten, und zum Teil in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs sogar arbeiteten, hausen heute Zwergfledermäuse. Naturschützer haben mit offizieller Genehmigung breite Schlitze für den An- und Abflug in die Stahltüren des Schlossbergbunkers schneiden lassen. 900 überwintern dort, hat Fledermaus-Experte Christian Dietz gezählt.

Zum Schutz vor Bombenangriffen hatte die Uhrenfabrik Junghans im Zweiten Weltkrieg ab 1940 die bis heute erhaltene Luftschutzstollen gebaut: Stollen I unter dem Terrassenbau im Granit, die Stollen II und III im Rotliegenden des Schlossbergs. Bei Luftalarm hielten sich 2900 Mitarbeitern darin auf – ohne Lüftungssystem. Ab Ende 1944 waren der Stollen I und III zum großen Teil sogar mit Maschinen belegt.

2800 Arbeiter und Mineure

Nach dem Abriss einiger großer Junghans-Gebäude im Gewerbepark liegen die ehemals von Gebäudemauern verdeckten Zugänge am Schlossberghang offen da. Die Stollen wurden im Zweiten Weltkrieg von 2800 Arbeitern und saarländischen Mineuren in das weiche Gestein getrieben, um die Produktion von Zündern vor Luftangriffen zu schützen. Nach dem Krieg wurden einige Stollen für die Lagerung von Öl und Chemikalien genutzt.

Der heutige Eigentümer ist öffentlich nicht bekannt. Die Liegenschaftverwaltung der Geißhalde will es nicht sein, die Stadt Schramberg auch nicht. Nach Überprüfung der Eigentumsverhältnisse kommt die Stadtverwaltung nach einer Anfrage des Schwarzwälder Boten zu dem Ergebnis, dass die Anlage auf drei verschiedenen Grundstücken liegt: "Die Eigentümer können aus datenschutzrechtlichen Gründen selbstverständlich namentlich nicht benannt werden".

Seit Jahren finden gelegentlich Führungen durch die Bunkeranlage statt. Klaus Dreyer von der Liegenschaftsverwaltung des Junghans-Gewerbeparks kennt sich in den Stollen aus. Schon im Dezember 2015 berichtete unsere Zeitung aus dem Ausschuss für Umwelt und Technik des Gemeinderats, dass sich die CDU dafür einsetze, dass die Bunkeranlage offen bleibt. Stadtrat Johannes Grimm verwies auf das "touristische Potenzial" der Anlage und die "gut besuchten Führungen".

Beim vierten Tourismustag des Landkreises Rottweil vor zwei Jahren im Auto- und Uhrenmuseum in Schramberg wollten die Veranstalter herauszufinden, wie der Tourismus im Kreis Rottweil besser zu fördern ist. Einer der geladenen Referenten war Andreas Lorenz, Geschäftsführer der Berliner Project M GmbH. Er sieht den Aufbau einer "Identität durch verbindende Themen" als besonders wichtig an: "Bei der Natur- und Kultur-, insbesondere Museumslandschaft ansetzen, durch Netzwerkarbeit kleine Anbieter zusammenbringen, die Geschichte(n) der Region herausarbeiten und mit touristischen Angeboten verbinden", empfahl Lorenz damals. Der Bunker könnte in diesem Sinne eine der "Geschichten der Region" sein und das touristische Angebot erweitern.

Schicksal der Zwangsarbeiter

"Grundsätzlich ist die touristische Nutzung der Bunkeranlage natürlich vorstellbar", teilte die Stadtverwaltung dazu mit. Es müsse allerdings geklärt werden, ob eine nachhaltige Nutzung der Anlage erreicht werden könne und welcher Aufwand für eine attraktive touristische Nutzung, die auch verkehrssicher sein muss, erforderlich ist. Eine Dokumentationsbereich über den Bau und die Nutzung im Krieg, auch über das Schicksal der vielen bei Junghans eingesetzten Zwangsarbeitern könnte die Führungen ergänzen. 1942 zählen Sekundärquellen 440 Ostarbeiter, 332 Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter aus Frankreich und 90 Zwangsarbeiter aus Polen.

Über 300 waren zum Beispiel in einem Richtung Lauterbach gelegenen Barackenlager ("Lager Maierhof") untergebracht. Bei Luftangriffen soll der Bunker den Junghans-Mitarbeiter vorbehalten gewesen sein, wie Zeitzeugen behaupten. Die Zwangsarbeiter mussten draußen bleiben.

Nach dem Kriegsende bediente sich übrigens die französische Besatzung am intakten Maschinenpark. "80 Prozent der Maschinen gingen nach dem Krieg nach Frankreich. Junghans hatte dann neue", erinnert sich Klaus Dreyer.