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Bürgerdialog: Wie bleibt der ländliche Raum attraktiv? Minister Peter Hauk und Nicole Hoffmeister-Kraut holen sich Anregungen

"Gemeinsam den ländlichen Raum stark halten" – das möchte der neu gegründete Kabinettsausschuss Ländlicher Raum, in dem alle Fachressorts der Landesregierung gebündelt sind. Um sich Ideen und Anregungen der Bürger zu holen, kamen gleich zwei Minister nach Schopfloch.

Schopfloch/Region. Bürger meister Klaas Klaassen begrüßte zum Abschluss der Veranstaltungsreihe neben dem Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, Peter Hauk, und der Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau, Nicole Hoffmeister-Kraut, in der Veranstaltungshalle auch zahlreiche Vertreter von Behörden, Verbänden und Kommunen sowie interessierte Bürger. Die Veranstaltung sei für Schopfloch "etwas Außergewöhnliches", denn erstmals seien gleich zwei Minister zu Gast, freute sich Klaassen, der die Gemeinde kurz vorstellte. Beim Förderprogramm Melap habe Schopfloch zu den Pionieren gehört. Nun ruhten die Hoffnungen auf dem Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum und darauf, dass die Ortsumgehung Schopfloch und damit der Anschluss an die Autobahn bald fortgeführt werde, sagte Klaassen.

Mit insgesamt 1000 Teilnehmern seien die fünf Veranstaltungen gut angekommen, zog der Moderator des Abends, Gerhard Faix von der Akademie Ländlicher Raum Baden-Württemberg, zufrieden Bilanz. Mit der Gründung eines Kabinettsausschusses habe die Landesregierung "ein Zeichen gesetzt". Im Dialog mit den Menschen sollen Antworten und Lösungen auf die Frage "Wie schaffen wir es, dass der ländliche Raum in der Zukunft attraktiv bleibt?" gefunden werden.

"Es braucht eine Arbeitsgruppe zwischen den Ressorts", erklärte Minister Hauk den Zusammenschluss der einzelnen Fachbereiche in einem Kabinettsausschuss. Ziel sei es, den Blick für den ländlichen Raum zu schärfen und allen Menschen, ganz gleich ob sie in Städten oder auf dem Land wohnen, die gleichen Chancen einzuräumen. Gleiche Chancen bedeute aber nicht gleiche Regelungen, machte Hauk anhand von Beispielen deutlich.

So müssten für Grundschulklassen oder Klassen an Fachschulen im ländlichen Raum niedrigere Klassengrößen angesetzt werden, um sie zu erhalten und um den Schülern lange Wege zu ersparen. Große Unterschiede gebe es auch beim ehrenamtlichen Engagement, wusste der Minister, der von 65 Prozent im ländlichen Raum und von maximal 20 Prozent in Städten berichtete. Dieses Engagement gelte es ganz besonders zu fördern, halte es doch die Demokratie am Leben, forderte er. Denn wer sich für andere engagiere, übernehme Verantwortung. "Die Menschen in Schopfloch brauchen genauso Perspektiven wie die Menschen in Stuttgart", sagte Hauk. Deshalb müsse die Landesregierung "Eigeninitiative und Eigenverantwortung stärken und die Rahmenbedingungen verbessern".

"Auch ich bin ein Kind des ländlichen Raums, war aushäusig und bin wieder zurückgekommen." Mit dieser Kurzvorstellung machte Nicole Hoffmeister-Kraut deutlich, wie viel ihr an ihrer Heimat liegt und wie sehr sie deren "hohe Lebensqualität" schätzt. Sie ist sich sicher: "Es muss und es wird uns gelingen, die Attraktivität zu erhalten, um die Menschen für den ländlichen Raum zu begeistern." "Raus aufs Land" liege wieder im Trend, das zeigten die vielen Nachfragen nach Bauplätzen. Und nirgends sonst lägen Idylle und Industrie so nah beieinander, argumentierte sie.

"Wir müssen die politischen Rahmenbedingungen schaffen, und den sozialen Mietwohnungsbau in der Fläche fördern", wurde die Ministerin konkret. Ein großes Problem sieht sie darin, dass private Flächen oft nicht zur Verfügung stehen. Ein Flächenmanager soll es deshalb richten und bei Baulücken und leer stehenden Gebäuden zwischen den Parteien vermitteln. Die Ministerin wünscht sich auch beschleunigte Verfahren, den Natur- und Artenschutz betreffend, damit künftig schneller gebaut werden kann.

"Wir brauchen lebhafte Ortskerne mit Läden, Restaurants, Schulen, Kindergärten und Ärzten", so Hoffmeister-Kraut, die sich für eine verstärkte Förderung durch Programme wie ELR oder die Städtebauförderung aussprach. Als wichtige Faktoren nannte sie auch den Ausbau des Breitbandnetzes, um Firmen Hochleistungsnetze bieten zu können und Arbeitsplätze auf dem Land zu erhalten. Trotz der vielen Herausforderungen zeigte sich die Ministerin am Ende zuversichtlich: "Die Zukunft bietet viele Chancen – auch für den ländlichen Raum."

Nach den Reden der beiden Minister durften sich die Gäste im Saal zu Wort melden und sich zu deren Ausführungen äußern. Wer zum Thema "Attraktive Ortskerne und lebendige Dörfer" Ideen und Anregungen hatte, konnte sie den beiden Kabinettsmitgliedern auf den Rückweg nach Stuttgart mitgeben. Danach waren alle zu einem Umtrunk und zu persönlichen Gesprächen eingeladen.

Schopfloch (ds). Es waren nicht nur Schopflocher, die zu der Veranstaltung der Akademie Ländlicher Raum Baden-Württemberg mit Minister Peter Hauk und Ministerin Nicole Hoffmeister-Kraut in die Veranstaltungshalle gekommen waren. Und sie kamen auch nicht nur aus dem Landkreis Freudenstadt. Einige Gäste hatten lange Wege auf sich genommen, um sich an der Diskussion zu beteiligen, teilweise aber auch, um eigene Probleme vorzutragen.

So bemängelte ein Forstunternehmer, dass seitens der Forstwirtschaft europaweit ausgeschrieben werde und regionale Firmen oft den Kürzeren ziehen. Ein anderer klagte, dass seinem Ortsteil Einrichtungen wie betreutes Wohnen fehlten und es immer schwieriger werde, Lebensmittelläden, Metzgereien und Bäckereien zu erhalten.

Auch der Rückzug der Bankfilialen aus kleinen Orten wurde kritisiert. Selbst wenn es einer Kommune gelinge, eine Fläche für den sozialen Wohnungsbau zu finden, so tue sie sich anschließend äußerst schwer, ein leistungsfähiges Unternehmen für die Umsetzung zu finden, klagte ein weiterer.

Bemängelt wurde auch die lange Dauer von Flurneuordnungsverfahren. Eine Besucherin bat um mehr Unterstützung für Mehrgenerationenhäuser, andere äußerten Bedenken wegen Windkraftanlagen in der Nähe von Gemeinden mit Tallage und wegen Photovoltaikanlagen auf landwirtschaftlichen Flächen. Selbst die Frage, was zu tun sei, sollte sich der Wolf im Schwarzwald ansiedeln, wurde diskutiert.

Ganz konkrete, allerdings rein private Anfragen hatten zwei Gäste. Während der eine von Ministerin Hoffmeister-Kraut wissen wollte, weshalb er auf mündliche und schriftliche Patentanfragen aus ihrem Ministerium keine Antwort erhalten habe, beschwerte sich die andere über den Denkmalschutz, durch den der Verkauf ihres Hauses gescheitert sei, und über die hohen Kosten für ein Gutachten, das sie für eine Abbruchgenehmigung benötige. Die Ministerin versprach, den Anfragen nachzugehen.

Ganz direkt bat der Reinerzauer Ortsvorsteher Gerold Wein um Unterstützung seitens des Landes, um den Kindergarten im Alpirsbacher Stadtteil wieder öffnen zu können, da die Kinderzahl dank zahlreicher Zuzüge enorm gestiegen sei. Die Antwort von Minister Hauk war ebenso direkt: "Das muss die Stadt Alpirsbach schaffen." Schließlich nehme sie ja Geld von den Bürgern ein und müsste dieses auch wieder für deren Bedürfnisse einsetzen.

Anregungen kamen schließlich auch noch. Er benötige keinen Baumanager, meinte Baiersbronns Bürgermeister Michael Ruf. Diese Aufgabe erledigten er und seine Ortsvorsteher. Sie hätten sich schon den Mund fusselig geredet, um Eigentümer von Bauland zum Verkauf zu bewegen – vergebens. Angesichts von 60 Hektar baureifem Land, das der Gemeinde aber nicht zur Verfügung stehe, und unzähligen Anfragen Bauwilliger halte er entgegen der Aussage der Ministerin die Zeit für eine Grundsteuer für unbebaute Grundstücke für "mehr als reif".

Auch Peter Hauk wurde in einem Punkt zum Schluss noch ganz konkret. Um Vollsortimenter in kleinen Gemeinden auch innerorts ansiedeln zu können und so die Grundversorgung zu sichern, müssten "unsinnige Regelungen" abgeschafft werden. Hauk bezog sich auf die Vorschrift aus den 1960er-Jahren, wonach die Verkaufsfläche 800 Quadratmeter nicht übersteigen dürfe. Hier müsse die Flächenzahl auf 1000 bis 1200 Quadratmeter erhöht werden. "Es gibt Vorschriften, die nicht mehr zeitgemäß sind."

Wann bietet sich einem schon mal die Gelegenheit, einem Minister sein Leid zu klagen – in Schopfloch bot sie sich mit dem Besuch der Landesminister Peter Hauk und Nicole Hoffmeister-Kraut gleich zweifach. Und so nutzten einige Gäste bei der Veranstaltung der Akademie Ländlicher Raum Baden-Württemberg die Fragerunde, um private Anliegen vorzutragen und persönlichen Ärger loszuwerden. Doch bei dieser öffentlichen Veranstaltung waren Ideen und Anregungen über zusätzliche Förderprogramme für Städte und Gemeinden im Allgemeinen und zu den Bedürfnissen der Menschen, die im ländlichen Raum leben und sich mehrheitlich ehrenamtlich engagieren, im Besonderen gewünscht. Die persönlichen Belange waren weder zielführend noch passend. Sie zogen die Diskussion nur unnötig in die Länge und sollten künftig unterbleiben.