Vor 100 Jahren bauten Schonacher ihre Kirche / 600 Kinder im Gottesdienst / Pfarrer streitet sich mit Erzdiözese

Von Maria Kienzler

Schonach. Die Frage, wie man eine Kirche mitten im Krieg bauen kann und ob die Männer nicht alle an der Front waren, drängen sich auf, wenn man erfährt, dass das Schonacher Kirchengebäude 1915 fertig wurde. Immerhin wurde der Bau zwei Jahre vorher begonnen, als noch niemand mit einem Weltkrieg rechnete.

Zuerst wurde das schmale Dorfkirchlein – außer dem Turm – abgerissen, am 24. August 1913 war die Grundsteinlegung für die neue Kirche. Als ein Jahr später die meisten Männer als Soldaten in den Kampf ziehen mussten, gab es trotzdem keinen Stillstand, denn die italienischen Steinmetze, die in Untertal einen Steinbruch hatten, waren für die Maurerarbeiten verpflichtet worden.

Die Nachkommen der Schwarzwaldbahn-Erbauer mussten nicht in den Krieg ziehen, weil sie Italiener waren. Die Gebrüder Bianchi und die Castellazzi-Brüder erstellten das Fundament und zogen mit Granitsteinen das Mauerwerk hoch, wie der verstorbene Schonacher Hobby-Autor Bruno Bender in seinen Schriften schildert.

Eingeweiht wurde die Kirche erst lange nach dem Krieg, am Montag, 29. Mai 1922. Schon am Vorabend wurde Erzbischof Karl Fritz aus Freiburg feierlich von der Bevölkerung am Mühleweiher empfangen. Drei Triumphbögen waren ihm zu Ehren errichtet worden. Am nächsten Tag standen alle Räder still, als der Erzbischof die große Wälderbasilika, wie die Schonacher stolz ihre neue Kirche nannten, weihte. Die Fabriken und Läden schlossen ihre Türen, und auch die Kinder und Jugendlichen bekamen schulfrei, um an dem Kirchenfest teilzunehmen.

Der Bauherr der Kirche, Pfarrer Wilhelm Fichter, kam eigens in seine frühere Pfarrei, um die Festpredigt zu halten, obwohl er schon seit einem Jahr in Waldulm bei Achern als Pfarrer wirkte. Die Stimmung bei der Kirchweihe war voller Harmonie und Freude, und die abenteuerliche Vorgeschichte des Kirchenneubaus schien vergessen. Doch die meisten Kirchenbesucher wussten wohl um die Probleme, die es damals mit der kirchlichen Behörde gegeben hatte. Pfarrer Fichter hatte jedoch erfolgreich gegen das Bauamt der Diözese gekämpft und sich auch nicht gescheut, in Richtung Freiburg allerlei Lästerungen auszustoßen, die in der Dorfchronik nachgelesen werden können.

Damals leitete noch Thomas Nörber bis zu seinem Tod im Jahr 1920 die Erzdiözese. Vermutlich ist dies auch der Grund, warum die Kirche St. Urban erst sieben Jahre nach der Fertigstellung eingeweiht wurde, denn Erzbischof Nörber war nicht gut auf den Pfarrer von Schonach zu sprechen.

Wilhelm Fichter, der 1906 als junger Vikar in das Bergdorf kam und bereits zwei Tage später als Pfarrer investiert wurde, wünschte sich von Anfang an ein neues Gotteshaus. "Diese Kirche ist viel zu klein, zu niedrig, zu dumpf und ungesund", lautete die Begründung des neuen Seelsorgers für einen Neubau.

Nahezu 2000 Sitzplätze verlangte der Geistliche für seine Schäfchen mit den Worten: "In meiner Pfarrei gibt es 600 Schulkinder, die jedem Sonntag in die Kirche kommen und nicht einmal einen Sitzplatz finden." Auch zahlreiche Erwachsene mussten nach einem stundenlangen Fußweg zur Kirche die ganze Zeit stehen, wie es weiter hieß.

Pfarrer Fichter gewann nicht nur den Stiftungsrat für seine Pläne, sondern auch den Gemeinderat und die Bevölkerung. "Wir brauchen keine verpfuschte, sondern eine geräumige Kirche", schrieb er keck nach Freiburg, um sich wieder einmal einen Verweis einzuhandeln.

Aber das oberste Bauamt genehmigte trotzdem nur 1000 Sitzplätze und verbot den Abriss des alten Turmes mit der Begründung, dass dieser unter Denkmalschutz stehe. Dafür hatte der Pfarrer überhaupt kein Verständnis, aber er musste sich fügen.

"Wenn man nur einmal sämtliche Bauräte und Denkmalschützer in die alten Kirchtürme einsperren könnte, damit sie ihr ganzes Leben lang dort herumgeistern müssten, dann wäre alles viel einfacher", soll er gewettert haben. Die neue Kirche wurde dann außer dem Haupteingang mit vier Seitentüren geplant, damit es kein Gedränge gab und sich Frauen und Männer nicht begegnen konnten.

Auf der linken Seite vorne war der Eingang nur für die Mädchen und dahinter für die Frauen, während auf der rechten Seite jeweils eine Eingangstüre für Jungen und Männer angebracht wurde. Heute gibt es seitlich jeweils nur noch zwei Türen.

Die Kirche St. Urban kann auf eine 100-jährige Geschichte zurückblicken, doch die Schonacher Pfarrei wird schon bald 1000 Jahre alt. Um 1100 stand an der gleichen Stelle schon eine kleine romanische Kirche. Die Christen aus Niederwasser gehörten damals ebenso zur Schonacher Pfarrei wie die Schönwälder und die Triberger.

Mitte des 16. Jahrhunderts wurde eine neue Kirche mit einem gotischen Turm gebaut, die aber bald wieder zu klein war. Im Winter standen viele Leute vor der Türe und mussten frieren. Erst der energische Pfarrer Fichter, der 15 Jahre in Schonach wirkte, erreichte, dass eine geräumige Kirche gebaut wurde.