Am Landgericht Tübingen fiel das Urteil in einem ungewöhnlichen Prozess. Foto: M. Bernklau

Landgericht Tübingen setzt dauerhafte Einweisung des Mechanikers aus Schömberg zur Bewährung aus.

Tübingen/Schömberg - Der 36-jährige Schömberger, der wegen mehrerer Gewaltdelikte gegen Busfahrer und Polizisten, dazu wegen Nötigung und Beleidigung angeklagt war, ist vom Landgericht Tübingen als schuldunfähig zur Unterbringung in der geschlossenen Psychiatrie verurteilt worden.

Die Verfügung setzte der Vorsitzende Richter Ulrich Polachowsli allerdings unter strengen Auflagen für eine Behandlung und Medikamentierung zu einer fünfjährigen Bewährung aus. Das entsprach den einhelligen Plädoyers von Anklage und Verteidigung. Beim Staatsanwalt Denis Fondy hatte sich Anwalt Hans-Christoph Geprägs auch im Namen seines Mandanten ausdrücklich für die Fairness seines Plädoyers bedankt – ein eher seltener Fall vor deutschen Gerichten. Damit kann der Mann, seit fast 20 Jahren immer wieder wegen einer schizo-affektiven Störung in der Psychiatrie, in eine betreute Wohngruppe im Schwarzwald aufgenommen werden.

Der Fall war vor die fünfköpfige Große Strafkammer gekommen, weil Art, Zahl und Schwere der Vorwürfe eine Allgemeingefährlichkeit des Mannes mit einem anschließenden dauerhaften Wegsperren nahelegen konnten. Der aus Mühlacker stammende Angeklagte war zweimal in Bussen nach Schömberg aus scheinbar nichtigem Anlass ausgerastet, hatte einem Busfahrer eine Bierdose an den Kopf geschleudert, den anderen mit einem Faustschlag ins Gesicht erheblich verletzt.

Eher leichter waren die Verletzungen, die drei Polizisten davontrugen, als sie den Mann mit Gewalt an einer Flucht hinderten, nachdem eine Vernehmung in der Arrestzelle geendet hatte. Einen Bekannten aus dem Calwer Obdachlosenmilieu, der ihm vermeintlich Geld schuldete, eine Uhr weggenommen haben soll und möglicherweise auch eine langwierige Fußverletzung bei einer Rangelei verursacht hatte, versuchte der 36-Jährige zur Herausgabe zu nötigen, indem er ein langes Messer in dessen Wohnungstür rammte – im irrtümlichen Glauben, der Mann sei nicht da.

An diesen Geschehnissen gab es am Ende der Beweisaufnahme wenig Zweifel. Der Beschuldigte räumte auch fast alle Vorwürfe ein und entschuldigte sich bei den als Zeugen geladenen Busfahrern. Die Auseinandersetzung auf der Polizeiwache allerdings sah er immer noch anders: Den Beamten hatte er im Prozess mehrfach unangemessene Gewaltanwendung gegen ihn vorgeworfen.

Gewalterfahrungen mit der Polizei hatte der Mann offenbar schon mehrfach gemacht, in einer Phase, als er mit seinem damaligen Betreuer nicht mehr zurecht kam, die Medikamente absetzte und "unberechenbar" wurde, wie Staatsanwalt und Richter das nannten. Mit 19 war er erstmals in die Psychiatrie gekommen. Für die seelische Erkrankung könnten auch schwerste Gewalterfahrungen in seiner Jugend ausschlaggebend gewesen sein, denen der Mann seinerzeit vonseiten seiner Mitschüler ausgesetzt gewesen sein will.

Das konnte auch der sachverständige Psychiater Gunther Essinger nicht ausschließen, der den Beschuldigten seit Jahren aus dem Hirsauer Klinikum Nordschwarzwald kennt und in seinem Gutachten auch darauf hinwies, dass der Mann sich sehr schnell extrem bedroht fühle, besonders wenn sich ihm Hände entgegenstreckten. Alkoholabhängigkeit schloss er aus. Seine positive Prognose setzte der Arzt unter den Vorbehalt einer dauerhaften Behandlung mit Neuroleptika, die das Aggressionspotenzial dämpften.

Der 36-Jährige zeigte sich das ganze Verfahren über zwar völlig einsichtig in seine Krankheit und die Notwendigkeit einer Behandlung, hatte aber auch die Nebenwirkungen bestimmter Medikamente und die Missachtung durch seinen früheren Betreuer beklagt.

"Ich bin kein Mensch, der rumpöbelt und schlägt", hatte er in seinem Schlusswort beteuert und darauf hingewiesen, dass er vor den angeklagten Vorfällen mehrere Jahre "glücklich und ohne Ärger für andere Leute" in seiner Schömberger Wohnung gelebt habe.