Flieger-HJ 1941 mit ihrem Hängegleiter "Stadt Schiltach" und Fluglehrer Bösch. Von den 13 Jungen lebt noch H. W. (ganz links). Foto: Schwarzwälder-Bote

Jugend in der NS-Zeit / Zeitzeuge erinnert sich: "Das war ein Sägen, Feilen, Hobeln und Spleißen, bis der Gleiter fertig war"

Schiltach. Vor 70 Jahren endete der Zweite Weltkrieg. Hans Harter hat mit einem Zeitzeugen gesprochen, der namentlich nicht erwähnt werden will, der jedoch die Zeit des Nationalsozialismus’ in Schiltach miterlebt hat. Hier sein Bericht:

Sie werden immer weniger, die Mitbürger, die in ihrer Jugend nichts anderes kannten, als dass fast alle Lebensbereiche nationalsozialistisch geprägt waren. Schon vor der Machtübernahme gab es hier Angehörige der Hitler-Jugend, darunter der Nachbarsohn unseres Gewährsmanns. Er nahm 1932 den gerade Fünfjährigen mit zum Lehrer Zimmermann, Leiter des NS-Parteibüros, der ihn in die Hitler-Jugend (HJ) aufnahm.

Den Stolz vertrieb ihm der Vater, Färber in der Schlossmühle, der ihm den Hintern versohlte, zu besagtem Lehrer ging und ihn wieder abmeldete. Die Mühe war umsonst: 1933 eingeschult, kamen die Buben später automatisch zum "Jungvolk", die Mädchen wurden "Jungmädel". Der Schulgruß hieß "Heil Hitler", zu dem die Kinder "begeistert die Hand hoben".

Spannend war, wenn der Maibaum, von der Stadtmusik begleitet, durchs Städtle gefahren wurde: "Da sind wir alle mitgelaufen." Es war kein Unterschied zu einem winterlichen Vergnügen: Der von Pferden gezogene Bahnschlitten brauchte Belastung, und so durften die Kinder aufsitzen und mit durch die Straßen fahren. Von den Pädagogen ist vor allem Oberlehrer Ruckelshausen in Erinnerung, ein Junggeselle, der sich auch in der Freizeit der Schüler annahm. So baute er mit ihnen Modellflugzeuge, die sie übers Städtle fliegen ließen. Am Wochenende packte er die Buben mit Werkzeug in seinen "Adler" und legte mit ihnen Wanderwege an, zum Welschfelsen und zu den Dohlenbacher Wasserfällen.

1941 schulentlassen, kamen sie in die Hitler-Jugend. Für die bisherigen Modellbauer gab es im NS-Fliegerkorps die NSFK-Schar mit eigener Werkstatt auf dem Sägergrün. Jetzt Jungflieger, sollten sie den Nachwuchs für die Luftwaffe bilden: Was mit Modellen begann, wurde mit Gleit- und Segelfliegern weitergeführt, einer Kombination von handwerklicher und fliegerischer Ausbildung.

Fluglehrer war Wilhelm Bösch, Werkmeister und Flieger im Weltkrieg, den sie Vater Bösch nannten. Das war ein Sägen, Feilen, Hobeln und Spleißen, bevor der Hängegleiter fertig und aufs Moosenmättle gebracht war, an einen Hang für Gleitflüge. Nach der Übernachtung auf einem Heuboden war es ein Erlebnis, mit dem Fluggerät "die ersten Rutscher zu machen".

Dass das Ganze vormilitärisch ausgerichtet war, zeigt die begleitende Funkausbildung durch Gottlieb Trautwein, Gerbereiteilhaber und bis 1918 Funker im Großen Hauptquartier, der dies eher unpolitisch-technisch sah. In Rastatt war die Prüfung, dann gab es neue Chancen: Lehrgänge im Elsaß oder in Hessen für die verschiedenen Segelflugscheine.

Wie es weiterging, erzählt unser Gewährsmann: "So ganz in der Fliegerei aufgehend, meldete ich mich als 16-Jähriger freiwillig zur Luftwaffe. Zur Tauglichkeitsprüfung musste ich nach München und erhielt den Annahmeschein." Der rettete ihn zwar davor, zur SS eingezogen zu werden, nicht aber, mit 17 in den Krieg zu müssen: Luftwaffe, wie viele andere Schiltacher, die aufgrund ihrer Flieger-HJ-Zeit als Piloten, Mechaniker und Bordfunker eingesetzt wurden und oft nicht oder schwer verwundet zurückkamen.